Russland will eigenen Angaben zufolge militärisch auf die geplante Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland reagieren. Dies berichteten staatliche Medien in Russland unter Berufung auf den stellvertretenden russischen Außenminister Sergej Rjabkow. Der Plan, Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, ziele darauf ab, die Sicherheit Russlands zu beeinträchtigen, wird Rjabkow zitiert. Konkrete Details zu den angekündigten militärischen Maßnahmen wurden nicht genannt.

Bei der geplanten Verlegung von Waffen handle es sich um ein weiteres Kettenglied im "Eskalationskurs" der Nato und der USA gegenüber Russland, sagte Rjabkow. "Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten."

Nato laut Russland nun "voll in den Konflikt verwickelt"

Dmitri Peskow, Sprecher der russischen Regierung, bezeichnete den geplanten Schritt der Nato als "sehr ernste Bedrohung" Russlands. Sein Land werde die Entscheidungen und die Abschlusserklärung des Nato-Gipfels in Washington, D. C., "sehr genau analysieren" und "durchdachte, koordinierte und effektive Maßnahmen ergreifen, um die Nato einzudämmen", sagte Peskow. Die Nato sei nun "voll in den Konflikt um die Ukraine verwickelt".

In einer gemeinsamen Erklärung hatten Deutschland und die USA zuvor angekündigt, erstmals seit dem Kalten Krieg wieder US-Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren, die bis nach Russland reichen. Die Stationierung der Raketen solle als US-amerikanischer Beitrag "zur integrierten europäischen Abschreckung" dienen. Die Verlegung sei zunächst "zeitweilig" geplant und solle später "dauerhaft" werden.

Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2.000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 sowie aktuell noch in der Entwicklung befindliche Hyperschallraketen in Deutschland stationiert werden. Sie sollen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen.

USA würden laut Pistorius auch unter Trump an Plänen festhalten

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte, der US-Plan sei zugleich ein Appell an Deutschland und die anderen europäischen Staaten, selbst Langstreckenraketen bereitzustellen. Da die Raketen lediglich "auf Rotationsbasis" nach Deutschland kämen, sei damit "ganz klar die Erwartung der USA verbunden, dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen", sagte Pistorius, der sich aktuell wegen des Nato-Gipfels in Washington, D. C., befindet, im Deutschlandfunk. Die zeitweise Stationierung der US-Raketen werde "uns genau die Zeit geben, die wir dafür brauchen".

Der SPD-Politiker geht davon aus, dass die USA auch unter einem möglichen US-Präsidenten Donald Trump an der Stationierung von Marschflugkörpern und anderen weitreichenden Waffen in Deutschland festhalten würden. "Wir reden hier über eine durchaus ernst zu nehmende Fähigkeitslücke in Europa", sagte Pistorius. Diese ergebe sich auch aus Plänen der Nato. Er könne sich darum nicht vorstellen, dass die USA von dem Vorhaben abrücken.

Wagenknecht fürchtet Kriegsbeteiligung Deutschlands

Unterdessen reagierte die Oppositionspolitikerin Sahra Wagenknecht mit deutlicher Kritik auf die Pläne der USA und Deutschlands. Die Stationierung zusätzlicher Angriffsraketen verbessere die Sicherheit Deutschlands nicht, sondern erhöhe "die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird, mit furchtbaren Folgen für alle hier lebenden Menschen", sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) dem Spiegel.

Es brauche kein weiteres Wettrüsten, sondern Friedensverhandlungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, sagte Wagenknecht. "Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden." Deutschland brauche eine Regierung, die die existenziellen Interessen des Landes vertrete, anstatt "willfährig die Wünsche der Vereinigten Staaten umzusetzen, die von den Folgen eines großen europäischen Krieges nicht direkt betroffen wären".

Wagenknecht war in der Vergangenheit mehrfach für ihre unkritische Haltung gegenüber der russischen Regierung kritisiert worden. Eine Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag hatte sie boykottiert.

Ähnlich wie die BSW-Chefin äußerte sich auch der verteidigungspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. Er warnte vor einem neuen Rüstungswettlauf. "Ich finde diese Entscheidung höchst problematisch, weil die Aufrüstungsspirale unter der Überschrift Abschreckung weitergedreht wird", sagte Bartsch der Rheinischen Post.

Deutschland könnte laut AfD zur "Zielscheibe" werden

Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, äußerte die Sorge, dass Deutschland durch die Verlegung der US-Waffen zur "Zielscheibe" werde. Scholz lasse so zu, dass "Deutschlands Verhältnis zu Russland dauerhaft beschädigt" werde. "Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat beim Nato-Gipfel hingegen gezeigt, wie souveräne Friedenspolitik in Europa geht. Er möchte verhindern, dass sein Land in den Konflikt der USA mit Russland hineingezogen wird", sagte Chrupalla.

Der ungarische Ministerpräsident Orbán suche den Dialog mit Partnern im Osten und Westen, sagte der AfD-Politiker. "Solche Brückenbauer für den Frieden wollen wir in Deutschland sein." Orbáns enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sorgt regelmäßig für deutliche Kritik aus der EU und der Nato – wie jüngst bei seiner Reise nach Moskau.

Grüne fordern Klärung von Bundeskanzler

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünenbundestagsfraktion, Sara Nanni, forderte von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Erklärung über die Hintergründe und die finanziellen Aspekte der geplanten Stationierung. Dass sich der Kanzler dazu zunächst nicht geäußert habe, "obwohl es eine klare Einordnung dringend bräuchte", sei irritierend, sagte sie der Rheinischen Post.

Die fehlende Klarheit könne Ängste verstärken und lasse zudem Raum für "Desinformation und Verhetzung", sagte Nanni. Scholz habe bisher nur "spärlich die tatsächliche Bedrohungslage der Nato thematisiert". Zudem stehe die weitreichende Entscheidung zur Stationierung von Langstreckenwaffen "im Kontrast zur aktuellen Haushaltseinigung und zur vergleichsweise zurückhaltenden Kommunikation über den Ernst der Lage durch Olaf Scholz selbst".

Pläne laut Union ein "positives Signal"

Klare Unterstützung für die deutsch-amerikanischen Pläne kommt aus der SPD. "Dies ist ein notwendiger Schritt zur Abschreckung Russlands", sagte Nils Schmid, Obmann des Auswärtigen Ausschusses. "Er fällt maßvoll aus, da er sich auf die Stärkung der konventionellen Verteidigungsfähigkeit der Nato beschränkt." Angesichts der Modernisierung des russischen Atomwaffenarsenals und der aggressiven Politik Russlands sei dieser Schritt richtig und begrüßenswert.

Die Stationierung von Tomahawk-Marschflugkörpern diene der Sicherheit Deutschlands, sagte auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt. "Nachdem Russland mit seinem Einmarsch in die Ukraine die europäische Friedensordnung zerstört hat, ist die Gefahr bei uns real." Dass die USA mit der geplanten Stationierung ihre Bündnisverpflichtung stärkten, sei "ein gutes und positives Signal".