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Wie Frankreichs Frauen die Weinkeller erobern

Château La Rivière Château La Rivière
Manon Deville vom Château La Rivière: Die 26-Jährige ist die Technische Direktorin der 65 Hektar Weinberge des Guts
Quelle: André Dominé
Noch vor 50 Jahren hatten Frauen im Weinbau einen schweren Stand. Im Weinkeller hatten sie erst recht nichts zu suchen. Das hat sich geändert. Ein Besuch bei den großartigen Winzerinnen aus Frankreich

Sie leitet ein Dutzend Leute. Sie trifft sämtliche Entscheidungen im Weinberg wie im Keller. Sie ist gut ein Meter fünfzig groß, gerade 26 Jahre alt und strahlt eine Zuversicht und ein Selbstvertrauen aus, die immer wieder erstaunen. „Ich habe eine klare Vorstellung, vom Rebstock bis zum fertigen Produkt“, sagt Manon Deville. „Ich kann wirklich sehen, wo man eingreifen muss, um die Qualität zu erreichen, die wir uns wünschen.“

Das „wir“ ist in diesem Fall kein Pluralis Majestatis, der übergroßem Selbstbewusstsein entspringt. Das „wir“ bezieht sich auf die Gemeinsamkeit mit Xavier Buffo, dem Förderer von Manon Deville und Generaldirektor des imposanten Château La Rivière, der selbst 15 Jahre lang für die Weine und Weinberge des Guts in Fronsac bei Bordeaux verantwortlich war. Er hat das Talent von Deville entdeckt und sie 2014 zur Technischen Direktorin der 65 Hektar Weinberge des Guts und dessen Weinbereitung gemacht.

Eine Frau. Eine junge dazu. Eine Seiteneinsteigerin, die nicht aus einer der obligatorischen Weindynastien Frankreichs stammt. Dabei bahnt sich eine spätere Winzerkarriere in der Regel frühzeitig an. Besitzen die Eltern ein Weingut, stellt sich für den Nachwuchs oft gar nicht die Frage.

Noch in den 1960er-Jahren waren Frauen im Weinkeller nicht gern gesehen

Doch selbst in solchen Fällen gingen lange Zeit die Kenntnisse und die Verantwortung normalerweise auf die männlichen Nachkommen über, selbst wenn die Töchter eine ausgewiesene Expertise und einen guten Riecher für den Wein besaßen. Noch in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts hatten Frauen im Weinkeller praktisch nichts zu suchen.

Was heute schwer vorstellbar und für junge Frauen wie Manon Deville undenkbar ist, hat Jacqueline Cruège noch am eigenen Leib erlebt. Sie erhielt als eine der ersten Frauen 1964 das Önologen-Diplom in Bordeaux – und hat bis heute zu ihrem eigenen Bedauern selbst keinen Wein gemacht.

Zu stark die Männerbünde, zu klar die Verteilung der Geschlechterrollen. So blieb Jacqueline Cruège an der Universität, forschte im Labor und veröffentlichte gemeinsam mit ihrem berühmten Kollegen Jacques Bloin das Standardwerk „Analyse und Komposition der Weine – den Wein verstehen“.

Die heutigen Winzerinnen stehen auf den Schultern ihrer Vorgängerinnen

Frauen wie Jacqueline Cruège sind es, die letzten Endes ihren hochtalentierten Nachfolgerinnen wie Manon Deville den Weg geebnet haben. Denn Letzterer wurde nichts in die Wiege gelegt, was auf eine entsprechende Karriere hingedeutet hätte. Ihre Großeltern waren Landwirte. Nicht ungewöhnlich also, dass die zierliche junge Frau aus dem südlichen Rhonetal nach ihrem Abitur in Lyon zunächst ein landwirtschaftlich ausgerichtetes Biologiestudium begann.

Doch das erste Praktikum führte sie ins Beaujolais und begeisterte sie für Wein und Weinbau. Sie sattelte sofort um und erwarb in Montpellier gleich zwei Diplome: als Önologin und Weinbauingenieurin, eine spezielle Ausbildung der dortigen SupAgro, eines Lehr- und Forschungsinstituts für Landwirtschaft.

Ich verfolge alles. In den Weinbergen und im Keller, ich habe auf alles ein Auge
Marie-Hélène Yung-Théron, Chefin des Château de Portets

Wie Manon Deville sind viele der heutigen Winzerinnen bestens ausgebildet, haben häufig einen oder mehrere entsprechende Studienabschlüsse in der Tasche. Und längst spricht eine Ausbildung an der Hochschule oder Universität nicht mehr für einen Verbleib in der Wissenschaft. Chloé Conort zum Beispiel übernahm als frischgebackene Önologin gerade ihren ersten verantwortlichen Job als Kellermeisterin des Château Rouquette.

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Im ähnlichen Alter wie Manon Deville, steht Chloé Conort allein im modern ausgerüsteten Keller des 28 Hektar Rebflächen umfassenden Guts in Entre-Deux-Mers. Sie vinifiziert aus den angelieferten Trauben etwas Weiß- und viel Rotwein – mit jugendlich ungetrübter Courage und viel physischem Einsatz. Zwei Generationen zuvor noch ein geradezu undenkbarer Umstand, der aber mittlerweile keine Seltenheit mehr ist.

Château Godard Bellevue
Bernadette Arbo vom Château Godard Bellevue
Quelle: Sophie de Vasselot

Zumal die patriarchalen Herrschaftsstrukturen von einst auch schlichtweg aus wirtschaftlichen Gründen aufgebrochen sind. In Francs Côtes de Bordeaux, 60 Kilometer östlich der Weinkapitale, stellte sich zum Beispiel die Krankenschwester Bernadette Arbo die Frage, was mit den Weinbergen der Familie geschehen sollte. Ihre Eltern hatten die Trauben jahrein, jahraus an die Genossenschaft geliefert und davon mehr schlecht als recht gelebt.

Von ihren Geschwistern wollte niemand nachfolgen. Bernadette wagte es gemeinsam mit ihrem Mann Joseph. „Wir haben damals jeder für ein Jahr Ausbildung im Weinbau gemacht“, erzählt sie. „Unsere ersten Versuche waren nicht gerade toll. 1992 war kein gutes Jahr, aber 1993 war noch schlimmer. Wir fragten uns schon, ob wir überhaupt dazu geeignet seien.

Aber 1994 erhielten wir unsere erste Goldmedaille bei einem Weinwettbewerb, 1995 gleich die nächste.“ Mittlerweile umfassen die Vignobles Arbo 40 Hektar Weinberge. Die Weine werden in viele Länder exportiert, und Tochter und Sohn freuen sich darauf, bald einzusteigen.

Château de Portets
Marie-Hélène Yung-Théron mit ihrer jungen, kalifornischen Kellermeisterin Sarah Robert (Château de Portets)
Quelle: André Dominé

Ein anderes Beispiel ist Marie-Hélène Yung-Théron, die auf Château de Portets an der Garonne aufwuchs. Schon als Kind sei sie auf den Knien der Traktorfahrer mit in die Weinberge gefahren und auch oft mit im Keller gewesen. Keine jahrhundertealten Winzertraditionen bremsten ihren Wissensdrang, weil ihre Familie das Gut erst 1956 in einem völlig verwahrlosten Zustand erworben hatte.

Nach der Schule für Weinbau und Önologie begann sie, auf dem Familiengut mitzuarbeiten. Mittlerweile leitet sie den gesamten Betrieb mit seinen 38 Hektar Weinbergen in den Graves. „Ich gehe von dem Prinzip aus, dass ein Weingut Gruppenarbeit ist: Man arbeitet zusammen, vereint mehrere Kompetenzen. Aber ich verfolge alles. In den Weinbergen und im Keller, ich habe auf alles ein Auge.“ Vormachen kann ihr keiner mehr etwas: „Dies ist jetzt meine 27. Lese.“

Die Winzerinnen haben ihren Platz gefunden

Davon ist Manon Deville noch weit entfernt. Ihre dritte Lese hat sie jetzt hinter sich. Und hinter sich hat sie nach wie vor auch ihren Mentor Xavier Buffo. „Er vertraut mir, ich werde auf alles hören, was er mir zu sagen hat, aber ein zusätzliches Plus einbringen, um die Weinqualität noch zu verbessern“, sagt sie selbstbewusst.

Mit welchem Gespür und Know-how sie zu Werke geht, beweist nicht zuletzt der Rosé. Früher dunkel und schwer, ist er jetzt hell, wunderbar aromatisch, leicht und frisch. „Ein Rosé de Provence, aber aus dem Bordeaux“, lacht sie und verweist darauf, dass sie aus dem Midi stammt. Es scheint, als ob die Winzerinnen ihren Platz gefunden haben.

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