Wer hätte gedacht, dass wir uns noch einmal über Religion unterhalten würden. Lange konnte man den Eindruck gewinnen, das Thema verliere immer mehr an Bedeutung und werde zur Privatsache einiger weniger. So kann man sich täuschen. Der Grund ist weniger ein Wiedererstarken des christlichen Glaubens als vielmehr der Zuzug von Menschen, die ihre Religion mit nach Österreich bringen, überwiegend den Islam. Es gibt in Wien mittlerweile Volksschulklassen mit 35 Prozent muslimischen Kindern und mehr – ein Umstand, der nun zu der Diskussion führt: Was wird aus dem Religionsunterricht an den Schulen?

Viele plädieren in laizistischer Tradition dafür, in den Schulen nur mehr über Religionen zu sprechen, wenn überhaupt. Ansonsten: keine Kruzifixe mehr, keine Kippas und Kopftücher, kein direkter Religionsunterricht. Und zwar mit dem Argument: Wo keine Religion, dort keine religiösen Debatten, keine Verwerfungen, keine Integrationsprobleme, kein Hass.

An diesem Gedanken ist durchaus einiges dran. Die Schule als öffentlicher Raum, der allen und jedem gleichermaßen zur Verfügung steht, sollte sich tatsächlich jeden spezifischen religiösen Kommentars enthalten. Was für die kruzifixlose Wand gilt, gilt erst recht für Lehrerinnen und Lehrer. Kopftücher und weiße Stehkragen sind konfessionelle Aussagen, die in öffentlichen Schulen nichts verloren haben.

Es dabei zu belassen, greift meiner Ansicht nach aber zu kurz, viel zu kurz. Ich plädiere vielmehr dafür, den Religionsunterricht nicht nur nicht abzuschaffen, sondern ihn deutlich auszuweiten – ohne die Sache mit dem Ethikunterricht aufzugeben. Das ist erklärungsbedürftig, ich weiß. Also.

Es beginnt damit, dass in dem Vorschlag, den Religionsunterricht abzuschaffen, ein latent abwertender Unterton mitschwingt. So nach dem Motto: Religion? Irrational, nicht diskursfähig, gefährlich, spaltend, Privatsache. Mag alles sein – nur sollten wir mittlerweile verstanden haben, dass Themen, einmal aus dem öffentlichen Raum gedrängt, deshalb nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil. Sie tun, was Verdrängtes immer tut: Es beginnt zu wuchern, verklumpt sich zu Verschwörungserzählungen, wird von den Falschen aufgegriffen und instrumentalisiert. Der Aufstieg der FPÖ basiert zum Teil ebenso auf diesem Mechanismus wie der Erfolg islamistischer Ideen.

Daher plädiere ich dafür, dass wir uns als Gesellschaft verstärkt und sinnvollerweise in der Schule der Religionen annehmen. Denn diese beschäftigen sich ja nicht nur mit der Frage, wie man richtig betet, sondern es geht ihnen bekanntlich um Gott und die Welt, also schlicht und einfach um alles: woher wir kommen, wer wir sind und wohin wir gehen.

Diese Sinnsuche ist eine zutiefst private Angelegenheit, die Außenstehende nichts angeht, schon gar nicht den Staat. Das weiß er auch, weshalb es im Staatsgrundgesetz, Artikel 14 auch heißt: "Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet."

Irgendwann freilich wird doch eine Res publica aus unseren intimsten Glaubenssätzen, denn auf dem Boden religiöser Überzeugungen sprießen eine Unzahl von Thesen, Weltbildern, Verhaltensweisen, Vorschriften, Geboten, Kulturtechniken und Mindsets. Spätestens wenn es darum geht, was die Anhänger der einen Religion von den Anhängern der anderen beziehungsweise von den Gottlosen halten, wird es endgültig politisch, vor allem dann, wenn eine Truppe den Anspruch erhebt, alle anderen mit Gewalt in ihre Welt zwingen zu müssen, weil Gott das so befohlen habe.

Das sind Fragen, die ans Private nicht zu delegieren sind. Die müssen nach allen Regeln einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft betrachtet, verhandelt und nötigenfalls verurteilt werden – das scheint mir unverhandelbar. Die Frage, wie wir das hinbekommen, jedoch schon.