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Bierreport Homebrewing

Der herbe Duft vom selbst gebrauten Bier

Homebrewing Ansgar Freyberg Homebrewing Ansgar Freyberg
Ansgar Freyberg, auch Sir Frank Doe genannt, ist Mitglied der Country-Band The BossHoss und seit der Gründung 2004 als Schlagzeuger dabei. Das Hobbybrauen hat er 2016 für sich entd...eckt
Quelle: Michael Brunner
Eigenes Bier zu brauen ist gar nicht so schwer, man braucht einen großen Topf, Geduld und ein gutes Thermometer. The BossHoss-Drummer Ansgar Freyberg all das – und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

St. Bonifatius ist einer der wichtigsten Schutzheiligen für die Bierbrauer. Sollte je ein Schutzpatron für die Hobby-Bierbrauer gesucht werden, dann wäre Jean Pütz ein verdienter Kandidat und 1982 das entscheidende Jahr. Denn damals, in der 80. Folge seiner legendären Fernsehsendung „Hobbythek“ erklärte der Fernsehmoderator, wie man mit einfachsten Küchengerätschaften zu Hause sein eigenes Bier brauen kann. Die Zuschauer konnten sich außerdem von der “Hobbythek”-Redaktion Rezepte schicken lassen sowie dazu Kontaktadressen, bei denen man die grundlegenden Zutaten wie Hopfen oder Malz bestellen konnte. Informationen, die wegen eines alten Gesetzes aus den 1930er-Jahren praktisch nicht erhältlich waren. Tatsächlich wurden diese fast antiken Vorschriften aufgrund der Fernsehsendung geändert und der Realität angepasst. Für viele Bierfreunde jedenfalls war Folge 80 eine echte Offenbarung und Anlass, mit dem Hobbybrauen überhaupt anzufangen.

Seitdem hat sich viel getan. An Büchern, die sich dem Thema widmen, ist kein Mangel mehr, und im Internet gibt es eine große Zahl von Portalen, in denen sich Hobbybrauer über Rezepte und Technik austauschen. Dazu sind eine ganze Reihe von Online-Shops entstanden: Das Angebot reicht von den einzelnen Zutaten wie Hefe oder diversen Hopfen- und Malzsorten über fertige Biermischungen bis hin zur „Hardware“ also Flaschen, Braueimern oder –kesseln, Filtern, Schläuchen und Reinigungsgeräten. Die Auswahl reicht vom ganz einfachen Basis-Set (ab rund 20 Euro) bis hin zum Edelstahl-Gärbehälter für mehr als 1000 Euro.

Homebrewing Ansgar Freyberg
Sich selbst würde er als "Session-Brauer" einordnen: "Wie in der Musik: improvisiert, aber mit Anspruch auf Qualität."
Quelle: Michael Brunner/Michael Brunner für Bierreport 2018

Doch wie funktioniert das überhaupt, dieses Haus- und Hobbybrauen beziehungsweise Homebrewing, wie es neudeutsch genannt wird? Wie aufwendig ist das Ganze, welche Ausrüstung braucht man, und vor allem: Schmeckt das Ergebnis? Um das herauszufinden, wird ein Treffen mit Ansgar Freyberg anberaumt. Der 42-Jährige ist Schlagzeuger der Band The BossHoss, er hat die Bierbrauerei Ende 2016 für sich entdeckt. Seitdem steht er nach Möglichkeit – wenn Familie und Job es zulassen – einmal in der Woche in seiner kleinen Brauküche, die er sich zu Hause in einem unbenutzten Treppenaufgang eingerichtet hat, und wirft seinen 20-Liter-Braukessel an.

Doch zunächst einmal muss ein Rezept her. Denn auch wenn die Grundzutaten – ganz klassisch Wasser, Malz, Hefe und Hopfen – überschaubar sind, gibt es davon jeweils, auch beim Wasser, so mannigfaltige Sorten und Varianten mit jeweils ganz individuellen Eigenschaften, die sich wiederum unterschiedlich kombinieren lassen. Da geht der Überblick schnell mal verloren. Rezepte, an denen sich der künftige Hobbybrauer orientieren kann, finden sich im Internet reichlich. Außerdem beginnen fast alle Hobbybrauer früher oder später damit, eigene Kombinationen und Mischungen auszuprobieren. So auch Ansgar, der Computer-Unterstützung erhält: „Ich habe hier eine spezielle Software, „Der kleine Brauhelfer“, die mich warnt, falls meine Zutaten-Kombination zu wild wird und nicht funktionieren würde.“ Heute soll ein New India Pale Ale gebraut werden.

Homebrewing Ansgar Freyberg
Drei Sorten Malz: Pale Ale, Caramel Red und Rauchmalz
Quelle: Michael Brunner

Am Anfang steht erst einmal die Wahl der Malzsorten, denn „das Malz ist entscheidend für den Geschmack, aber auch für die Farbe und die Schaumfestigkeit des Bieres“ erklärt Ansgar. Meist verwendet man ein sogenanntes Basismalz und kombiniert es je nach Rezept mit anderen Malzsorten. Ein klassisches Basismalz ist zum Beispiel das helle Pilsner Malz (wobei man damit nicht nur Pilsner brauen kann, sondern auch andere Biersorten) oder das recht dunkle Münchner Malz. Ansgar hat gerade 15 verschiedene Sorten vorrätig, das Basismalz im 25-Kilo-Sack, andere Varianten in deutlich kleineren Mengen. Die Körner duften nach Brot, beim Kauen schmecken sie leicht süßlich. Heute kommen drei Malzsorten zum Einsatz, als Basismalz Pale Ale, dazu noch ein wenig Münchner Malz und Cara Hell.

Hergestellt wird Malz aus verschiedenen Getreidesorten, meist aus Gerste oder Weizen. Dazu werden die Körner erst in Wasser eingeweicht und zur Keimung gebracht. Dadurch wandelt sich die Stärke im Mehlkörper des Korns in verschiedene Enzyme beziehungsweise in Zucker. Nach etwa fünf Tagen wird der Keimvorgang durch Hitze unterbrochen – das sogenannte Darren. Je heißer die Temperatur, desto dunkler wird das Malz – bis hin zu fast schwarzem Karamellmalz. (überhaupt scheint die richtige Temperatur zur richtigen Zeit die entscheidende „Zutat“ beim Bierbrauen zu sein – aber dazu kommen wir noch). Wird beim Darren auch noch heißer Rauch verwendet, schmeckt das Bier später entsprechend. Aber all das muss der geneigte Hobbybrauer natürlich nicht selbst machen, auch die großen Brauereien bestellen diese Zutat bei spezialisierten Mälzereien. Die verschiedenen Malzsorten gibt es je nach Bedarf in kleineren Mengen, auf Wunsch auch schon fertig geschrotet.

Geduld und die richtige Temperatur

Ansgar Freyberg dagegen schrotet sein Malz selbst, mithilfe einer kleinen elektrischen Getreidemühle. Ein Geduldsspiel, wie er zugibt. „Für 20 Liter Bier sind etwa fünf Kilogramm Malz notwendig. Fürs Schroten brauche ich da fast eineinhalb Stunden. Denn die Mühle darf nicht zu schnell laufen, sonst wird das Malzschrot zu heiß, und das verändert den Geschmack.“ Da ist sie schon wieder, die Temperatur. Außerdem: Das Schrot darf nicht zu fein werden, denn die Spelzen, also Teile der Schale, müssen erhalten bleiben. „Das hilft später beim Filtern des Suds.“

Aber jetzt kommt das Malzschrot endlich in den Braukessel, in dem das Wasser auf 70 Grad Celsius erhitzt wurde. Dieses Maischen ist der erste Schritt beim Bierbrauen, denn durch das Erhitzen lösen sich die Inhaltsstoffe aus dem Schrot. Damit das gut klappt, muss die Maische immer wieder auf eine bestimmte Temperatur gebracht werden, zum Beispiel 67 Grad Celsius, danach darf sie wieder „eine Rast einlegen“. Für ein optimales Ergebnis müssen hier je nach Rezept verschiedene Abläufe von Erhitzen und Rasten genau eingehalten werden. Der dabei entstehende Sud ist die sogenannte Würze, die als Nächstes vom Malzschrot gefiltert werden muss. Beim sogenannten Läutern wird die Flüssigkeit immer wieder vorsichtig durch den eigenen „Treberkuchen“ gegossen, welcher durch ein Filtergewebe, Filterblech oder eine spezielle sogenannte Leuterhexe zurückgehalten wird, bis sie einigermaßen „klar läuft“. Der Sud wird anschließend weitergekocht, während das ausgelaugte Malz entsorgt werden kann.

Homebrewing Ansgar Freyberg
Die kleinen Hopfenpellets werden aufs Gramm genau abgewogen
Quelle: Michael Brunner

Damit diese Würze – „eigentlich nur Zuckerwasser“, so  Freyberg – etwas Geschmack bekommt, ist es Zeit für den Hopfen. Im Handel gibt es verschiedenste Sorten, meist in der Form kleiner Pellets. „Ich habe rund 30 verschiedene Varianten auf Vorrat“ erklärt Ansgar. „Das ist eigentlich unnötig, aber ich bin immer wieder neugierig auf frische Sorten und bestelle eine kleine Menge, um sie auszuprobieren.“ In diesem Fall kommen vier verschiedene Hopfenarten in den Topf, die so exotische beziehungsweise technische Namen haben wie Cascade 5,5oder BRU-1.

Haltbare Bitterkeit

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Wieder ist ein genauer Zeitplan einzuhalten, und auch die Hopfensorten sind aufs Gramm genau abgewogen. Mit dieser Mixtur verändert sich der Geruch der Würze – recht schnell weg vom Süßlichen und hin zu einem, der intensiver, bitterer und herber wirkt. Hopfiger eben. Der Hopfen ist aber nicht nur für den Geschmack wichtig, er sorgt später auch für die Haltbarkeit des Biers.

Je nach Rezept muss die Würze jetzt rund eine Stunde kochen. Danach geht es rund, denn in der Flüssigkeit befinden sich noch ausgefallenes Eiweiß und Reste vom Hopfen, die zu entfernen sind. Steht keine Zentrifuge zur Verfügung, wird die Würze einfach mit einem Löffel kräftig umgerührt, bis ein Wirbel entsteht, der sogenannte Whirlpool. Dadurch sammeln sich die unerwünschten Stoffe und setzen sich am Boden des Topfes ab, Trubkegel genannt. Die Würze wird anschließend am besten noch einmal vorsichtig gefiltert und in ein neues Gefäß gefüllt, den Gärbehälter.

Homebrewing Ansgar Freyberg
Beim Läutern wird der Biersud in mehreren Durchläufen vom ausgelaugten Malz gefiltert
Quelle: Michael Brunner

Jetzt wird die Temperatur wieder wichtig: Damit sich die Hefe wohlfühlt und den Zucker in Alkohol verwandeln kann, muss die Würze herabgekühlt werden, auf rund acht Grad bei untergärigem und 20 Grad bei obergärigem Bier. Das geschieht entweder über Nacht im kühlen Keller oder durch Lagerung auf dem Balkon oder künstlich mittels einer professionellen kleinen Kühlschlange, die kaltes Wasser durch den Behälter führt.

Ist dies geschafft, wird Hefe in die Würze gegeben. Auch hier besteht die Wahl zwischen einer Vielzahl von Arten mit äußerst unterschiedlichen Eigenschaften. Wichtig ist, dass der Gärbehälter – auch ein großer Plastikeimer tut es – sehr sauber ist und schnell abgedeckt wird, um Verunreinigungen zu vermeiden, die den Gärvorgang negativ beeinflussen würden. „Das mit der Hefe ist immer ein wenig trickreich. Man versucht, die Natur in den Griff zu kriegen.“

Mit der Kohlensäure kommt die Spritzigkeit

Anschließend ist Geduld gefragt sowie eine stabile Kühlung: Der Gärvorgang funktioniert am besten bei sieben bis neun Grad und dauert rund eine Woche. Dann kann man sein „Jungbier“ schon mal verkosten. Allerdings schmeckt es zu diesem Zeitpunkt noch recht schal, fast langweilig, weil noch die Kohlensäure fehlt. Diese entsteht erst bei der folgenden Flaschen- oder Fassgärung. Dazu wird das Jungbier zusammen mit ein wenig Resthefe aus dem Gärbehälter und einer Portion Zucker noch einmal umgefüllt.

„Ich habe mich von Anfang an für die klassischen 20-Liter-KEG-Fässer aus Edelstahl entschieden“ sagt Ansgar. „Damit spart man sich die doch recht aufwendige Reinigung und Trocknung der einzelnen Flaschen. Außerdem sind die Fässer so stabil, dass man sich keine Sorgen wegen des entstehenden Drucks machen muss.“ Denn Flaschen, idealerweise aus Plastik, müsste man regelmäßig kontrollieren und aus ihnen gegebenenfalls etwas Druck ablassen.

Homebrewing Ansgar Freyberg
Der Stammwürzgehalt des Bieres lässt sich mit einem Refraktometer messen
Quelle: Michael Brunner

Egal für welche Methode man sich entscheidet: Hat man am Brautag sauber gearbeitet – und sich an die Temperaturen gehalten! –, ist das Eigenbräu nach vier bis sechs Wochen trinkbereit. Und schmeichelt dann auch dem Gaumen. Hoffentlich. „Klar, am Anfang klappt nicht jedes Bier, manches hat keinen Schaum, schmeckt sauer oder zu stark nach Hefe“ berichtet Ansgar. „Aber mit jedem Brauvorgang lernt man etwas Neues, sammelt Erfahrung, und die Technik wird besser.“ Und vor allem: „Mit der Zeit werden die eigenen Sinne geschult, man versteht irgendwann die ganzen biochemischen Vorgänge. Spätestens dann nimmt man die einzelnen Zutaten ganz neu wahr und schätzt Bier auf einem ganz anderen Level.“

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Und wenn man sich irgendwann traut, mit den Zutaten ein wenig zu spielen, ein wenig zu zaubern, fängt der Spaß erst richtig an, denn schließlich steht es irgendwann im Kühlschrank – fertig, lecker, trinkbereit: das eigene Bier.

Tipps und Infos

Wer sich intensiver mit dem Homebrewing beschäftige will, findet weitere Informationen beim Verein der Haus- und Hobbybrauer VHD e.V., einem Zusammenschluss von rund 660 Bierfreunden aus ganz Deutschland. Dazu gibt es noch viele regional organisierte Stammtische und Gruppen wie zum Beispiel die Braufreunde Berlin oder die Braugruppe Lötti in Dortmund. Ein besonderer Spaß sind auch die jährlichen Haus- und Hobbybrauertage, bei der die Teilnehmer ihre Eigenkreationen in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander antreten lassen – in diesem Jahr vom 5. bis 7. Oktober in Lüneburg.

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Im aktuellen Welt-Bier-Report 2018 stecken noch weitere spannende Themen: Sterne-Koch Björn Freytag grillt für uns lauter gesunde Sachen, Berlin hat sich zur Metropole der Craft-Szene entwickelt und der Weltmeister der Bier-Sommeliers gibt Tipps, welches Bier zu welchem WM-Spiel passen könnte. Ausgang ungewiss. Doch lesen Sie selbst!

Eine Auswahl an Bier-Festen für 2018 finden Sie hier.

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