Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die angekündigte Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland verteidigt und als wirksamen Beitrag zur Abschreckung einer russischen Aggression bezeichnet. "Wir haben eine neue Bedrohungslage", sagte Pistorius im ZDF-heute-journal während des Nato-Gipfels in Washington, D. C. Der russische Staatschef Wladimir Putin habe gezeigt, "wozu er bereit und in der Lage ist", fügte er hinzu. 

Nach Angaben von Pistorius ist die Stationierung der US-Waffen vorläufig. Eine beim Nato-Gipfel unterzeichnete Absichtserklärung sieht vor, dass Deutschland, Polen, Frankreich und Italien gemeinsam Waffen mit hoher Reichweite entwickeln und beschaffen. In Europa fehle es an konventionellen Langstreckenwaffen, sagte Pistorius dazu im heute-journal. Deutschland habe keine, Europa bisher kaum welche. "Da wir in diesem Bereich nicht in ausreichender Zahl Systeme haben, stationieren die Amerikaner vorübergehend diese Systeme, bis wir mit den europäischen Partnern eigene Systeme entwickelt haben", sagte der Verteidigungsminister. 

Mit Blick auf die Budgetplanung für das kommende Jahr sagte er, die Entwicklung eigener, europäischer Distanzwaffen sei kostspielig und der Wehretat sei für das Haushaltsjahr 2025 nicht so erhöht worden wie von seinem Ministerium erhofft. "Wir müssen mit den Spielräumen arbeiten, die wir haben", sagte Pistorius.

Pistorius verweist auf russische Systeme in Kaliningrad

Grundsätzlich gehe es darum, durch konventionelle Abschreckung dafür zu sorgen, dass es nie zu einem Konflikt komme, stellte Pistorius klar. "Und dass erst recht kein nuklearer Konflikt entsteht. Das setzt aber eigene Stärke voraus." Ähnlich hatte sich zuvor auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Stationierung der US-Waffen geäußert.

Den ARD-Tagesthemen sagte Pistorius, von einem neuen Wettrüsten könne keine Rede sein. "Russland hat diese Waffensysteme schon seit Längerem unter anderem – wie wir vermuten – in Kaliningrad stationiert, das heißt in absoluter Reichweite zu Deutschland und anderen europäischen Nationen", sagte er und fügte hinzu: "Wir wollen keine Eskalation." Ziel sei es, das Signal zu senden: "Wir sind verteidigungsfähig, und wir sind willens, uns zu verteidigen, denn wir haben eine Bedrohungslage, und ich nehme jede Sorge ernst im Land." 

Kritik aus Russland – und Teilen der Ampelkoalition

Am Rande des Nato-Gipfels hatten das US-Präsidialamt und die Bundesregierung mitgeteilt, dass erstmals seit dem Kalten Krieg von 2026 an wieder US-Waffensysteme in Deutschland stationiert werden sollen, die bis nach Russland reichen. Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2.000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neue Überschallwaffen sollen demnach für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen.

Russland hatte die geplante Verlegung der US-Waffen heftig kritisiert und mit einer militärischen Reaktion gedroht. Außenminister Sergej Rjabkow sagte russischen Staatsmedien zufolge, der Plan, Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, ziele darauf ab, die Sicherheit Russlands zu beeinträchtigen. Er sprach demnach erneut von einem "Eskalationskurs" der Nato und der USA gegenüber Russland. "Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten."

Kritik an der Entscheidung zur Stationierung der US-Waffen kam aber auch aus Teilen von SPD und Grünen. Pistorius sagte dazu, er würde bei den kritischen Stimmen nicht von einer Mehrheit der Bevölkerung sprechen. Die Entwicklung sogenannter Abstandswaffen stehe zudem bereits in der nationalen Sicherheitsstrategie. Scholz habe davon auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen. "Jeder hätte das lesen und hören können", sagte der Verteidigungsminister.