Es ist die Uhren-Nachricht des Jahres: Rolex übernimmt den Juwelier Bucherer. Im Mittelpunkt der Diskussionen und Spekulationen stehen seitdem die mehr als 100 Fachgeschäfte, in denen zu einem guten Teil auch Rolex-Modelle verkauft werden, und die damit verbundene Frage: Was bedeutet das für Rolex-Fans, was für die Konkurrenz? Neben den für den Vertrieb so wichtigen Geschäften wurde aber auch eine Uhrenmarke an die neuen Besitzer aus Genf übergeben: Carl F. Bucherer. Welche Auswirkungen hat das für die kleine, aber durchaus ambitionierte Manufaktur? Immerhin gibt es Bucherer-Uhren bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts, also ebenso lange wie den Juwelier Bucherer, der in seinem Luzerner Stammhaus von Anfang an eine eigene Damenuhren-Kollektion anbot.
Einige Monate nach der Übernahme-News lässt sich der Weg erkennen. Mit einer Jahresproduktion von rund 10.000 Zeitmessern – von denen die allermeisten in den hauseigenen Boutiquen vertrieben werden – ist die Marke im Vergleich zum neuen Stammhaus Rolex und deren jährlichem Output von angeblich inzwischen circa 1,2 Millionen Uhren ein Zwerg. Carl F. Bucherer als Mitgift für den Milliarden-Deal zu bezeichnen, wäre da schon zu hoch gegriffen. Rolex allerdings wäre nicht Rolex, wenn man sich nicht auch dem neuen Tochter-Unternehmen mit größter Sorgfalt widmen würde.
Die Kommunikation beispielsweise wird dem Vernehmen nach inzwischen nur noch in enger Absprache mit der Zentrale in Genf gesteuert. Und auch in der Kollektion wird sich einiges ändern. Die Strategie scheint zu lauten: Verschlankung des Angebots, weniger Limited Editions, und dabei den Fokus auf die komplexeren und somit hochpreisigeren Modelle von Carl F. Bucherer zu lenken – wie beispielsweise der gerade erst lancierten „Manero Periphal Perpetual Calendar“; deren roségoldenes Gehäuse gibt es wahlweise mit schwarzem, grünem, taupefarbenem und limitiert auch roséfarbenem Zifferblatt. Kostenpunkt: 41.000 Euro.
Es fügt sich dabei gut, dass Sportuhren im Sortiment von Carl F. Bucherer schon vorher nicht die wichtigste Rolle einnahmen. Einzig die „Patravi ScubaTec“ Taucheruhren bewegen sich mit einem Verkaufspreis von rund 6.000 Euro in einem preislichen und thematischen Umfeld, das sowohl Rolex mit der „Submariner“ als auch Tudor mit der „Black Bay“ und der „Pelagos“ für sich beanspruchen.
Bestseller bei Carl F. Bucherer ist bislang aber die vielfältige „Manero“-Linie, die sich großteils deutlich klassischer gibt – das aber mit Spezialitäten vom Flyback-Chrono bis zum Tourbillon und der Minutenrepetition. Bei der Klang-Funktion steht auf der Homepage dann auch nur noch: Preis auf Anfrage. Das Segment von 6.000 bis 20.000 Euro machte allerdings bislang das Kernsegment für die Marke aus. Und auch wenn dieses per se nicht vernachlässigt werden soll, so dürften die noch kostspieligeren Modell künftig mehr Bedeutung erlangen, auch um die Marke abzugrenzen – schließlich bewegen sich gerade die begehrtesten Rolex-Modelle in einem ähnlichen Bereich.
Ergänzt werden die „Manero-“ und „Patravi“-Linien von der Heritage-Kollektion, die äußerst populäre Modelle im Retrolook umfasst. Von der klassischen Dreizeigeruhr „Celebration“ am Milanaiseband, hin zum „Bicompax Annual“, einem Chrographen mit Jahreskalender im DLC-beschichteten Stahlgehäuse. Gefertigt werden die Uhren seit 2016 zum Großteil im hauseigenen Kompetenzzentrum in Lengnau. Bei Carl F. Bucherer wurde stets in die Qualität, die Unabhängigkeit und in die hauseigene Entwicklung investiert – diesen Schatz nicht zu pflegen wäre von Rolex äußerst nachlässig.
Mit entsprechender Spannung darf man die Neu-Lancierungen im kommenden Jahr erwarten; niemand beherrscht das Thema Markenführung und Kollektionspflege besser als die Manager von Rolex. Zugleich ist nicht davon auszugehen, dass um Carl F. Bucherer auf einmal ein Hype entsteht. Schließlich waren die Modelle des Hauses immer eher etwas für Kenner, die sich von den Begehrlichkeiten rund um die ganz großen Manufakturen nicht beeindrucken ließen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dies nun unter den neuen Besitzern ändert.