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Janina Kugel

Kolumne Menschenskinder Homeoffice ist nur der Anfang

Janina Kugel
Von Janina Kugel
Während der Corona-Krise erleben wir das größte Arbeitsplatzexperiment der Welt. Unternehmen, die auch künftig ortsunabhängig Jobs anbieten, werden im Vorteil sein.
aus manager magazin 4/2021
Out of Offce: Statt im Büro arbeitet man neuerdings überall

Out of Offce: Statt im Büro arbeitet man neuerdings überall

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mihtiander / iStockphoto / Getty Images

Was wurde in den vergangenen Monaten zum Thema Homeoffice alles geschrieben und diskutiert. Es wirkte fast so, als handelte es sich um eine Revolution, so neuartig schien diese Arbeitsform im deutschen Firmenalltag zu sein. Dabei war es keine neue Errungenschaft, etliche Menschen arbeiteten schon zuvor so. Als Revolution empfanden es indes viele präsenzverliebte Unternehmen, die derartige Lockerungen ihrer Arbeitsweisen bislang grundsätzlich abgelehnt hatten.

Dass Technologie allein, also das Installieren gängiger Tools und Apps wie Teams oder Zoom, nicht ausreicht, um eine neue Arbeitswelt zu schaffen, haben wir spätestens im vergangenen Jahr erfahren. Es geht nicht ohne das richtige Mindset und eine Arbeitskultur, die gleichzeitig Ergebnisse bringt und Freude an der Arbeit. Modelle, die in der analogen Welt funktionieren, können nicht einfach eins zu eins auf die virtuelle Welt übertragen werden, sondern es braucht neue Umgangsformen: Wie arbeiten wir zusammen? Wie laufen Diskussionen ab? Welche neuen Regeln müssen wir uns geben?

So gesehen ist die Corona-Zeit das größte Arbeitsplatzexperiment der Welt. Hier lernen wir, wie die Zukunft der Arbeit aussehen könnte, und probieren Dinge aus, gegen die es zuvor – sei es von Arbeitgeberseite oder vonseiten des Betriebsrats – zu viel Widerstand gegeben hatte. Beobachtet habe ich allerdings auch, dass Unternehmen sich um Kontrollmechanismen aller Art kümmerten, um sicherzustellen, dass zu Hause auch wirklich gearbeitet wurde und Mitarbeiter(*)innen nicht etwa faul abhingen. Ich fragte mich: Wo war es geblieben, das Credo, dass Arbeitsergebnisse zählen und nicht Anwesenheit? Dass gute Führung nicht darin besteht, zu kontrollieren, sondern zu motivieren?

Wer diese Zeit nur als erzwungene Übergangslösung begreift, mit dem Ziel, die Belegschaft möglichst schnell wieder zurück in Büros und in alten Strukturen zu führen, hat das Potenzial, den ersten Schritt in eine gänzlich neue Arbeitsform zu machen, nicht erkannt. Denn das Zauberwort der Zukunft heißt ohne Zweifel Remote Work.

Es ist ein Modell, das nicht nur gelegentliche Arbeit von zu Hause ermöglicht, sondern vollkommene Ortsunabhängigkeit. Unternehmen, die so arbeiten, denken nicht mehr in Kategorien ihrer Niederlassungsorte. In ihren Stellenanzeigen steht als Arbeitsort "Wo immer Sie wollen". Sie haben ihre Chance im "War for Talents" begriffen, in dem wir alle uns befinden. Remote Work ermöglicht es Unternehmen, über den größtmöglichen Talentpool zu verfügen. Denn wer wohnt schon von vornherein in Pendeldistanz zum Firmensitz oder will dort hinziehen? Die Berufstätigkeit des(*)r Partner(*)in oder das Eingebundensein in die Heimat verhindern das oft. Und dann gibt es die potenziellen Mitarbeiter(*)innen, die nicht nur einen spannenden Job suchen, sondern an unterschiedlichen Orten der Welt leben und von dort aus arbeiten möchten. Schon heute sagen über 60 Prozent der Wissensarbeiter(*)innen, dass Arbeitsflexibilität für sie der wichtigste Benefit ist, Tendenz steigend. So verschieden die Lebensentwürfe sein mögen, eines haben diese Menschen gemeinsam – sie sind hoch qualifiziert, möchten in spannenden Jobs arbeiten und wünschen sich Flexibilität.

Klar geht es auch, in den Bieterkampf um die besten Mitarbeiter(*)innen mit anderen Unternehmen vor Ort einzusteigen und zu hoffen, dass das eigene Angebot attraktiver ist und bleibt als das des Wettbewerbers. Schlauer erscheint es mir, das Potenzial von Remote Work zu erkennen und eine Arbeitskultur zu schaffen, die es zulässt, dass alle unabhängig von ihrem Wohnort Teil des Teams sein können. Übrigens ist das auch ökonomisch häufig die attraktivere Lösung: die Gehaltserwartungen außerhalb von Ballungszentren sind geringer und die Mietkosten für Büros sinken. Was steigt, ist die Zufriedenheit und Produktivität in der Belegschaft.

Wer es wagt, wird also gewinnen und einen großen Schritt in Richtung Zukunft gemacht haben.

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