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Geschichte SA vor und nach „Röhm-Putsch“

Was aus den gefürchteten Braunhemden nach 1934 wurde

Bis zu 4,5 Millionen Mann gehörten zur SA, der „Sturmabteilung“ der NSDAP. Mit dem angeblich gerade noch rechtzeitig niedergeschlagenen „Röhm-Putsch“ verloren die Braunhemden stark an Bedeutung. Aufgelöst aber wurde die Organisation nicht.
Leitender Redakteur Geschichte
SA-Leute 1935 bei der nächtlichen „Totenehrung“ beim Reichsparteitag in Nürnberg SA-Leute 1935 bei der nächtlichen „Totenehrung“ beim Reichsparteitag in Nürnberg
SA-Leute 1935 bei der nächtlichen „Totenehrung“ beim Reichsparteitag in Nürnberg
Quelle: picture alliance / SZ Photo
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Fast anderthalb Jahre lang war die SA seit dem 30. Januar 1933 kontinuierlich gewachsen, von mehr als 500.000 Mitgliedern Ende Januar 1933 bis auf mehr als 4,5 Millionen. Nach dem blutigen Schlag gegen die SA-Führung am 30. Juni 1934 mit den Morden an großen Teilen des Führungspersonals (und anderen echten oder vermeintlichen Feinden) sank die Mitgliederzahl in nur drei Monaten auf 2,6 Millionen und weiter bis auf 1,2 Millionen 1938.

Der Grund war einfach: Nach der Mitgliedersperre für die NSDAP (in Kraft getreten zum 1. Mai 1933) war der Beitritt zur SA vielen deutschen Männern (es handelte sich nur um Männer) als geeignete Möglichkeit erschienen, sich zum neuen Regime zu bekennen. Nachdem Hitler ganz offensichtlich mit der – neben der Partei – mindestens zweitstärksten Gliederung seiner Bewegung unzufrieden war, galt dieses Kalkül nicht mehr.

Gegründet worden war die SA (für „Sturmabteilung“) Ende 1920 unter dem Namen „Sportabteilung“ der NSDAP. Sie solle „in die Herzen unserer jungen Anhänger den unbändigen Willen zur Tat“ pflanzen und „ihre Kraft der Gesamtbewegung als Sturmbock zur Verfügung stellen“, hatte ihr erster Chef Hans Ulrich Klintzsch der anfangs nur wenige Köpfe starken Gruppierung aufgegeben.

Als sie am 5. Oktober 1921 ihren neuen Namen „Sturmabteilung“ (abgekürzt SA) erhielt, saß Klintzsch bereits in Haft, wegen der mutmaßlichen Beteiligung am tödlichen Attentat auf den ehemaligen Reichsfinanzminister Matthias Erzberger. 1922/23 amtierte er, inzwischen freigelassen, noch einmal gut ein Jahr als SA-Chef, bevor ihn der Kriegsheld Hermann Göring ablöste.

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Die Gründung der SA war Hitlers Bekenntnis zum Einsatz von Gewalt als Mittel der Politik. Eine zufällig erhaltene Liste zeigt, dass die ersten Angehörigen meist um 20 Jahre alt waren und überwiegend aus dem Kleinbürgertum stammten. Die NSDAP verpflichtete einen Profiboxer als Trainer: Zwei- bis dreimal pro Woche lehrte er SA-Leute, bei überschaubarem Risiko für sich selbst beim Gegner möglichst großen Schaden anzurichten.

Nach dem Hitler-Putsch 1923 wurde die seinerzeit etwa 2000 Mann starke SA verboten und 1925 wieder gegründet; nun wurden die Braunhemden eingeführt (vorher hatte die SA Feldgrau getragen). 1926 hatte die SA bis zu 15.000 Mitglieder, 1930 viermal so viele und im August 1932 schon mehr als 470.000 – vorwiegend echte Veteranen des Weltkrieges 1914 bis 1918 sowie Angehörigen der Kriegsjugendgeneration, also der Jahrgänge 1900 bis 1910, die es bedauerten, nicht mehr an der Front eingesetzt worden zu sein.

Am 30. Januar 1933 erreichte der rapide Aufstieg ein neues, völlig unerwartetes Tempo. „Durch die Mitgliedschaft in der SA“, schreibt der Historiker Daniel Siemens, „vermochte man sich als guter Nationalsozialist zu inszenieren, ohne noch den Gefahren der ,Kampfzeit’ ausgesetzt zu sein. An die Stelle der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, bei denen sich der SA-Mann hatte auszeichnen können, traten nun Aufgaben, die primär nach innen, auf die Formierung und Disziplinierung der ,Volksgemeinschaft’, gerichtet waren.

Das allerdings wirkte besonders auf jene Männer, die bereits seit mehreren Jahren zu der Truppe gehört hatten, denkbar unattraktiv. Denn nicht mehr „junge Draufgänger, sondern Familienväter im Braunhemd“ bestimmten laut Siemens zunehmend das Bild der SA. Hinzu kam die geschlossene Übernahme des ehemals konkurrierenden deutschnationalen Veteranenverbandes Stahlhelm mit mehr als 500.000 ehemaligen Frontsoldaten.

SA-Aufmarsch mit Hakenkreuzfahnen und geschulterten Tornistern in den Straßen Nürnbergs während des 'Reichsparteitags der Freiheit'. (Aufnahmedatum: 01.09.1935-30.09.1935)
SA-Aufmarsch mit Hakenkreuzfahnen und geschulterten Tornistern 1935
Quelle: picture alliance / SZ Photo

Die Struktur der SA war nun sehr disparat, was zu Spannungen zwischen „alten Kämpfern“, die schon vor 1933 in der Hitler-Bewegung aktiv gewesen waren, und Neumitgliedern führte. Auch deshalb war Disziplin dem Großteil der Braunhemden nicht nur nicht eigen, sondern sogar eher fremd.

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Deshalb mahnte Hitlers Stellvertreter in der Partei Rudolf Heß Anfang 1934: „Für die SA oder sonstige Teilorganisationen der Partei besteht heute und für künftige Zeiten nicht die geringste Notwendigkeit, ein Eigendasein zu führen. Es besteht keine Notwendigkeit, mehr noch: Es wäre ein Schaden für die Gesamtheit, wenn sie ihren Eigennutz vor den Gemeinnutz der Partei stellten.“

Mit der fälschlich „Röhm-Putsch“ genannten Aktion gegen die SA-Führung (man könnte höchstens von einem „Putsch gegen Röhm“ sprechen, aber auch das würde die tatsächlichen Verhältnisse verzeichnen, denn eigentlich ging es um die gewaltsame Beendigung der Krise, aus der das NS-Regime seit Sommer 1933 nicht heraus kam) verlor die SA schlagartig jeden Reiz für Opportunisten. Die neue starke Kraft innerhalb der Hitler-Bewegung wurde nun die SS, geführt von ihrem selbstbewussten Chef Heinrich Himmler. Und die SA? Blieb bestehen, aber als ein Schatten ihrer bisherigen Existenz.

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SA-Einheiten waren unter den ersten Verbänden, die im März 1938 Österreich besetzten. Während der Juni-Unruhen in Berlin 1938 griff Gauleiter Joseph Goebbels auf SA-Leute zurück, um jüdische Geschäfte und Wohnungen angreifen zu lassen. Bei Synagogen-Abrissen wie in München im selben Sommer standen Braunhemden Spalier.

Die Ausschreitungen während der Novemberpogrome 1938 lenkte Goebbels zwar über andere Kanäle, nämlich die Propagandaleitungen der NSDAP (in seiner weiteren Aufgabe als Propagandachef der Hitler-Partei). Aber das Fußvolk der Übergriffe stellte vielfach die SA; hinzu kamen zehntausende Hitlerjungen.

Erst im Verlauf des Zweiten Weltkrieges erhielten die weiter existierende SA und die in ihr immer noch organisierten, inzwischen durchweg älteren Männer eine neue Aufgabe: Sie kontrollierten nun, da große Teile der Angehörigen von Polizei und SS im besetzten Europa im Einsatz waren, die „Volksgemeinschaft“ im Reich. Braunhemden wurden vielfach „Blockwarte“ vor Ort und setzten als solche die Prinzipien des NS-Staates auf den unteren Ebenen durch.

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Das war für die Machtdurchsetzung der NSDAP wichtig, gerade in der zweiten Hälfte des Krieges. Insofern verlängerten Braunhemden gewiss auch den Zweiten Weltkrieg – allerdings lässt sich nicht entfernt kalkulieren, um wie lange. Dennoch lehnten die Richter des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg es 1946 ab, die SA pauschal als verbrecherisch zu verurteilen.

„Nach der Säuberung“, so das oft als „Siegerjustiz“ diffamierte, tatsächlich ausgesprochen differenzierte Gericht über den „Röhm-Putsch“, sei „die SA auf den Stand einer unbedeutenden Nazi-Anhängergruppe zurückgegangen. Obwohl in besonderen Fällen einige SA-Einheiten für die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingesetzt wurden, kann nicht gesagt werden, dass ihre Mitglieder im Allgemeinen an solchen verbrecherischen Handlungen teilnahmen.“ Die Konsequenz: Allein wegen seiner SA-Mitgliedschaft wurde nie jemand bestraft, übrigens weder in der Bundesrepublik noch in der DDR.

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