Tausende Menschen haben sich am Sanstag in Berlin erneut anlässlich des palästinensischen Gedenktages Nakba versammelt. Die Polizei sprach gegenüber WELT von 6200 Teilnehmern, erwartet worden waren etwa 2000 Menschen.
Unter dem Titel „Palestine will be free“ liefen die Menschen vom Oranienplatz in Kreuzberg in Richtung Rotes Rathaus. Die Polizei war am Samstag nach eigenen Angaben mit rund 500 Einsatzkräften vor Ort. Vereinzelt seien Teilnehmer festgenommen worden, um deren Identität festzustellen, sagte eine Polizeisprecherin am Samstagnachmittag. Auch Böller seien auf die Polizei geworfen worden.
„Das ist ein rotes Dreieck“, prangte in englischer Schrift auf einem Banner, dass der Umzug vor sich hertrug. Das rote Dreieck wird im antiisraelischen Protestmilieu als Zeichen der Unterstützung der Terrororganisation Hamas genutzt. Die Hamas selbst hat das Symbol in der Vergangenheit genutzt, um Feinde zu markieren.
Andere Banner und Schilder trugen die Aufschrift „Genozid“: Gemeint ist damit eine Verschwörungstheorie, wonach Israel in Gaza einen Völkermord begehe. Neben Palästinenser-Flaggen waren solche von linksextremen Parteien zu sehen, auch Schilder mit der Aufschrift: „Queers for Palestine.“
Der Protestzug sei mehrfach angehalten worden wegen gezündeter Pyrotechnik oder weil vereinzelt verbotene Parolen gerufen wurden, hieß es von der Polizei. Um der Polizei eine Dokumentation zu erschweren, seien Transparente verknotet und Regenschirme aufgespannt worden.
Die Polizei ermittelt zu 25 Strafanzeigen. Außerdem setzten die Polizisten in 25 Fällen „freiheitsbeschränkende“ Maßnahmen auf der Demo ein, um etwa Personalien festzustellen, wie ein Sprecher am Sonntagmorgen mitteilte.
Aufrufe zu Gewalt durch Polizei verboten
Wie üblich hatte die Polizei vor dem Protestzug einige Auflagen erlassen. So waren etwa Aufrufe zu Gewalttaten oder ehrverletzende Parolen verboten. Untersagt waren auch Äußerungen, die die Vernichtung des Staates Israel propagieren, oder Fahnen und Kennzeichen terroristischer Organisationen wie der islamistischen Terrororganisation Hamas oder der Organisation Samidoun, für die nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 ein Betätigungsverbot in Deutschland verhängt wurde.
Vom Lautsprecherwagen sei laut Polizei die verbotene Parole „From the river the sea“ gerufen worden. Der Wagen sei entfernt worden, teilte die Polizei mit.
Im Demonstrationszug lief auch FDP-Politikerin Karoline Preisler als einsame Gegendemonstrantin mit. In den vergangenen Wochen war sie wiederholt am Rand von israelfeindlichen Demonstrationen gesehen worden. Dabei hatte sie Fotos von Hamas-Opfern in die Höhe gehalten.
Laut einer Polizeisprecherin machte Preisler von ihrem Recht Gebrauch, sich einer Versammlung anzuschließen und dort ohne Verursachung von Störungen eine Gegenmeinung kundzutun. Weil die Demonstrationsteilnehmer teils aggressiv auf Preislers Anwesenheit reagierten, umringten bis zu zehn Beamte sie.
2500 Teilnehmer kamen nach Polizeiangaben am angemeldeten Endpunkt der Versammlung an. Der Nakba-Gedenktag am 15. Mai erinnert an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser im ersten Nahostkrieg 1948 nach der Staatsgründung Israels.
Tumulte nach Demonstration am Mittwoch
Am Mittwochabend hatten anlässlich des Nakba-Gedenktages bereits etwa 600 Menschen in Charlottenburg demonstriert. Im Anschluss kam es in Neukölln zu Tumulten. Nach Angaben der Polizei versammelten sich dort etwa 200 Demonstranten. Einige von ihnen setzten Mülleimer in Brand, auch Feuerwerk und bengalisches Feuer wurden gezündet. Immer wieder hätten Menschen an verschiedenen Stellen Gegenstände wie Fahrräder und Mülltonnen auf die Straßen geworfen.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel gibt es in Berlin wöchentlich Demonstrationen. Der Berliner Staatsanwaltschaft liegen nach eigenen Angaben bislang rund 1040 Verfahren (Stand: 17. Mai) im Kontext des Gaza-Kriegs vor.
Bei den Verfahren geht es in etwa 210 Fällen um Straftaten bei Demonstrationen zu dem Nahost-Konflikt, wie eine Behördensprecherin auf Anfrage mitteilte. Häufig geht es demnach um Volksverhetzung, Sachbeschädigung, Beleidigung oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.