Ungarn übernimmt an diesem Montag den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz. Regierungsvertreter des Landes werden damit bis Ende des Jahres die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln. Die Regierung in Budapest hat seine Ratspräsidentschaft unter das Motto Make Europe Great Again gestellt – in Anlehnung an den Slogan Make America Great Again des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der im November erneut für das Amt kandidiert.

Die Regierung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán will nach eigenen Angaben die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU vorantreiben. Dazu sei ein neues Abkommen geplant, teilte die Regierung mit. Außerdem solle illegale Migration besser bekämpft werden – unter anderem durch Abkommen mit Drittstaaten.

EU-Beitrittsgespräche und Wirtschaftsinvestitionen

Ungarn ist das erste Land, das den Ratsvorsitz während eines Artikel-7-Verfahrens gegen sich übernimmt. Dieser Rechtsstaatsmechanismus ist ein Instrument zur Wahrung der geltenden Werte in der EU. Der ungarischen Regierung wird vorgeworfen, diese mehrfach gebrochen zu haben. Durch das Verfahren könnte Ungarn aus der EU ausgeschlossen werden, was allerdings als unwahrscheinlich gilt. Jedoch ist Orbán für seine EU-kritische Haltung bekannt. Immer wieder geriet er in der Vergangenheit mit den anderen Mitgliedsstaaten aneinander und blockierte bei wichtigen Abstimmungen – insbesondere in Hinblick auf die Ukraine-Politik.

Dabei wird es in den kommenden Wochen und Monaten wohl unter anderem um die laufenden Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Investitionen in die Wirtschaft gehen. Außerdem spielt das Thema Verteidigung eine Rolle – die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich erst kürzlich darauf verständigt, dass Europa in militärischen Belangen unabhängiger werden und seine Rüstungsindustrie deutlich stärken soll. 

Dies sind Themen, über deren Verhandlung Ungarn nur wenig Entscheidungsmacht hat. Denn am Ende ist auch die Macht der Ratspräsidentschaft begrenzt: Die Gesetzesvorschläge gehen von der EU-Kommission aus. Der Wortlaut der Rechtstexte wird dann von Mitgliedsstaaten und Parlament final ausgehandelt. Überdies müssen nach den EU-Wahlen im Juni zahlreiche Ämter neu besetzt werden, weshalb nur wenige Gesetzesinitiativen erwartet werden. 

Orbán kein "Chef von Europa"

"Die Präsidentschaft bedeutet nicht, dass man der Chef von Europa ist. Die Präsidentschaft bedeutet, dass Sie derjenige sind, der den Kompromiss machen muss", sagte der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo. Zuvor hatte Belgien die EU-Ratspräsidentschaft innegehabt.  

Orbán will aber auch im EU-Parlament seinen Einfluss ausbauen. Einen Tag vor Übernahme der Ratspräsidentschaft kündigte er die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Parlament an. Die Gruppierung Patrioten für Europa umfasst neben der ungarischen Regierungspartei Fidesz die rechte österreichische FPÖ und die liberal-populistische tschechische ANO. Das Bündnis ist für weitere Parteien offen, die sich zum "patriotischen Manifest" bekennen.