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  4. Die Cité du Vin ist Bordeaux’ neues Wahrzeichen

Weinland Frankreich Cité du Vin

Bordeaux macht sich und der Welt ein Geschenk

Interessante Architektur außen wie innen zeichnet die Cité du Vin in Bordeaux aus. Der Besucher kann auf eine virtuelle Zeitreise zwischen dem Gestern und Morgen des Vorzeigeprodukts der Region gehen, sich aber auch ganz analogen Genüssen hingeben. Interessante Architektur außen wie innen zeichnet die Cité du Vin in Bordeaux aus. Der Besucher kann auf eine virtuelle Zeitreise zwischen dem Gestern und Morgen des Vorzeigeprodukts der Region gehen, sich aber auch ganz analogen Genüssen hingeben.
Interessante Architektur außen wie innen zeichnet die Cité du Vin in Bordeaux aus. Der Besucher kann auf eine virtuelle Zeitreise zwischen dem Gestern und Morgen des Vorzeigeproduk...ts der Region gehen, sich aber auch ganz analogen Genüssen hingeben.
Quelle: picture alliance /dpa/Bonnaud Guillaume
Mit der Cité des Civilisations du Vin besitzt die Metropole im Südwesten Frankreichs ein neues, außergewöhnliches Wahrzeichen und unterstreicht ihren Anspruch, Hauptstadt des Weins zu sein.

Die Franzosen sind ja bekanntlich besonders stolz auf ihre Weine. So stolz, dass man ihnen bisweilen auch Arroganz nachsagt – und Desinteresse beziehungsweise Verschlossenheit gegenüber Weinen aus anderen Ländern. „Genau diesem Klischee möchten wir entgegenwirken“, sagt indessen Laurence Chesnau-Dupin, „deswegen ist die Cité du Vin auch den Weinen von überall auf der Welt gewidmet und konzentriert sich keinesfalls ausschließlich auf Frankreich oder gar nur auf Bordeaux.“

Chesnau-Dupin ist die quirlige und leidenschaftliche Kuratorin der besagten und funkelnagelneuen Cité du Vin, deren Namen nur recht ungenau zu übersetzen ist und auf Deutsch soviel wie Stadt, aber auch Heimat des Weines bedeutet. Ein Museum sei der auffällige Bau am Ufer des Flusses Garonne in Bordeaux jedenfalls nicht, betont die Kuratorin, denn dafür brauche es eine Dauerausstellung. Und die gebe es hier nicht. Viel mehr handele es sich um einen weltweit einzigartigen Ort, der dem Besucher einen sensoriellen Zugang zur Seele des Weines ermögliche, wie sie sich ausdrückt.

Dass man sich dabei an der weltumfassenden Weinerzeugung orientiert, ist zugleich inhaltlich die größte Neuerung des Konzeptes. „Natürlich gab es schon bisher solche und ähnliche Projekte,“ erklärt Chesnau-Dupin, „nur stand dabei immer eine regionale Realität im Vordergrund, hier geht es um etwas Größeres, etwas Universelles.“

Dank dieser globalen Ausrichtung konnten mehrere Partner im Ausland gewonnen werden, die sich an der Finanzierung der Einrichtung beteiligten. Gleichzeitig verschreckte man aber auch einige der lokalen Winzer, die wohl Vorbehalte hatten, sich die Konkurrenz hierher in ihr eigenes Stammgebiet einzuladen.

Bauchschmerzen bei einigen Lokalpatrioten

„Es war nicht leicht, alle Mitglieder des Dachverbands Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB) mit an Bord zu holen, aber am Ende haben auch sie erkannt, dass es sich bei der Realisierung des Projekts in Wahrheit um eine Auszeichnung für die gesamte Gegend handelt“, sagt Chesnau-Dupin. Denn schließlich sei man sich mit allen internationalen Partner einig gewesen, dass es wohl keinen besseren Ort gebe als Bordeaux, um so ein Zentrum zu beherbergen. Gebe es doch weltweit keine zweite Stadt, deren Namen und Identität so stark mit dem Wein verbunden sei.

Daran, dass Bordeaux für Wein steht, besteht freilich kein Zweifel. Mit ihrem Hafen am Fluss Garonne und der Nähe zum Atlantik gilt die Stadt aber auch seit jeher als bedeutendes Handelszentrum. Und der Handel war schon in der Vergangenheit sehr stark von Nicht-Einheimischen geprägt. So liegt die Cité auch nahe des Stadtviertels Chartrons, dessen Geschichte seit dem 17. Jahrhundert vorrangig von britischen, deutschen und holländischen Händlern geprägt wurde.

Diese mussten damals noch außerhalb der Stadtmauern siedeln, weswegen sie sich hier niederließen. Sie waren es, die den Ruf des Weines aus der Umgebung der exportorientierten Stadt über den Fluss und den Ozean hinaus in die Welt trugen, zuerst vornehmlich ins Vereinte Königreich, dann über ganz Europa und in der Folge nach Amerika und in die übrige Welt. Und sie waren auch mitverantwortlich dafür, dass Wein im Laufe der Jahre zu einem der bedeutendsten wirtschaftlichen Faktoren der Stadt, ihres Umlands und ganz Frankreichs aufstieg.

Franzosen verstehen etwas von Önotourismus

Nicht zuletzt mit dem Ziel, diese wirtschaftliche Bedeutung noch auszubauen, wurde die Cité du Vin errichtet. Denn neben Weinbau und Handel hat in den letzten Jahrzehnten auch der Tourismus als Einkommensquelle rasant dazugewonnen. Insbesondere jene Form des Tourismus, in dessen Mittelpunkt der Wein, seine Erzeugung und sein Genuss stehen – dem auf Französisch œnotourisme genannten Weintourismus, dessen Vermarktung die Franzosen beherrschen wie kaum ein zweites Volk.

Sechs Millionen Besucher empfängt Bordeaux jährlich, 400.000 davon sollen den Weg in das Ausstellungszentrum finden. Sie erwartet ein von weitem sichtbarer, futuristischer Neubau, mit fließenden Formen und glänzender Fassade. Ein Gebäude, das weniger durch seine Beschaffenheit selbst als durch die Gewagtheit und Auffälligkeit seiner Architektur an andere Wahrzeichen anderswo auf der Welt erinnert.

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Wie an die Oper in Sydney oder das vielzitierte Guggenheim-Museum in Bilbao, das das Kunststück vollbrachte, die etwas vernachlässigte nordspanische Industrie-Stadt in eine beliebte Tourismus-Destination zu verwandeln. Für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wurden inzwischen unterschiedliche Vergleiche gefunden. Manche wollen darin eine Dekantier-Karaffe erkennen, einige den Schwung einer Weinrebe oder von Rebsaft im Glas, andere wiederum eine Welle im Fluss Garonne.

Gebäude erlaubt viele Deutungen

Die Architekten selbst verstehen es eher als eine Konzentrierung von Bewegungen. „Wir wollten die Idee des Vertikalen und Horizontalen in einem einzigen Schwung vereinen. Dabei dachten wir auch an das Gefühl, das bei der Weinverkostung entsteht – die Dimension des flüssigen Elements, der Geist des Weines und der Geist des Flusses“, betonen Anouk Legendre und Nicolas Desmazières vom Pariser Büro X-TU, das mit der Planung beauftragt wurde.

In Inneren des Gebäudes erwarten den Besucher indessen 19 Themen-Bereiche, von denen die meisten auf Interaktivität setzen. Wie zum Beispiel ein sogenanntes Buffet der fünf Sinne, das als eine Art Einführung in die Weinverkostung dienen soll. Und an dem sich der Betrachter mit den Farben, den Gerüchen und Geschmäckern des Weines und der verschiedenen Traubensorten vertraut machen kann. Oder ein Projektionsraum, in dem man sich als Passagier eines der Schiffe fühlt, die über die Jahrtausende den Wein in Amphoren oder Fässern in die Welt getragen haben.

Zudem gibt es Projektionen von Weinmachern, Journalisten, Historikern und Prominenten in Lebensgröße, die über Geschichte, Erfahrungen und Bedeutung des Weines referieren und aufklären. Und sogar einen Bereich mit leicht anrüchiger Atmosphäre, der dem Wein und seinen Verführungskräften gewidmet ist.

Infotainment made in Berlin

Unterstützt wird der Wein-Interessierte dabei von einem sogenannten Reisebegleiter, einem von der Berliner Firma Tonwelt speziell entwickelten System, das optisch einem Smartphone ähnelt, über Infrarot die diversen Animationen aktiviert und sie in acht auswählbaren Sprachen in einen Kopfhörer spielt. Zudem verfügt das Zentrum über eine Bibliothek, diverse Verkostungsateliers, ein Auditorium für Lesungen, Vorträge und Performances sowie einen Raum für Wanderausstellungen.

Schließlich gibt es auch noch ein sogenanntes Belvedere im obersten Stock des Gebäudes, von dem aus sich ein eindrucksvoller Blick über die Stadt eröffnet. Und wo der Besucher ein Glas des Weines seiner Wahl verkosten kann, das im Eintrittsgeld inbegriffen ist.

Ganz ohne Eintritt zu bezahlen kann man indessen im Restaurant speisen, eine Weinbar besuchen oder auch in einer kreisförmigen Vinothek einen von 800 Weinen aus aller Welt erstehen. Man kann die Flasche mit nach Hause nehmen oder sie in besagter Weinbar gegen einen moderaten Aufpreis öffnen lassen und trinken. Gemäß dem Anspruch der Cité verfügt die Vinothek über die größte Auswahl an nichtfranzösischen Weinen in ganz Frankreich.

Es geht um Wein als Kulturgut

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Alles in allem ist die Cité eine zusätzliche Attraktion dieser eleganten Stadt, die sich mal retro, mal zukunftsorientiert präsentiert. So ist hier nicht nur die Altstadt renoviert, sondern es sind auch mehrere Erneuerungsprojekte verwirklicht worden. Darunter eine futuristische Straßenbahn, eine Hubbrücke mit revolutionärer Technik und ein von den Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron entworfenes Fußballstadion.

Dort finden fünf Spiele der gerade begonnenen Fußball-EM statt. Übertragen werden sie übrigens auch auf einer Leinwand im Auditorium der Cité du Vin. Und zwar mit vorangehenden Verkostungen von Weinen aus antretenden Ländern, wie etwa am 14. Juni aus Österreich und Ungarn.

Dass das Konzept der Cité auch als Aufruf zu exzessivem Alkoholgenuss missverstanden werden könnte, wie das manche Kritiker befürchten, bestreitet Kuratorin Chesnau-Dupin indessen vehement. „Dadurch, dass wir die Kultur und die Zivilisation des Weines darstellen und zudem die Mühe und Komplexität der Erzeugung erklären, wird in erster Linie das Verständnis des Getränks als Kulturgut gefördert. Und wer den Wein als solchen versteht, hat zwangsläufig auch Respekt vor ihm.“

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