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Geschäft mit dem Klimaschutz Bäume als Klimaretter: Wie sinnvoll ist das Aufforsten?

Bäume zu pflanzen, ist immer ein gute Idee. Doch nicht alle Aufforstungsprojekte sind auch nachhaltig
Bäume zu pflanzen, ist immer ein gute Idee. Doch nicht alle Aufforstungsprojekte sind auch nachhaltig
© A3pfamily/shutterstock
Aufforstungsprojekte versprechen Klimaschutz für kleines Geld. Doch wie effektiv ist das Bäumepflanzen wirklich? Wir geben Tipps für die Auswahl des richtigen Projekts

Bäume pflanzen gegen den Klimawandel? Nichts scheint derzeit leichter: Wir müssen nur zur "guten Schokolade" greifen, die richtigen Kosmetika kaufen, mit einem Klick spenden, oder - umweltbewusst - verhüten. Schließlich gibt es sogar "Kondome, die Bäume pflanzen". Das Baum-Business boomt. Aber wann ist das Bäumepflanzen tatsächlich sinnvoll? Und woran erkennt man seriöse Anbieter?

Dass verantwortungsvolles Handeln in der Baum-Branche nicht immer selbstverständlich ist, zeigt die aktuelle Kritik an der bekanntesten deutschen Aufforstungsorganisation, Plant for the Planet. Wochenlange Recherchen des Magazins stern offenbarten Defizite bei den Baumpflanzungen in Mexiko, zweifelhafte Strukturen, mangelnde Transparenz und fachliche Begleitung der Organisation. Der Verlag Gruner + Jahr, bei dem auch GEO erscheint, setzte daraufhin seine Kooperation mit Plant for the Planet aus. Weitere Unternehmen, darunter der Konzern Procter & Gamble und der Käsehersteller Hochland, folgten.

Skepsis gegenüber vollmundigen Versprechen, mit billigen Bäumen das Klima zu retten, ist also angebracht. Aber es wäre falsch, jetzt Aufforstungen pauschal in Frage zu stellen.

Wälder sind schließlich die wichtigste Kohlenstoffsenke, über die wir derzeit verfügen: Ihr Wachstum entzieht der Atmosphäre jährlich rund zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid, sechs Prozent der globalen CO2-Emissionen.

Für Bäume ist der Klimakiller CO2 ein Lebenselixier: Sie verwandeln ihn in Kohlenstoff, den er vor allem im Holz speichert. Erst, wenn das verrottet oder verbrennt, entweicht die zuvor gespeicherte CO2-Menge wieder in die Atmosphäre. Deshalb müssen wir die Abholzung vorhandener Wälder stoppen (zehn bis 15 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen gehen allein auf die Zerstörung tropischer Regenwälder zurück) – und zugleich diese natürlichen CO2-Speicher ausbauen.

Mit möglichst vielen neuen Bäumen ist es dabei allerdings nicht getan. Schlecht geplante Aufforstungen können den CO2-Ausstoß sogar erhöhen, etwa wenn ihnen Moore weichen, oder Böden, ebenfalls wichtige Kohlenstoffspeicher, degradiert werden. Und an vielen Standorten ist "natürliche Regeneration" das beste - und billigste - Mittel: Die Natur erobert sich dann die Flächen aus eigener Kraft zurück.

Worauf also sollte man achten, wenn man beim Kauf eines Produktes oder durch eine Spende Bäume pflanzen will?

  1. Was für ein Unternehmen wirbt damit, Bäume zu pflanzen? Wenn es sich ansonsten wenig um seine Ökobilanz kümmert, betreibt es vermutlich nur Greenwashing. Und das darf in der Regel nicht viel kosten. Manche Organisationen versprechen einen Baum für wenige Cent. Doch selbst in den ärmsten Ländern der Welt lässt sich mit so wenig Geld nicht nachhaltig aufforsten. Woran gute Aufforstungsprojekte in Deutschland zu erkennen sind, hat der Förster Peter Wohlleben in einem Schnelltest zusammengetragen.

  2. Verspricht ein Anbieter, den CO2-Ausstoß seiner Kund*innen zu kompensieren? Dann sollte sein Projekt durch den "The Gold Standard" zertifiziert sein, den auch das Umweltbundesamt empfiehlt. Diese Projekte reduzieren nicht nur nachweislich die Treibhausgase, sondern dienen zugleich der lokalen Umwelt und der Bevölkerung.
  3. Wie gut informiert die Organisation, die Bäume pflanzt, über ihr Tun? Seriöse Anbieter legen ihre Zahlen offen, besuchen die Projekte regelmäßig, erheben auch die "Mortalität" der Setzlinge. Denn schließlich wächst nicht jeder Setzling zu einem Baum heran. In welchem Umfang wird dann nachgepflanzt? Und wie wird eigentlich der langfristige Erhalt der Waldflächen gesichert? Manche Baum-Anbieter versprechen, Spender*innen jedes Jahr ein Foto "ihres" Baumes zu schicken. Eine schöne Marketing-Idee, aber wie lang soll dieses Versprechen gelten? Die nächsten fünf, 30 oder 50 Jahre? Werden auch die Kinder und Enkel der Spender*innen noch Post bekommen?
  4. Wer nur hohe Baumzahlen im Blick hat, sieht womöglich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Der sollte schließlich weit mehr sein als nur ein möglichst effizienter Kohlenstoffspeicher. Er filtert Wasser, schützt Böden, bietet zahlreichen Arten Lebensraum, versorgt Menschen mit Waldprodukten: „Ökosystemleistungen“, die sich bisher kaum beziffern lassen – aber bei einer guten Aufforstung berücksichtigt werden sollten.
  5. Forscher der renommierten Royal Botanic Gardens (KEW) haben zehn „goldenen Regeln“ für Aufforstungen aufgestellt, die möglichst viel CO2 speichern, der Biodiversität zu Gute kommen (der Verlust an Artenvielfalt ist schließlich neben dem Klimawandel die zweite globale Krise) und das Leben der Menschen vor Ort verbessern. Daraus ergeben sich weitere Fragen an ein sinnvolles Projekt: Trägt es zum lokalen Ökosystem bei? Werden degenerierte Flächen wieder hergestellt, heimische Arten gepflanzt? Wie sind die Menschen vor Ort eingebunden? Ist die Aufforstung auch in ihrem Interesse? Denn nur gemeinsam mit ihnen kann nachhaltiger Waldschutz gelingen.

Bäume zu pflanzen, ist eine langfristige Investition in unsere Zukunft. Bis neue Wälder nennenswert CO2 speichern, werden wir die 1,5 Grad-Grenze bereits überschritten haben. Um den Klimawandel zu bremsen, müssen wir daher auch bestehende Wälder schützen – und unseren eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren.

Ines Possemeyer ist Geschäftsführerin von "GEO schützt den Regenwald e.V."

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