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  4. Biowein: Ökologie hat es (noch) schwer in Bordeaux

Weinland Frankreich Biowein

Der Weg nach Biordeaux

Viele Weinberge im Bordelais sind sanft geschwungen. In den Senken kann sich viel Regenwasser sammeln: schlecht für die Rebstöcke, gut für Schädlinge. Viele Weinberge im Bordelais sind sanft geschwungen. In den Senken kann sich viel Regenwasser sammeln: schlecht für die Rebstöcke, gut für Schädlinge.
Viele Weinberge im Bordelais sind sanft geschwungen. In den Senken kann sich viel Regenwasser sammeln: schlecht für die Rebstöcke, gut für Schädlinge.
Quelle: Getty Images
Tradition wird großgeschrieben im berühmtesten Weinbaugebiet der Welt. Doch seit einigen Jahren hält auch im Winzerhandwerk die Moderne Einzug. Mit präziser Forschung und ökologischem Handeln

Es ist ein grauer, nasser Tag im späten Mai 2016. Dominique Forget blickt durch das Fenster seines Büros und schüttelt den Kopf. „Sehen Sie“, sagt er und deutet hinaus in Richtung Weingärten, auf die seit Tagen unaufhörlich der Regen fällt, „ein Mai-Wetter wie dieses kommt bei uns durchaus häufig vor.

Deswegen ist es hier so schwer, biologischen Weinbau zu betreiben.“ Forget ist Direktor des Château Couhins, eines Weinguts in einem Vorort der Stadt Bordeaux. Zudem leitet er den Bereich Experimenteller Weinbau am Institut National de la Recherche Agronomique (INRA), dem staatlichen französischen Institut für agronomische Forschung, das auch Besitzer dieses Bordelaiser Châteaus ist. Hier wird zwar nicht biologisch gearbeitet, doch ist man ständig bemüht, die Auswirkungen des Weinbaus auf die Umwelt zu reduzieren und so gering wie möglich zu halten.

Dominique Forget, Direktor des Château Couhins, entwickelte sanfte Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen
Dominique Forget, Direktor des Château Couhins, entwickelte sanfte Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen

„Dieses Weingut ist insofern besonders, als es nicht nur danach trachtet, hochwertigen Wein zu erzeugen, sondern auch Forschungszwecken dient“, erklärt Forget. So wurde in den 1990er-Jahren etwa die Methode der Pheromon-Verwirrung entwickelt. Sie dient dazu, das hormonale Fortpflanzungssystem von schädlichen Faltern zu stören. „Dabei werden in den Rebzeilen Verteiler angebracht, die weibliche Lockstoffe aussenden. So verlieren die männlichen Falter die Orientierung und gelangen nicht zu den Weibchen, womit es weniger Vermehrung, somit weniger Schädlinge gibt und der Einsatz von Insektiziden verringert werden kann“, erläutert Forget, während draußen der Regen an Heftigkeit zunimmt. Inzwischen gibt es nicht nur im Bordeaux zahlreiche Weingüter, die diese Methode anwenden.

Vor Winzern, die biologisch arbeiten, habe er sehr viel Respekt, fährt der Direktor fort, aber hier auf Couhins gehe es eben auch darum, alle Möglichkeiten des Weinbaus auszuloten. Nicht nur solche, die für den Erhalt einer Bio-Zertifizierungen zugelassen sind.

Küstenklima sorgt für Pilzbefall

„Wir sind hier an der Atlantikküste, zudem ziemlich weit südlich, was bedeutet, dass es einerseits oft sehr feucht ist und andererseits häufig sehr heiß. Das fördert in erster Linie Pilzbefall. Und gegen den muss in jedem Fall vorgegangen werden, egal ob mit konventionellen oder mit biologischen Mitteln“, beteuert Forget.

Und schließlich dürfe man nicht vergessen, dass konventionelle Mittel auch ihre Vorteile hätten. So müsse man sie weniger oft einsetzen als biologische, deren Wirkung bei Wettersituationen wie der derzeitigen weniger lange anhält. Also müssten sie häufiger angewendet werden, was einen wiederholten Einsatz von Maschinen und Traktoren bedinge. Das wiederum sorge für höheren Treibstoffverbrauch, für größeren CO2-Ausstoß und stärkere Belastung des Bodens.

Ein anderer Forschungsbereich des Château Couhins heißt Präzisions-Weinbau. Dabei wird innerhalb einer Parzelle mithilfe eines GPS-gesteuerten „Greenseekers“ ausfindig gemacht, welche Reben wie viel Sonnenlicht bekommen und wo die günstigsten Bodenbedingungen für das Traubenwachstum herrschen. „So können wir nicht nur das beste Material für verschiedene Abfüllungen aussortieren, sondern zudem an den kräftigsten Reben den Düngereinsatz reduzieren“, sagt der Ingenieur und Önologe.

Langsam aber sicher steigt die Zahl der Weinbauern, die sich auf das Risiko biologischen Anbaus einlassen
Monique Monnet, Winzerin, Château Suau

Generell stellt Forget fest, dass die Nachfrage nachhaltig erzeugter Weine in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. „Immer mehr Leute interessieren sich dafür, wie der Wein erzeugt wird, den sie im Glas haben. Gleichzeitig verlangt aueine wachsende Zahl von Weinberganwohnern – und davon gibt es gerade hier im Stadt- oder Vorstadtgebiet viele – , dass der Einsatz von Chemikalien reduziert wird“, sagt Forget. Seine und die Aufgabe des Instituts sei es, den Winzern dafür das nötige Rüstzeug zu liefern. Nicht zuletzt deswegen sei geplant, in Zukunft zumindest einen der Weingärten von Château Couhins auf biologischen Anbau umzustellen.

Steigende Nachfrage bestätigt auch Winzerin Monique Monnet, deren Betrieb zu den bislang nur sieben Prozent biologisch arbeitenden im Bordelais gehört. „Langsam aber sicher und parallel zum Interesse der Konsumenten steigt auch die Zahl der Weinbauern, die sich auf das Risiko biologischen Anbaus einlassen“, sagt die Direktorin des Château Suau.

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Sie selbst hatte bereits 2008 begonnen, ihre 65 Hektar sukzessive auf Bio-Anbau umzustellen. Der Prozess dauerte sieben Jahre. „Wir hatten das von Beginn an als langsame Umstellung geplant“, erklärt Monnet, „wir wollten Schritt für Schritt aus Erfahrungen lernen. Die Geräte mussten ausgetauscht, die Arbeitsmethoden geändert, die Mitarbeiter geschult werden. Alles in allem ein aufwendiger Prozess“. Das alles, um im Endeffekt eines zu erreichen: Ein besseres Verständnis der Natur, wie sie sagt.

Keine einfachen Jahrgänge

Erschwerend hinzu kam, dass die vergangenen Jahre alles andere als „einfache“ Jahrgänge waren. „2012, 2013 und 2014 waren durchwegs sehr feucht, 2015 war gut, aber auch eher kompliziert. Und soviel geregnet wie im Mai 2016 hat es bisher überhaupt selten. Zum Glück war es noch nicht so heiß“, sagt Monnet, „das Klima hier macht es wirklich nicht einfacher. Manchmal wünschte man, es hätte die trockene Luft und die kühleren Nächte des Elsass. Oder häufige Winde, die über die Weinberge ziehen und die Luft um die Reben trocknen wie im Languedoc. Aber Wind weht nur selten“.

Eine weitere Eigenart des Bordelais sei, so Monnet, dass das Bio-Label als zusätzliches Verkaufsargument bisher kaum etwas gefruchtet habe. „Bordeaux-Weine kauft man weltweit aus vielen Gründen, zu diesen zählt das Bio-Argument nur seltenst“, bedauert sie.

Valérie Godelu, gebürtige Lothringerin und Biowein-Pionierin: „Viele Kollegen meinten, es könne gar nicht funktionieren“
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Vor allem in einigen wachsenden Märkten wie etwa China sei es sogar von Vorteil, das Bio-Logo gar nicht erst auf das Etikett zu drucken, weil sich viele Konsumenten dort eher davor hüten würden. Und auch unter ihren eigenen Landsleuten hätte Bio-Wein nicht immer das beste Qualitäts-Image. Das sei aber zum Glück gerade dabei, sich zu ändern. „Seit kurzem, also erst seit ungefähr einem Jahr, spüren wir deutlich, dass die Nachfrage nach Bio in Frankreich, aber auch in einigen anderen Märkten rasant steigt“, zeigt sich die Winzerin ermutigt, „mit Sicherheit hängt das auch mit diesem Trend hin zu naturnahen Weinen zusammen, der sich immer mehr durchsetzt und hoffentlich anhält.“

Einen solchen „naturnahen“ Wein erzeugt etwa Valérie Godelu. Die junge Frau stammt aus Lothringen, lebte einige Jahre mit ihrem Mann und den drei kleinen Töchtern in Paris, bis sie sich entschied, im Bordelais ein paar Weinberge zu erstehen. „Zum Glück fand ich in einer Bank in Bordeaux einen Job, was uns 2008 erlaubte, umzuziehen und das Abenteuer zu wagen“, erinnert sich Godelu. Ihr Mann folgte ihr, fand selbst einen Arbeitsplatz und unterstützt sie nun im drei Hektar großen Weingarten, im Keller und beim Vertrieb.

Widerstand der Einheimischen

„Wir hatten das Glück, ein Areal zu finden, das noch im alten System bepflanzt war, mit weniger Abstand zwischen den Rebzeilen, sodass es über viele Jahre kaum mit schweren Maschinen bearbeitbar war. So gibt es hier vergleichsweise lockeren Boden, der den Reben ermöglicht, tief in die Erde zu dringen, um sich ihre Nährstoffe zu holen“, sagt die Winzerin. So entstünden wiederum komplexere, aufregendere Weine. Denn in einem Boden, der mit Chemie gedüngt und bearbeitet wurde, hätten es die Reben gar nicht nötig, tiefer zu wurzeln, wo sie doch gleich unter der Oberfläche alles finden, was sie brauchen.

Auch für Godelu war der Beginn alles andere als einfach. Zugewandert, Quereinsteiger, eine Frau – und dann auch noch alternative Anbau- und Arbeitsmethoden wie der Verzicht auf Chemikalien im Wein und im Weinkeller. Das kam in ihrer neuen Umgebung erst nicht so gut an. „Viele Kollegen meinten, es könne gar nicht funktionieren“, erinnert sie sich.

Als es dann doch klappte, meinten sie, der Wein sei unverkäuflich, weil er völlig anders schmeckt als konventionell erzeugter Bordeaux.“ Inzwischen mussten sie auch das revidieren, denn der Wein vom kleinen Gut Godelus wird stark nachgefragt, geht zum Großteil in den Export und ist häufig ausverkauft. „Natürlich tut sich in letzter Zeit einiges“, sagt die Winzerin, „viele erkennen, dass sie womöglich die eine oder andere Entwicklung verschlafen haben und schleunigst reagieren müssen. Und das ist gut so, weil sich damit das Image der ganzen Gegend ändern könnte.“ Doch damit das möglichst bald geschehe, müssten auch einige der größten und berühmtesten Châteaus mitziehen.

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