Kurz vor der Europawahl

Griechenlands Rechtspopulisten spüren Rückenwind

Eine Demonstration der nationalistisch-religiös geprägten Partei Niki (Sieg) in Griechenland.

Eine Demonstration der nationalistisch-religiös geprägten Partei Niki (Sieg) in Griechenland.

Athen. Gut eine Woche vor der Abstimmung steht der Gewinner der Europawahl in Griechenland fest: Die konservative Nea Dimokratia von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis liegt in allen Umfragen mit großem Abstand vorn. Der Sieg ist Mitsotakis nicht zu nehmen. Trotzdem kämpft der Premier jetzt um jede Stimme.

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Von Kreta im Süden bis nach Mazedonien im Norden, von den Ionischen Inseln im Westen bis zum griechisch-türkischen Grenzfluss Evros im Osten: Regierungschef Mitsotakis ist fast jeden Tag auf Achse. Auch in den sozialen Medien, von Tiktok über X bis Instagram, ist er täglich mit neuen Posts präsent. So hat sich in Griechenland noch nie ein amtierender Premierminister bei einer Europawahl ins Zeug gelegt.

Dabei hat Mitsotakis erst vor zehn Monaten bei der Parlamentswahl mit einem Stimmenanteil von beachtlichen 41 Prozent seine absolute Mehrheit im Athener Parlament erfolgreich verteidigt. Und in den Umfragen zur Europawahl liegt seine Nea Dimokratia (ND) mit einem Vorsprung rund 18 Prozentpunkten vor der nächstgrößeren Oppositionspartei einsam an der Spitze. Meinungsforscher halten es für möglich, dass Mitsotakis sein Ergebnis der Europawahl 2019, als die ND auf 33,1 Prozent kam, diesmal übertreffen kann. Das radikal-linke Bündnis Syriza, das Griechenland von 2015 bis 2019 regierte, liegt in den Umfragen weit abgeschlagen mit knapp 16 Prozent auf dem zweiten Platz. Auch von der sozialdemokratischen Pasok, der die Demoskopen rund 13 Prozent prognostizieren, hat Mitsotakis nichts zu fürchten.

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Sorge muss dem Premier dagegen das Erstarken von Gruppen am rechten Rand des politischen Spektrums bereiten, wie der nationalistisch-religiös geprägten Partei Niki (Sieg) und der rechtspopulistischen Griechischen Lösung. Vor allem im stark konservativ geprägten Norden des Landes bekommen diese Parteien den Umfragen zufolge Zulauf – auf Kosten der ND. Die Rechtsparteien kommen in den Umfragen zusammen auf 12 bis 14 Prozent.

Inflation hat Griechenland stark im Griff

Ein Grund dafür ist die Inflation, die an den in Griechenland ohnehin niedrigen Einkommen zehrt. Das britische Magazin „Economist“ verlieh Griechenland 2023 zum zweiten Mal in Folge das Prädikat „Beste Volkswirtschaft des Jahres“. Vor allem die Sanierung der Staatsfinanzen unter der konservativen Regierung gilt als vorbildlich. Aber die meisten Menschen warten bisher vergeblich auf ein Wirtschaftswunder. Die Reallöhne liegen um fast 27 Prozent unter dem Niveau von 2010, als Griechenland in die Schuldenkrise stürzte. Bei der Kaufkraft liegen die Griechen in der EU auf dem vorletzten Platz vor den Bulgaren. Nach Angaben der staatlichen Statistikbehörde sind 26,3 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Das ist der zweithöchste Prozentsatz in der EU nach Bulgarien. In einer Umfrage nennen 78 Prozent die Teuerung als wichtigstes Kriterium für ihre Wahlentscheidung.

Hinzu kommt, dass der liberal geprägte Mitsotakis manchen Konservativen mit seiner Öffnung zur politischen Mitte zu weit geht. Reformprojekte wie die im Februar eingeführte Ehe für alle, für die sich der Premier persönlich stark engagierte, sind auch innerhalb der ND umstritten. Von den 158 Regierungsabgeordneten stimmen nur 106 für das Gesetz. Auch die von Mitsotakis auf den Weg gebrachte Annäherung an die benachbarte Türkei, die viele Menschen in Griechenland als „Erzfeind“ sehen, gefällt nicht allen Konservativen. Von dieser Stimmung hoffen die Rechtspopulisten mit einfachen Antworten zu profitieren. Sie versprechen niedrigere Preise und höhere Einkommen, ohne allerdings zu erklären, wie das gehen soll.

Mitsotakis versucht, bei jungen Wählern zu punkten

Mitsotakis versucht dagegen, europäische Themen in den Fokus zu rücken. Mit seiner Kampagne in den sozialen Medien richtet er sich vor allem an junge Wählerinnen und Wähler. Die Entscheidungen der EU, an denen das Europäische Parlament maßgeblich mitwirkt, seien gerade für ein kleines Land wie Griechenland wichtig, zum Beispiel in der Agrarpolitik und bei der Verteilung von Fördergeldern, betont der Premier bei jeder Gelegenheit. Er wirbt deshalb um „ein starkes Mandat, damit ich unsere Forderungen in Brüssel durchsetzen kann“.

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Mitsotakis versucht im Endspurt vor der Wahl, möglichst alle Anhänger zu mobilisieren – was auch deshalb nicht leicht ist, weil die Griechinnen und Griechen in den vergangenen 13 Monaten bereits sechsmal zu den Wahlurnen gerufen wurden. Und selbst wenn die Mobilisierung gelingt: Manche ND-Wähler könnten in Versuchung kommen, bei der Europawahl ihrer Partei einen Denkzettel zu verpassen. In einer Umfrage des Instituts Alco sagten immerhin 49 Prozent, die Europawahl sei eine „Gelegenheit für ein Protestvotum“.

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