Nie war die Welt dem Ende von Kohle, Gas und Öl so nah wie bei der Klimakonferenz in Dubai. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen sind die Staaten der UN endlich an dem zentralen Punkt angelangt, um den Klimawandel zu bremsen. Eine große Koalition aus Staaten steht geschlossen für den Ausstieg aus den fossilen Energien. Doch nun sorgt ausgerechnet der Präsident der Konferenz persönlich, Sultan Al-Dschaber, für einen großen Dämpfer. Und stellt damit erneut die Frage, die seit Monaten in der Luft liegt – in den vergangenen Tagen jedoch wie eine unfaire Anschuldigung wirkte: Geht es ihm eigentlich nur darum, die Interessen seines eigenen Konzerns durchzusetzen? 

Der neue Textentwurf zum Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl – eine große Enttäuschung

Den ganzen Tag haben Verhandler, Vertreterinnen von NGOs und Journalisten gespannt auf den neuen Entwurf des Verhandlungsdokuments gewartet. In der vorherigen Version stand der Ausstieg schon drin, es schien eigentlich nur noch um die Formulierung zu gehen. Einzig Saudi-Arabien schien der Einigung noch ernsthaft im Weg zu stehen. 

Die Hoffnung war groß, dass diese vom Präsidenten überarbeitete Version mehr Klarheit bringt. Um 10 Uhr sollte der Text eigentlich kommen, viele weitere Stunden mussten sich die Wartenden gedulden. Nun ist er da. Nur: Vom Ausstieg ist dort plötzlich nicht mehr die Rede. 

In der Version von Freitag hat es noch vier Optionen gegeben, die den Ausstieg in unterschiedlicher Deutlichkeit festschrieben. In der neuen Version heißt es lediglich, man wolle den Konsum und die Produktion von fossilen Energieträgern so reduzieren, dass ungefähr um das Jahr 2050 Netto-Null Emissionen erreicht werden. Mit dieser eher unscharfen Formulierung wäre es immer noch möglich, den Ausstieg weiter vor sich herzuschieben. Dabei führt für konsequenten Klimaschutz kein Weg daran vorbei, dass die Emissionen schon in diesem Jahrzehnt drastisch sinken. 

Al-Dschaber hat im Verlauf des Klimagipfels an Vertrauen gewonnen

Verfasst hat die neue Textversion Al-Dschaber. Der COP-Präsident wirkt wie ein ruhiger Typ und doch durchsetzungsstark. Ein erfolgreicher Manager, stets gekleidet in das traditionelle weiße Gewand. Seine Karriere begann er, der in den Emiraten mit Doktor Sultan angesprochen wird, als Ingenieur beim staatlichen Energiekonzern Adnoc. Er promovierte in Großbritannien im Fach Wirtschaft, leitete in den Emiraten den Erneuerbaren-Energien-Konzern Masdar. 2016 wurde er zum CEO von Adnoc benannt. 

Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass er die Klimakonferenz leiten würde, gab es sofort heftige Kritik: eine Scheinkonferenz, reines Greenwashing, alles fake. Auch ein Artikel im Guardian, der Al-Dschaber in einem Videomitschnitt zeigte, bei dem er die Notwendigkeit des Ausstiegs aus der fossilen Energie infrage stellte, bestätigte diesen Eindruck. Nur lief es dann, zu aller Überraschung, in Dubai ganz anders. 

Er wolle die Konferenz zu einem Erfolg machen, betont Al-Dschaber immer wieder, zur besten Klimakonferenz seit Paris, zu einem historischen Ereignis. Als Ingenieur verstehe er die Wissenschaft, ein Ende von Öl und Gas sei nicht mehr zu verhindern. Bei den Verhandlungen trat er unerwartet konstruktiv auf, die Organisation des Gipfels ist reibungslos. Delegierte lobten die Zusammenarbeit, und sogar Vertreter von NGOs berichteten, dass sie nach dem Zusammentreffen mit dem Verhandlungsteam der Emirate positiv gestimmt waren. Auch bei den ärmeren Ländern gewann Al-Dschaber schnell Sympathien: Schon am ersten Tag der Konferenz verkündete er die Einigung im Loss-and-Damage-Fonds. Zusammen mit Deutschland sorgte er dann für die Anschubfinanzierung für den Geldtopf, der unter anderem helfen soll, die Schäden der Klimakrise für Menschen im Globalen Süden zu kompensieren. 

In der vergangenen Woche war die Stimmung auf dem Konferenzgelände für einen Klimagipfel ungewöhnlich gut. Schon bald wirkte es tatsächlich, als ob dieser zu einem historischen Ergebnis führen könnte: dem Ende von Kohle, Öl und Gas. In Dubai haben sich dafür plötzlich neue Allianzen gebildet. Nicht nur die EU, die immer wieder auf Klimaschutz dringt, und die besonders vulnerablen Staaten, deren Wohlstand und Existenz davon abhängt, kämpfen mit aller Kraft für den Ausstieg. Auch lateinamerikanische und afrikanische Länder fordern lautstark das Ende der fossilen Energien. Sogar China und die USA scheinen sich ein Stück weit geeinigt zu haben. 

Spätestens als die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ihren Mitgliedsstaaten einen Brief schrieb und sie dazu aufforderte, gegen einen Ausstieg zu kämpfen, war klar, dass auch die fossile Industrie verstanden hatte, wie nah die Welt der Einigung ist. Und wie eng es für ihr Geschäftsmodell wird. 

Verliert Al-Dschaber das Vertrauen nun wieder?

Al-Dschaber wirkte bei den Verhandlungen aufrichtig, man wollte ihm glauben. Und man wollte glauben, dass die Emirate, ein Ölstaat, wirklich daran interessiert sind, sich zu transformieren. Dafür hatte man sogar hingenommen, dass der russische Staatschef Wladimir Putin nur eine Autostunde entfernt, im angrenzenden Emirat Abu Dhabi, begrüßt wurde. 

War also Al-Dschabers Auftreten bei der Klimakonferenz doch nur Show? In der jetzigen Version des Abschlussdokumentes müsste man wohl denjenigen recht geben, die ihm von Anfang an nicht über den Weg getraut haben. Wahrscheinlich werden viele Staaten seine Formulierungen in der Abschlusserklärung ablehnen. Nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden des Entwurfs sagte etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die in den Verhandlungen die EU vertritt: "Wir können den Text so nicht akzeptieren." Sein Ziel, die Konferenz am Dienstag pünktlich um elf Uhr morgens Ortszeit mit einer Einigung zu beenden, wird Al-Dschaber damit wohl verfehlen. Noch hat der COP-Präsident die Chance, der Welt zu zeigen, dass er auf der Seite des Fortschritts steht.

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