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  4. Uhren: Welche Rolle Longines beim Hahnenkamm-Rennen spielt

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Wenn Österreicher auf Schweizer Präzision prallen

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Mit vollem Risiko den Hang hinunter: Der Schweizer Marco Odermatt beim Rennen in Kitzbühel Mit vollem Risiko den Hang hinunter: Der Schweizer Marco Odermatt beim Rennen in Kitzbühel
Mit vollem Risiko den Hang hinunter: Der Schweizer Marco Odermatt beim Rennen in Kitzbühel
Quelle: Getty Images/Guenther Iby
Zur Hahnenkamm-Abfahrt lädt die eidgenössische Uhren-Manufaktur Longines Handelspartner aus der Alpenrepublik ein. Unser Autor war dabei – und lernte nicht nur viel über Ski, sondern fand sich in einer Sittengeschichte wieder.
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Das Schicksal des deutschen Weihnachtsbaums ist für normal recht schnell besiegelt. Bis zum Dreikönigstag am 6. Januar haben die meisten Bundesbürger ihre Tanne aus der Behausung befördert – es reicht dann mit der Weihnachtsrührung, man geht wieder zur Arbeit, inklusive Kantine und Kollegen. Im Hotel „Weißes Rössl“ in Kitzbühel aber scheint man von solcherlei Gepflogenheiten nichts zu wissen. Eisern hält das mit Lichterketten geschmückte Exemplar vor der Eingangstür die Stellung – ganz so, als wolle es persönlich darauf aufpassen, dass die Nachricht von der Geburt Gottes Sohnes nie an Aktualität verliert.

Vielleicht liegt es aber auch an der eigenen Zeitrechnung in dem österreichischen Ort: Mitte Januar findet hier das Hahnenkamm-Rennen statt, die härteste Abfahrt im Weltcup, nirgends geht es für die Ski-Profis gleich zu Beginn so steil bergab wie hier. Dabei den Besuchermassen noch ein wenig Lichterkettenglanz zu ermöglichen, kann nicht schaden, denn die Fans – hier: die Feens – sollen schließlich für ihr Geld etwas geboten bekommen.

Vom Ski-Star mit entwickelt: Longines „Conquest“ Marco Odermatt
Vom Ski-Star mit entwickelt: Longines „Conquest“ Marco Odermatt
Quelle: Philip Cassier

Auch Longines, der schweizerische Zeitnehmer des Rennens, lädt zu dem Event seine Konzessionäre im Land ein, es sich ein paar Tage lang gut gehen zu lassen; Voraussetzung ist natürlich, dass die Juweliere im Vorjahr hervorragend abgeschnitten haben, aber das sollte kein allzu großes Problem sein bei dieser Marke, die auch voriges Jahr wieder gewachsen ist. Mit von der Partie sind auch zwei deutsche Journalisten, die beiden können sich über mangelnden Input nicht beklagen.

Es beginnt am ersten Abend bei Rosi, über die sich die Anwesenden die unglaublichsten Dinge erzählen. Sie entpuppt sich als Dame in den Achtzigern, die hoch über den Dächern der Stadt ein Gasthaus führt und jeden Tag persönlich zugegen ist. Ihre wunderbar blonden Haare lassen sie jünger wirken, als sie ist, und wenn es nach der Portionsgröße von Milchkalb, Kaiserschmarrn & Co geht, meint sie es wirklich gut mit ihren Gästen. Zu späterer Stunde greift sie auch gern noch zur Gitarre, singt ein paar Lieder auf ihre Heimat und fordert die Bewirteten beim Jodeln zum Mitmachen auf.

Bei den Deutschen spielt nun jeder sein eigenes System. Der Mann aus Sachsen hatte die Konversation bei Tisch in Megafon-Lautstärke damit eröffnet, im nächsten Leben Österreicher sein zu wollen. Entsprechend engagiert ist er bei der Sache. Der Mann aus Niedersachsen glaubt eher abstrakt an die Wiedergeburt, und sollte es doch so weit kommen, so kann er sich spontan mindestens 17 Dinge vorstellen, die vielleicht noch schöner sein könnten als mit einem Pass aus der Alpenrepublik durch die Weltgeschichte zu spazieren. Entsprechend bewegt er beim Loriot-Moment im Hier und Jetzt – „Diri diri dudl jö“ – nur die Lippen, Laute gibt er nicht von sich.

Zurück im Hotel gibt es noch zu lernen, dass der Name „Weißes Rössl“ in Österreich dafür steht, dass hier Postpferde unterkamen – in Deutschland würden wir uns deshalb in einem Hotel „Zur Post“ befinden. Das ist erstens gut zu wissen, falls mal jemand fragt, und es schützt zweitens vor Verwechslungen: Der Sixties-Klassiker mit Peter Alexander in der Hauptrolle wurde im „Weißen Rössl“ am Wolfgangsee gedreht, nicht hier. Die Betreiber in Kitzbühel scheinen allerdings ohnehin eher nach vorn zu blicken als zurück, jedenfalls sind die Zimmer in dunkler Holzoptik technisch auf dem neuesten Stand.

Am zweiten Tag ist von den meisten Österreichern im Vormittag nichts zu sehen, sie fahren Ski. Alle anderen müssen zwischen Frühstück und Mittagessen lediglich die Aufgabe meistern, zehn Minuten lang zu einer Schwebebahn zu gehen, dort einzusteigen und sich auf den Gipfel chauffieren zu lassen. Halbwegs schwindelfrei sollte man dafür schon sein, aber dieser Anforderung genügen alle Beteiligten, sodass beim Einchecken im Restaurant keine Abgänge bei Mensch und Material zu verzeichnen sind. In der Stube angekommen, stellt der Gast fest, dass in diesem Lokal schon mittags Wein und Bier in Massen geordert werden, Österreich will den Briten in der Disziplin Day Drinking offenbar unter keinen Umständen das Championat kampflos überlassen.

Der Kitzbüheler Ski Club hat seinen Helden eine eigene Gedenktafel mit gemalten Porträts gewidmet
Der Kitzbüheler Ski Club hat seinen Helden eine eigene Gedenktafel mit gemalten Porträts gewidmet
Quelle: Philip Cassier

Bei der festen Nahrung wiederum wundert es, dass sie nicht mit einem Lastwagen an den Tisch gebracht wird: Kaspressknödelsuppe, Burrata, Wiener Schnitzel und wieder mal Kaiserschmarrn sind Teller für Teller ein Hauptgericht, doch wir haben es mit einer Gruppe von ganz harten Fightern zu tun, also zumindest, wenn es um die Nahrungsaufnahme geht – und so putzt manch einer aus dem Expeditionskorps einfach alle vier Gänge weg. Auch dass am Abend ein mehr als zehngängiges japanisches Menü wartet, beschwert die Gemüter keinesfalls, denn jetzt ist ja erst einmal Mittag.

Die Führung zum Punkt, von dem aus das Ski-Rennen startet, gebiert echte Ehrfurcht. Jeder, der einmal vor einer sportlichen Herausforderung stand, kann den steigenden Adrenalinpegel der Fahrer erspüren, diese unendlich langen Minuten, bevor es losgeht; eine Zeit, in der nichts mehr zu tun ist – und in denen das, was es zu tun gibt, noch nicht getan werden kann.

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Wer dann als Nicht-Skifahrer auf die Piste blickt, der weiß: Dieses Rennen überleben nur absolut austrainierte Athleten, wobei selbst die noch zu Schlucken haben dürften. Fabian, der die Gruppe führt, ist im Brotberuf bei einer Versicherung tätig, hat die Piste aber selbst schon bezwungen. Man müsse halt die Kanten der Skier schleifen, erläutert er, und der Niedersachse murmelt ein „Alles klar, Mann“ in sich hinein.

Gespanntes Warten am Ziel – wie schneidet der persönliche Favorit ab?
Gespanntes Warten am Ziel – wie schneidet der persönliche Favorit ab?
Quelle: Philip Cassier

Longines‘ Testimonial bei dem Rennen heißt Marco Odermatt, ist Schweizer und führt im Weltcup. Ein Umstand, der die meisten der anwesenden Österreicher sofort dazu antreibt, alle Chancen für die Landsleute schlechtzureden, denn wer vorher kapituliert, kann sich hinterher umso mehr freuen, sollte doch einmal etwas klappen. Doch nun wartet ohnehin erst einmal wieder die Piste auf die Skifreunde, die andere Gruppe versucht sich am Eisstockschießen oder verzieht sich wie der Niedersachse in die Hotelsauna.

Zum Abend herrscht trotz der Aussicht auf ein ausgezeichnetes Mahl etwas Nervosität. Matthias Breschan, der CEO von Longines, hat seinen Besuch zugesagt, die Runde fragt sich, was er wohl zu berichten haben wird. Etwaige Sorgen entpuppen sich allerdings zumindest heute als Hirngespinste: Die Manufaktur wird größer und hat 2 Milliarden Franken Umsatz fest im Blick. Bei genauem Zuhören sind Breschans Worten auch Probleme zu entnehmen, diese Szenarios aber können nur eintreten, wenn sich die Weltlage noch einmal entschieden verschlechtern würde.

Ansonsten ist das Unternehmen laut seines CEOs aus mehreren Gründen stabil: Erstens hat es sowohl Elegantes als auch Sportliches im Angebot, zweitens kaufen Männer und Frauen zu gleichen Teilen die Uhren. Drittens schließlich hat sich Longines immer durch echte Innovationen ausgezeichnet. So geht die GMT-Funktion auf das Unternehmen zurück, die Zeitzonen markiert, oder die Flyback-Komplikation bei Chronografen oder die drehbare Lünette und vieles mehr, um das herum sich eine authentische Geschichte erzählen lässt. Das gebe es sonst eher selten. Zuletzt eingeführt hat man bei den Frauen die „Mini Dolce Vita“ und bei den Männern die Fliegeruhr „Zulu-Time“, beide liefern wohl sehr gut ab, auch wenn sie noch nicht den Bekanntheitsgrad hätten, der ihnen zu wünschen wäre.

Besuch vom Terminator in Zivil: Arnold Schwarzenegger schaut an der Piste vorbei
Besuch vom Terminator in Zivil: Arnold Schwarzenegger schaut an der Piste vorbei
Quelle: Getty Images/Klaus Pressberger

Im folgenden Interview erläutert Breschan, der seit 2021 den Chefposten innehat, wie Covid das Haus aufrüttelte. Man habe sich zuvor zu sehr auf China und den Konsum-Tourismus verlassen, die Pandemie aber habe gezeigt, wie wichtig lokale Kunden seien. Deshalb habe man die Modellpalette in Größe und Design nun wieder mehr auf europäische Bedürfnisse zugeschnitten, das komme an.

Breschan erzählt von einem Pop-up-Store in Kampen, der große Erfolge gefeiert habe: Unaufgeregter Luxus, das sei der Schlüssel – und wenn man im Bereich zwischen 1000 Euro und 5000 Euro viel Uhr fürs Geld biete, dann sei man gut aufgestellt. Durch solch frohe Botschaften beseelt, schmeckt das Essen wieder ganz besonders gut, ob Sushi und Rindersteak, da ist für jeden etwas dabei – und die Tatsache, dass es in einem österreichischen Hotel so japanisch zugeht, zeigt, dass wir im Jahr 2024 leben.

Nur keine Angst – der Nachwuchs an der Piste, die für Profis die größte Herausforderung is
Nur keine Angst – der Nachwuchs an der Piste, die für Profis die größte Herausforderung ist
Quelle: Philip Cassier

Am Tag des ersten Rennens herrscht überall im Ort hektische Betriebsamkeit. Es sind sogar Zuschauer aus den USA da, und als der Niedersachse mit Wohnsitz Berlin eine rote Fahne sieht, denkt er unwillkürlich an eine politische Demonstration – irgendwelche Linksradikale mit ihren kaputten Visionen –, bis ihm auffällt, dass das gar nicht sein kann, denn das hier ist ja nicht die deutsche Hauptstadt, in der jeder ständig für oder gegen was auch immer demonstriert. Nein, hier steht er vor ein paar Eidgenossen mit einer überdimensionierten Kuhglocke, die in Vorfreude auf grandiose Siege ihres Berg-Gladiators Marco Odermatt ordentlich Alarm machen.

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Auf der Tribüne, die am Fuß der Piste liegt, gibt’s gleich die volle Dröhnung: Entweder eine kristallharte Stimme aus einem Lautsprecher fordert die Zuschauer auf, sich zu erheben, zu winken oder andere Kinkerlitzchen vorzuführen oder aus den Boxen quillt eine Melange aus Schlager und alten AC/DC-Nummern. Das wird sich im Verlauf des Rennens nicht ändern, kann aber dem Respekt des vermutlich einzigen Niedersachsen vor Ort nichts anhaben: „Abfahrt ist Angst“ hatte der norwegische Weltmeister und Olympiasieger Aksel Lund Svindal jüngst zu Protokoll gegeben – und wenn die Fahrer mit rund 140 km/h durchs Ziel brettern, versteht man, woran das liegt.

Marco Odermatt legt eine Bestzeit vor, muss sich aber am Freitag wie am Samstag Cyprien Sarrazin geschlagen geben – nach Meinung der Experten ging der Franzose bei den Läufen ein noch größeres Risiko ein. Das klingt auch für den Niedersachsen plausibel, dessen analytische Fähigkeiten sind allerdings zum Ende des Rennens vollauf davon gefesselt, beim nächsten Mal hier keinesfalls wieder im Hamburger Dufflecoat aufzutauchen. Denn klar, man ist irgendwie individuell damit, aber man friert auch erbärmlich. Doch das sind jene Probleme, die andere gern hätten – und überhaupt war Kitzbühel eine echte Erfahrung, also das Beste, was einem auf diesem Planeten passieren kann.

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