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Wirtschaft Beispiel Griechenland

„Erfreulich mutig“ – Ist die Sechs-Tage-Woche ein Vorbild für Deutschland?

Redakteur Wirtschaft und Finanzen
Wandbemalung in Griechenland: Wer das künftig auch am Samstag macht, bekommt gute Zuschläge Wandbemalung in Griechenland: Wer das künftig auch am Samstag macht, bekommt gute Zuschläge
Maler in Griechenland: Wer künftig sechs Tage arbeitet, bekommt üppige Zuschläge
Quelle: Getty Images
Viele Deutschen wollen weniger arbeiten. Griechenland hingegen bewirbt die Sechs-Tage-Woche – und lockt Angestellte mit deutlich höherer Bezahlung. Die Reaktionen auf die Idee fallen in Deutschland kontrovers aus. Doch es gibt auch Beifall.
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Die Frage nach der Leistungsbereitschaft der Deutschen polarisiert. Viele wollen in der Tendenz weniger und flexibler arbeiten. Rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen wünschen sich eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit, wie eine Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Allerdings wollen nur acht Prozent ihre Arbeitszeit dann reduzieren, wenn die Bezahlung geringer ausfällt.

Auch die IG Metall oder die Lokführergewerkschaft GDL haben sich die Vier-Tage-Woche auf die Fahnen geschrieben. Umso emotionaler fallen die Reaktionen auf den jüngsten Vorstoß der griechischen Regierung aus. Ab Juli können Arbeitgeber ihren Angestellten dort vorschlagen, sechs anstatt fünf Tage zu arbeiten. Für den sechsten Arbeitstag gibt es 40 Prozent mehr Gehalt, an Sonn- und Feiertagen sogar 115 Prozent mehr.

Innerhalb der EU arbeiten die Griechen pro Kopf am meisten Stunden (41) in der Woche. In Deutschland sind es nur 35,3 Stunden, was jedoch durch die hohe Teilzeitquote begründet ist. Hierzulande arbeiten fast 40 Prozent in Teilzeit, in Griechenland knapp acht.

Griechische Gewerkschaften kritisieren das Gesetz als Ausbeutung. Arbeitsminister Adonis Georgiadis hingegen verweist auf den Arbeitskräftemangel. Das Gesetz verhindere zudem Schwarzarbeit, indem es Sondereinsatz extra entlohne.

WELT hat bei Verbänden, Gewerkschaften und in der Politik nachgefragt. Die Meinungen zur Sechs-Tage-Woche gehen weit auseinander, wie sich dabei zeigt.

„Wer Wohlstand und soziale Stabilität will, der muss Flexibilität ermöglichen. Griechenland ist erfreulich mutig“, sagt Steffen Kampeter, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes (BDA). „Unser Arbeitszeitgesetz ist verrostet und braucht einen Neustart. Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten müssen flexibilisiert werden. Die Wünsche der Beschäftigten dürfen nicht per Gesetz ausgebremst werden“, fordert Kampeter.

Mehr Netto vom Brutto sei ein wichtiger Hebel. „Die unverschämten Beitragserhöhungen in den Sozialversicherungen verhindern mehr Bock auf Arbeit“, so Kampeter. „Die Arbeitszeitflexibilisierung muss durch eine Beitragsbremse flankiert werden.“

„Überhaupt keine Veranlassung zu einer Diskussion“

„Ob eine Sechs-Tage-Woche sinnvoll und bezahlbar ist, müssen Arbeitgeber und Beschäftigte in den Betrieben entscheiden“, sagt Christoph Ahlhaus, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mittelstand (BVMW). Neue Arbeitszeitmodelle, die Arbeitsanreize erhöhen und mehr Flexibilität schaffen, seien sinnvoll, müssten allerdings durch die Produktivität gedeckt sein, so Ahlhaus. „Eine staatliche Einmischung hierzu lehnen wir ab.“

„Offensichtlich besteht kein direkter Zusammenhang zwischen ökonomischer Leistungsfähigkeit und Zahl der geleisteten Arbeitsstunden“, meint hingegen Norbert Reuter. Der Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung der Gewerkschaft Ver.di sieht „überhaupt keine Veranlassung zu einer Diskussion über eine Sechs-Tage-Woche“.

Quelle: Infografik WELT
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Schließlich sei Griechenland das Land mit der längsten durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitszeit in Europa, während Deutschland mit weniger Arbeitsstunden ein deutlich höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf erwirtschafte.

Sinnvoll seien eher eine Verringerung der Teilzeitquote durch bessere Kinder- und Altenbetreuung sowie die Abschaffung „falscher Anreize“ wie das Ehegatten-Splitting oder Minijobregelungen. Auch wirke weitere Arbeitsverdichtung kontraproduktiv, etwa in der Pflege: Noch mehr Beschäftigte als bisher würden die Branche verlassen.

„Natürlich kann die Erhöhung der Arbeitszeit ein Instrument sein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“, sagt wiederum Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer. Wichtiger sei jedoch, durch stärkere Anreize den „Teilzeittrend zu brechen“. Der „größte Hebel für die Fachkräftesicherung“ sei außerdem eine „sehr viel stärkere Aktivierung der Älteren für den Arbeitsmarkt“.

Zuspruch für den griechischen Vorschlag kommt auch aus der Union. „Wir müssen wieder mehr arbeiten“, fordert CSU-Chef Markus Söder. „Wenn jemand mehr arbeitet, wird es wegbesteuert“, kritisiert Gitta Conemann (CDU), Vorsitzende der Mittelstandsunion. Sie plädiert für eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes.

Martin Rosemann (SPD) hingegen warnt vor den Folgen. „Unternehmen, die Wünsche wie flexiblere Arbeitszeiten und eher weniger Arbeitstage ignorieren, werden ihr Fachkräfteproblem wohl eher verschärfen“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Partei. Und Frank Bsirske (Grüne) sagt: „Obwohl der Lohnanstieg attraktiv erscheint, birgt die verlängerte Arbeitszeit das Risiko von Erschöpfung und Burnout.“

„Es ist erstaunlich, welche Wellen die Debatte in der deutschen Politik schlägt. Mancher Politiker scheint zu glauben, dass die Sechs-Tage-Woche in Griechenland eine Verpflichtung und keine Option ist“, sagt Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Dabei gibt es in Deutschland die Möglichkeit der Sechs-Tage-Woche schon lange – allerdings mit viel geringeren Zuschlägen.“

„Taugt so viel wie ein Eimer Wasser bei einem Waldbrand‘“

Die Löhne sind in Griechenland deutlich niedriger als in Deutschland, gibt der Ökonom, der selbst griechische Wurzeln hat, zu Bedenken. „Für Beschäftigte in den unteren Lohngruppen ist das Angebot ein großer Anreiz, mehr zu arbeiten.“ Dennoch erwartet Kritikos „keine riesigen Effekte hinsichtlich des Arbeitskräftemangels“.

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Erst die Zukunft werde zeigen, wie viele Unternehmen in der Lage sind, derart hohe Zuschläge zu zahlen. „Ob sich das mit Blick auf die Produktivität rechnet, muss jeder Arbeitgeber für sich selbst durchrechnen.“ Ausgenommen von der neuen Regel sind Beamte. Dabei herrscht auch im öffentlichen Dienst (ÖD) Arbeitskräftemangel – in Griechenland wie in Deutschland. „Ein Drittel der Beschäftigten im ÖD geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand“, warnt Volker Geyer, stellvertretender Vorsitzender des Beamtenbundes (DBB).

„Die Sechs-Tage-Woche taugt für Deutschland dabei so viel wie ein Eimer Wasser bei einem Waldbrand. Eventuell würde sie sogar Schaden anrichten.“ So würden sich Stress und dadurch die Krankenstände erhöhen. Die Produktivität lasse sich nicht durch „simple Parolen“ steigern, so Geyer.

Eine höhere Arbeitszeit sei nötig, um die Arbeitskräfteknappheit im Zuge des demografischen Wandels zu kompensieren, sagt wiederum Holger Schäfer, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Zwang von politischer Seite aus bringe allerdings wenig; eher brauche es mehr Anreize.

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Die Sechs-Tage-Woche ist hierzulande deutlich verbreiteter als angenommen, wie Gewerkschafter Reuter betont. „Man denke nur an den Handel, die Pflege, die Post.“ Im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes kann jeder Beschäftigte eigenverantwortlich mit seinem Arbeitgeber eine Sechs-Tage-Woche mit 48 Stunden vereinbaren, allerdings sind zehn Stunden pro Tag das Maximum.

Zwar sind Zuschläge bei höherer Arbeitszeit auch bei uns üblich – kaum aber in Höhe von 40 oder sogar 115 Prozent wie nun in Griechenland.

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