„Weißt du, wer ich bin?“

Wie ein griechischer Politiker einen Flug verpasste – und damit seine Karriere beendete

Ein Flugzeug auf dem Flughafen in Athen (Archivbild).

Ein Flugzeug auf dem Flughafen in Athen (Archivbild).

Wer wartet auf wen? Der Politiker auf das Flugzeug, oder das Flugzeug auf den Politiker? Darum geht es, vordergründig, in diesem Fall, der jetzt Medien und Diskussionen in Griechenland beschäftigt. In Wirklichkeit geht es um mehr, nämlich um die von Klientel- und Vetternwirtschaft geprägt politische Kultur in jenem Land, das sich gern als „Wiege der Demokratie“ feiern lässt.

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Hauptperson ist ein Mann, dessen Namen man sich nicht merken muss, denn seine Karriere ist wohl beendet: Lefteris Avgenakis (51), Abgeordneter der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) aus Kreta und bis vor kurzem Landwirtschaftsminister. Am Mittwoch schloss der Disziplinarausschuss der ND auf Antrag von Partei- und Regierungschef Kyriakos Mitsotakis (56) den Ex-Minister aus der Parlamentsfraktion aus.

Lefteris Avgenakis, früherer Minister für Landwirtschaft in Griechenland.

Lefteris Avgenakis, früherer Minister für Landwirtschaft in Griechenland.

Grund war ein Vorfall, der sich am Montag am Athener Flughafen zutrug. Avgenakis wollte nach Kreta fliegen. Aber er kam zu spät. „Der Flug ist geschlossen“, beschied ihn der Mitarbeiter am Gate. Avgenakis bestand dennoch darauf, an Bord zu gehen. Auf dem Video einer Sicherheitskamera ist zu sehen, wie der Politiker wild gestikulierend auf den Flughafenangestellten einredet und ihm schließlich etwas versetzt, was wie ein Fausthieb oder eine Ohrfeige aussieht.

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Die „Weißt-du-wer-ich-bin-Attitüde“ wird nicht (mehr) geduldet

Der hinzukommenden Polizei rief Avgenakis nach Zeugenaussagen entgegen: „Fasst mich nicht an, ich habe Immunität!“ Möglicherweise ist dann auch jener Satz gefallen, den der griechische Regierungssprecher Pavlos Marinakis jetzt zitierte: „Weißt du, wer ich bin?“

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Generationen von griechischen Verkehrspolizisten haben sich diese Frage schon anhören müssen, wenn sie versuchten, einem falsch parkenden oder zu schnell gefahrenen Politiker ein Knöllchen auszustellen. Auch Kellner kennen die Frage, wenn es einem Gast, der sich für wichtig hält, nicht schnell genug geht. Die „Weißt-du-wer-ich-bin-Attitüde“ werde in der Regierung Mitsotakis nicht geduldet, erklärte Regierungssprecher Marinakis am Mittwoch.

Dass Avgenakis derart ausrastete, könnte damit zusammenhängen, dass er erst vor drei Wochen bei einer Kabinettsumbildung sein Ministeramt verloren hat. Wäre er am Montag noch Minister gewesen, hätte der Flieger vielleicht auf ihn gewartet. Die Immunität des Abgeordneten soll jetzt aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Nötigung und anderer Delikte.

Inzwischen verbreitete der Politiker eine Erklärung, in der er sich für den „Zwischenfall“ entschuldigt. Er spricht von einem „Wortwechsel“. Avgenakis versichert in seiner Erklärung, er werde „den Bürgern von Kreta mit der gleichen Leidenschaft wie bisher dienen“ und deshalb sein Parlamentsmandat nicht zurückgeben.

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Da ist es kein Wunder, dass die Politikverdrossenheit im Mutterland der Demokratie wächst. Abzulesen war das bei der Wahl zum Europäischen Parlament. Bei der ersten Europawahl gaben in Griechenland 1981 noch 81,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. 2019 waren es immerhin noch 59 Prozent. Jetzt fiel die Wahlbeteiligung auf 41,4 Prozent.

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