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Warum 2024 für die Uhrenindustrie entscheidend wird

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Breitlings „Avenger Chronograph 44“ (7600 €) links. Mitte: Longines „Spirit Flyback“ (5000 €). Audemars Piguet „Royal Oak Offshore Flying Tourbillon Chronograph“ (378.000 €) Breitlings „Avenger Chronograph 44“ (7600 €) links. Mitte: Longines „Spirit Flyback“ (5000 €). Audemars Piguet „Royal Oak Offshore Flying Tourbillon Chronograph“ (378.000 €)
Breitlings „Avenger Chronograph 44“ (7600 €) links. Mitte: Longines „Spirit Flyback“ (5000 €). Audemars Piguet „Royal Oak Offshore Flying Tourbillon Chronograph“ (378.000 €)
Quelle: Christian Hagemann
Rückläufiges Kundeninteresse, der Trend zu Monobrand-Boutiquen und neue Gesichter an der Spitze großer Manufakturen: Die Uhrenwelt steht vor großen Veränderungen. Was im kommenden Jahr auf die großen Häuser zukommt.

Das neue Jahr war keine fünf Tage alt, da hatte die Industrie schon ihre erste große Nachricht: Die französische LVMH-Gruppe kürte Frédéric Arnault zum Chef ihrer Uhrensparte. Der Sohn des Konzernchefs Bernard Arnault hatte davor die Geschicke von Tag Heuer gelenkt, seit Anfang Januar 2024 ist er nun neben dieser Marke auch noch für Hublot und Zenith verantwortlich.

Der Schritt sorgte bei LVMH für ein munteres Stühlerücken: Der bisherige Zenith-Chef Julien Tornare übernimmt Tag Heuer, Benoit de Clerk, eine Branchenveteran, folgt Tornare bei Zenith nach. Nur Ricardo Guadalupe von Hublot bleibt auf seinem Posten. In seiner Zeit bei Tag Heuer hatte Frédérc Arnault unter anderem die etwas unübersichtliche Modellpolitik seiner Vorgänger geordnet, die Partnerschaft mit Porsche ausgebaut und den Schauspieler Ryan Gosling als Werbegesicht gewonnen. Das Unternehmen hatte damit ein juvenileres Gesicht bekommen.

Seit Anfang des Jahres an er Spitze der Uhrensparte von LVMH mit den Marken Hublot, Zenith und Tag Heuer: Frédéric Arnault, Sohn des Konzernchefs Bernard Arnault
Seit Anfang des Jahres an der Spitze der Uhrensparte von LVMH mit den Marken Hublot, Zenith und Tag Heuer: Frédéric Arnault, Sohn des Konzernchefs Bernard Arnault
Quelle: © Gian Marco Castelberg

Interessant zu beobachten wird nun sein, wie sich das Verhältnis der Uhrensparte zu den beiden LVMH-Juweliershäusern Bulgari und Tiffany entwickelt. Gerade Bulgari pusht seine Zeitmesser sehr, ist aber bei LVMH nicht unter dem Dach der Uhren einsortiert. Arnault Junior gilt mit seinen 28 Jahren als extrem ambitioniert – und noch dazu lässt sich die Beförderung als Zeichen seines Vaters deuten, dass die Gruppe unter allen Umständen in Familienhand bleiben soll.

Was die LVMH-Häuser inhaltlich an Neuem im Gepäck haben, wird sich Ende Januar bei ihrer Watch Week in Miami Beach zeigen. Geht es ansonsten nach den Gesetzen, die die Branche in den vergangenen Jahren geprägt haben, so steht ein buntes 2024 bevor. Verlass ist in der Uhrenindustrie darauf, dass viele Hersteller nachahmen, was Rolex in den Jahren zuvor präsentiert hat. 2022 beispielsweise gab es auf der Genfer Messe Watches and Wonders eine Menge Uhren mit GMT-Funktion zu sehen, nachdem der Branchenführer mit seinen GMT-Varianten den Markt beherrscht hatte.

Kooperation mit einem berühmten Modedesigner: Hublot „Big Bang Tourbillon SR A by Samuel Ross“ (132.000 Euro)
Kooperation mit einem berühmten Modedesigner: Hublot „Big Bang Tourbillon SR A by Samuel Ross“ (132.000 Euro)
Quelle: Christian Hagemann

Voriges Jahr staunten die Experten in Genf, wie farbenfroh sich Rolex präsentierte. Schaden könnte der Welt ein bisschen Anstrich auf den Zifferblättern nicht, sie ist ja derzeit grau genug. Hoffen wir also, dass die Verantwortlichen ihrer Strategie der Imitation treu bleiben. Bei der Frage wiederum, was Rolex im April vorstellen wird, müssen alle Bescheidwisser passen. Es ist jedes Mal erstaunlich, wie gut es den Genfern gelingt, alles Neue geheim zu halten.

Zu wünschen wäre der Uhrenwelt, dass es diesmal etwas auf den Tisch kommt, das über Kosmetik hinaus geht – also am besten ein Werk, das neue Standards setzt. Zwar hat sich in diesem Bereich Einiges getan, aber kaum bei großen Häusern. Frederique Constant präsentierte 2021 ein Schnellschwing-Kaliber zu einem relativ moderaten Preis, aber das ist nur etwas für Kenner. Noch immer nicht vergessen hat die Industrie offenkundig die Schwierigkeiten, die Omega 1999 nach der Einführung der Coaxial-Hemmung hatte. Inzwischen profitieren die Bieler längst von dieser Technik, aber Anlaufschwierigkeiten will sich niemand leisten.

Kooperation mit einem berühmten Modedesigner: Hublot „Big Bang Tourbillon SR A by Samuel Ross“ (132.000 Euro)
Patek Philippe „Referenz 5224R“ mit 24-Stunden-Anzeige (57.000 Euro)
Quelle: Christian Hagemann

Dass ein Wagnis zu Problemen führen kann, hatte in jüngerer Zeit auch Audemars Piguet erlebt. Fünf Jahre ist es her, dass die Manufaktur aus Le Brassus mit der „Code 11.59“ eine neue Produktfamilie vorstellte. Damals nahm der Hype um die „Royal Oak“ an jedem Tag zu – und es war eine kluge Überlegung, nun etwas zu etablieren, das einen ein wenig unabhängiger von dem Erfolgsmodell machen würde. Doch der damalige CEO François-Henry Bennahmias erlebte auf der Genfer Messe ein Fiasko. Das Publikum fiel über die Kreation her, manche ganz besonders witzigen Zeitgenossen sprachen von einem „Royal Joke“.

Vermutlich hat dieses Erlebnis viele Manufakturen nur noch vorsichtiger werden lassen. Bennahmias baute sein Unternehmen nach 2019 konsequent weiter um: Die reiche Historie als Haus, das auch die kompliziertesten Werke meisterhaft beherrscht, trat mehr und mehr in den Hintergrund, dafür trug ein Boxer wie Anthony Joshua die Modelle von Audemars Piguet, und man bewarb lautstark eine Partnerschaft mit Marvel.

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Kommerziell lieferte das Haus damit eine Performance ab, die kaum zu übertreffen sein dürfte. Der Umsatz verdoppelte sich innerhalb von sieben Jahren auf 2 Milliarden Schweizer Franken, damit läge man nun etwas vor dem, was der ewige Konkurrent Patek Philippe derzeit pro Jahr umsetzen soll. Aber der Kurs birgt auch Gefahren: Manchen Sammlern scheint das Pop-Element zu dominant zu werden, auf Auktionen waren selbst bestimmte „Royal Oak“-Modelle in letzter Zeit nur schwer zu versteigern.

Glashütte Original „Senator Excellence Ewiger Kalender“ (37.700 Euro)
Glashütte Original „Senator Excellence Ewiger Kalender“ (37.700 Euro)
Quelle: KRISTIAN SCHULLER

Seit Beginn des Jahres ist nun Bennahmias nicht mehr CEO, auf ihn folgt mit Ilaria Resta eine Frau, die nicht aus der Branche kommt. 23 Jahre lang arbeitet sie für Procter & Gamble, einem Riesenkonzern, der Marken wie Pampers oder Gilette betreibt. Resta arbeitete in Rom, London, Genf und Cincinnati, ihr Aufstieg war kontinuierlich. Ein Blick von außen kann nicht schaden, nachdem sich in Le Brassus mit Jasmine Audemars ein wichtiges Mitglied der Besitzerfamilie zurückgezogen hat. Viel wird davon abhängen, ob es der Neuen gelingt, die „Code 11.59“-Kollektion entscheidend zu pushen.

Patek Philippe steuerte den genau gegensätzlichen Kurs. Es gibt keine Kooperationen, kein knallendes Marketing, keine allzu ausgefallene Modelle. Im Gegenteil nahm der Eigentümer Thierry Stern 2021 mit der „Referenz 57/11 Nautilus“ seinen Megaseller in Stahl vom Markt, bevor er stellvertretend für das ganze Unternehmen stehen konnte. Kurz darauf stellte er eine überarbeitete „Calatrava“-Kollektion vor und reizte Sammler mit neuen Modellen mit Minutenrepetition. Diese Positionierung auf dem Markt scheint aufzugehen – man ist vielleicht weniger im Gespräch als die Lautsprecher, aber das muss ja nichts Schlechtes sein.

Vacheron Constantin „Traditionelle Tourbillon“ (195.000 Euro)
Vacheron Constantin „Traditionelle Tourbillon“ (195.000 Euro)
Quelle: Christian Hagemann

Von den großen Gruppen Swatch und Richemont ist bisher noch wenig nach außen gedrungen, sie heben sich ihre Neuvorstellungen noch auf. Bei Richemont wird man Anfang April zur Watches and Wonders Bescheid wissen, was Häuser wie Cartier, IWC, Vacheron Constantin, Jaeger-LeCoultre oder A. Lange & Söhne im Sortiment haben. Sei der Swatch Group werden bis dahin diverse Hersteller wie Omega, Glashütte Original Rado und Breguet Novitäten gezeigt haben.

Unabhängig von der Modellpolitik eint viele Hersteller, in Deutschland eigene Boutiquen zu eröffnen, bei Juwelieren schrauben sie ihr Engagement derzeit eher zurück. So eröffnete Jaeger-LeCoultre unlängst in München auf der Maximilianstraße einen Store, IWC findet sich nun am Kurfürstendamm und eine Marke wie Breitling unterhält in der Hauptstadt am Kurfürstendamm und am Hackeschen Markt gleich zwei Verkaufspunkte. Die Vorzüge dieses Modells liegen auf der Hand – der Kunde lässt sich völlig auf die jeweilige Markenwelt ein und hat keine Möglichkeit, durch einen Vergleich mit den Erzeugnissen eines anderen Herstellers womöglich einem Konkurrenten den Zuschlag zu erteilen.

Das ultimative Modell für Sammler

Doch könnte sich diese Vorgehensweise schon bald als überaus riskant erweisen. Geschäfte in Toplagen ziehen hohe Mietkosten nach sich, auch geschultes Personal will bezahlt werden und ist nicht einfach so vorhanden. Die Zukunft wird zeigen, ob der jeweilige Markenname über der Tür dauerhaft genügend Strahlkraft entwickelt, um die Boutique am Leben zu halten. Derzeit zeigt der Uhrenmarkt zumindest in Deutschland klare Anzeichen einer Sättigung: Viele Kunden haben sich in der Coronazeit bedient und wollen ihr Geld nun wieder anderweitig ausgeben.

Nicht betroffen ist bisher dem Vernehmen nach Rolex, obwohl auch bei den Genfern die Gebrauchtmarktpreise etwas nachgeben. Die Marke mit der Krone hatte voriges Jahr für die wirtschaftliche Nachricht des Jahres gesorgt: Kurz vor dem Tod des Familienpatrons Jörg Bucherer im November kaufte sie das Juwelierhaus. Was das für den Markt bedeutet? Wie gesagt, bei Rolex versteht man sich bestens auf die Kunst der Geheimhaltung.

Die Uhren aus den Kollektionen 2023 wurden fotografiert von Christian Hagemann für unser UHREN Magazin im November.

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