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Bierreport Vielfalt

Warum es sich lohnt, mit Bier zu experimentieren

Paradiesische Zustände: Nirgendwo sonst gibt es eine so große Vielfalt an Bieren wie in Deutschland Paradiesische Zustände: Nirgendwo sonst gibt es eine so große Vielfalt an Bieren wie in Deutschland
Paradiesische Zustände: Nirgendwo sonst gibt es eine so große Vielfalt an Bieren wie in Deutschland
Quelle: picture alliance / dpa-tmn/sir/men
Deutschland ist ein Bierparadies, doch die wenigsten nutzen das. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, Bier anders zu erleben – in Kleinbrauereien, im Abo oder in einem Kurs. Experimente zahlen sich aus.

In Georges Spätkauf brennt noch Licht. Lebensmittel- und Getränkemärkte haben längst geschlossen, da ist es gut, dass George fast alles hat – inklusive Bier. Nicht etwa drei, vier Sorten, sondern mehr als 100 verschiedene Biere bietet er an. Handwerklich Gebrautes aus Berlin oder Stuttgart, aus Hamburg ebenso wie aus dem Frankenland.

Und Inhaber George Tapan will noch mehr ausgesuchte Biere ins Sortiment aufnehmen. Der „Späti“ des jungen Kreuzbergers zeigt, was Deutschland biertechnisch draufhat – beeindruckt zu sein ist erlaubt.

Craft bedeutet Leidenschaft fürs Produkt
Sylvia Kopp, Biersommelière und Chefin der Berlin Beer Academy

Tagtäglich produzieren die Brauer in Deutschland rund 5500 verschiedene Biere, in mehr als 1300 Braustätten im gesamten Bundesgebiet. Ständig kommen neue dazu, meist kleine Hausbrauereien – Manufakturen, in denen die „jungen Wilden“, die neue deutsche Brauergeneration, mit den Rohstoffen experimentieren und Neues kreieren.

Mal bernsteinfarben, mal dunkel, mal mit Karamellmalz gebraut, mal mit Rauchgeschmack. „Gerade im Segment der Kleinstbraustätten ist Bewegung“, sagt Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund, und Sylvia Kopp weiß auch warum: „Die Leute haben wieder Freude am Entdecken“, erklärt die Biersommelière und Chefin der Berlin Beer Academy. Das gelte für Brauer genauso wie für Biergenießer.

Mit einer Bierführung durch die Stadt

Beide profitieren von der amerikanischen Craft-Beer-Bewegung. In den USA hat das, was unter dem Label Craft-Beer abgefüllt wird, mittlerweile einen Marktanteil von elf Prozent, bis 2020 sollen es 20 Prozent sein. Craft mit Handwerk zu übersetzen greife aber zu kurz, sagt Kopp: „Craft bedeutet Leidenschaft fürs Produkt.“ Und die sei, gepaart mit Kreativität, in Deutschland eine immer stärkere Triebfeder der jungen Brauerszene.

Viele der deutschen Craft-Beer-Pioniere haben in den USA gearbeitet oder sich dort Anregungen geholt – Eric Toft etwa von der bayerischen Landbrauerei Schönram, der Bonner „Ale-Mania“-Macher Fritz Wülfing, Markus Lohner von der Campa Bavaria oder Oliver Wesseloh, Chef der Hamburger Kreativbrauerei „Kehrwieder“.

Das „Hopfenreich“ in Berlin-Kreuzberg hat 22 Biere am Hahn. Von hier starten auch Bierführungen
Das „Hopfenreich“ in Berlin-Kreuzberg hat 22 Biere am Hahn. Von hier starten auch Bierführungen
Quelle: Hopfenreich

Einen ersten Eindruck davon, wie vielfältig das Bierangebot einer Stadt ist, kann eine Bierführung vermitteln. Eine, wie sie in Berlin etwa das „Hopfenreich“ anbietet. Jeden Dienstagnachmittag treffen sich Touristen, aber auch Einheimische zur vierstündigen „Reise zu den Craft-Beer-Hotspots der aufblühenden Bierhauptstadt“.

Da steigt der junge Brauer Philipp Brokamp mit den Besuchern hinab in den Keller seiner Gasthausbrauerei „Hops & Barley“, führt durch niedrige Räume, vorbei an metallenen Fässern und Schläuchen, die in den Schankraum führen. Da geht es in die „Markthalle IX“ zu Johannes Heidenpeter und seinem Brau-Pub, gibt es bei „Getränke-Feinkost“ „ein feines Wegebier für unterwegs“, wie Hopfenreich-Chef Mark Hinz es nennt, bevor die Tour mit einem „lockeren Tasting“ in seiner eigenen Bar ausklingt.

Die Touren sind beliebt. Gerade ist Hinz dabei, eine weitere Route auszuarbeiten. „Da ist noch Luft nach oben“, ist er überzeugt.

An jedem Stadttor eine Bierspezialität

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Nahezu in ganz Deutschland wandeln Bierfreunde auf den Spuren des Gerstensaftes durch die Städte. In Freiberg erzählt „Braumeister Michael“ bei seiner Tour durch die historische Altstadt Anekdoten übers traditionsreiche Brauwesen seiner Heimatstadt und stellt anschließend ein „Bierdiplom“ aus.

In Goslar beginnt die Zeitreise im Mittelalter mit der Entstehung des Harzer Urbieres „Gose“, in München geht’s unter anderem über den Viktualienmarkt zum Augustiner am Dom und zur Brauereibesichtigung ins Thomasbräu, in Recklinghausen kann an jedem der fünf Stadttore eine Bierspezialität verkostet werden.

Die Geschichte des Düsseldorfer Altbiers vermittelt die dortige Tourismusgesellschaft bei einem Altstadtbummel zu Sehenswürdigkeiten und Hausbrauereien. In Bonn lässt sich in Erfahrung bringen, warum eine Wirtin dereinst als Hexe verbrannt wurde, und in Leipzig geht es auf die Suche nach „Zechern, Schenkern, Brauern und Stammtischen“.

Schwimmende Brauerei sticht in See

Karl Pasalk ist seit 2011 Braumeister auf der Aida Blu
Karl Pasalk ist seit 2011 Braumeister auf der Aida Blu
Quelle: Aida Blu

Ist eine Führung nicht genug, darf es vielleicht eine Bierreise sein. Eventgesellschaften wie Mydays warten mit Wochenendtrips auf. Mal geht’s nach Franken, mal in den Oberpfälzer Wald. Neben Brauereibesichtigungen sind Braukurse oder Bierkennerdiplome inklusive.

Auch Übernachtungen in einem Bierfass sind im Angebot, zum Beispiel im Münsterland. Sogar die Bierbraukunst anderer Länder lässt sich erkunden – bei Reisen ins tschechische Pilsen oder nach Südafrika. Und bei „Bierkreuzfahrten“ kann man nicht nur über den Biggesee im Sauerland schippern, sondern richtig in See stechen.

War die „Aida Blu“ das erste Kreuzfahrtschiff mit einer schwimmenden Brauerei, sind inzwischen vier Schiffe der Aida-Flotte mit Brauereien ausgestattet. Passagiere können während ihrer Reise einen eigenen Sud ansetzen, allerdings können die wenigsten das Ergebnis probieren. Denn Bier braucht vier Wochen zum Gären – und so lange dauern die meisten Kreuzfahrten nicht.

Vorbild Winzer

Die Alternative: Man lässt sich sein individuelles Bier brauen, wird zum „Braumeister“ via Internet. „Auf unserer Website können Kunden ein Bier exakt nach ihren Vorlieben konfigurieren“, sagt Holger Wirtz, einer der drei Gründer von Bierzuliebe.

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Ein leichtes Pils? Oder ein kräftiges Bock? Die Entscheidung fürs Bier nach dem ganz persönlichen Geschmack fällt mit fünf Mausklicks. Biertyp und Intensität des Hopfens können vorgegeben werden, ebenso Alkoholgehalt, Spritzigkeit und Farbe. Nach jedem Klick gibt’s einen Hinweis, wie das Bier schmecken wird. „Sehr herb“, ist da etwa zu lesen, wenn das Symbol mit den vier Hopfendolden angesteuert wurde, und „lecker herb-bitter im Nachtrunk“. Binnen einer Woche soll das fertige Bier zu Hause ankommen.

Das geht so schnell, weil Brauingenieur Mario Marinoff von den Winzern abgeschaut hat. So wie die mitunter Rebsorten mischen, ist Bierzuliebe-Bier eine Cuvée aus mehreren Suden. „Wie wir diese bestehenden Sude kombinieren, bestimmen die Kunden“, erklärt Marinoff.

„Nach Eingang einer Bestellung fertigen wir die persönlichen Cuvées an und bringen den Brauprozess in wenigen Tagen zum Abschluss.“ Mehr als ein Jahr haben Marinoff und Co. an der Technischen Universität Berlin getüftelt, bis es mit dem Brauen nach dem „Deinheitsgebot“ im vorigen Jahr losgehen konnte.

Ein Hoch auf das Regionale

Zu den Winzern herübergeschielt hat auch Michael Scherer, Geschäftsführer der Sozietät Norddeutscher Brauereiverbände, als er vor mehr als einem Jahr in der Mitgliederversammlung eine Onlineplattform zur Biervermarktung im Internet anregte. „Wir haben in Deutschland eine enorme Sortenvielfalt – aber Bierenthusiasten aus dem Süden haben kaum eine Chance, im Handel ein gutes regionales Bier aus dem Norden zu bekommen“, sagt Scherer.

Auch wenn der Absatz stagniert oder sinkt, die Zahl der Brauereien in Deutschland steigt
Auch wenn der Absatz stagniert oder sinkt, die Zahl der Brauereien in Deutschland steigt
Quelle: Welt Infografik

Zwar führe ein durchschnittlich sortierter Getränkemarkt viele Biere, „aber deutschlandweit meist die gleichen, nur mit einigen regionalen Produkten garniert“. Deshalb hob Scherer die BierSelect GmbH aus der Taufe.

In diesem Sommer ging die Onlineplattform www.bierselect.de an den Start. „Wir wollen darüber nicht nur die Produkte unserer Mitglieder vermarkten, sondern Biere lokaler und regionaler Brauereien aus ganz Deutschland.“ Rund 50 Brauereien hat BierSelect schon im Boot, weitere 22 sollen in Kürze hinzukommen.

„Dann haben wir an die 300 Sorten im Angebot – Biere von jungen Wilden ebenso wie von lokal etablierten Brauereien“, schwärmt Scherer. Vermarktet in diversen Paketen, zusammengestellt nach Sorten, Regionen oder Anlässen. Da gibt es das Berlin-Paket ebenso wie das Nord-Paket, die Pakete „Heferepublik“ oder „Spitzenreiter“.

48 fränkische Biere im Jahr

Einen ähnlichen Ansatz vertritt der Coburger Kai Dietrich mit seinem Portal www.brau-kunst.de – allerdings richtet er den Fokus ausschließlich auf die Bierregion Franken. Mit dem „Fränkischen Bierabo“ treten Gerstensäfte, die es sonst zum Teil nur direkt ab Brauerei gibt, nun ihre Reise durch die Republik an.

Thomas Fuchs porträtiert 111 deutsche Biere und erzählt zahlreiche Anekdoten (Emons Verlag, 14,95 Euro)
Thomas Fuchs porträtiert 111 deutsche Biere und erzählt zahlreiche Anekdoten (Emons Verlag, 14,95 Euro)
Quelle: Emons Verlag

Jeden Monat kommt ein Paket mit vier neuen Bieren ins Haus – bei einem Jahresabo lassen sich so 48 fränkische Biere testen. Dazu gibt’s Informationen zu den einzelnen Brauereien.

Reicht das als Lektüre nicht, empfiehlt sich das Buch „111 deutsche Biere, die man getrunken haben muss“ von Thomas Fuchs (Emons Verlag, 14,95 Euro). Seine Auswahl ist natürlich subjektiv und das Ergebnis „aufopferungsvoller Selbstversuche mit Freunden, Bekannten und Kollegen“. In kurzweiligen Geschichten vermittelt Fuchs Wissenswertes über die Biere und ihre Brauereien und kennt manche Anekdote.

Drei Damen von der Braustelle

Zum Beispiel berichtet er von der Legende, die sich ums Riedenburger Emmerbier rankt: Demnach sollen die Stadtväter im 18. Jahrhundert mit einem Emmer – sprich: Eimer – voll Bier potenzielle Bewerber für den Posten des Nachtwächters angelockt haben. Natürlich vergisst Fuchs nicht, darüber aufzuklären, dass Emmer in Wahrheit eine sehr alte Getreidesorte ist, die auch Zweikorn genannt wird.

Und er erzählt, was es mit den „Drei Damen von der Braustelle“ auf sich hat, dass nämlich in der Privatbrauerei Strate in Detmold drei Frauen das Sagen haben und deren „Detmolder Pilsener“ sogar in einer Zwei-Liter-Flasche namens „Mopsi“ geordert werden kann – mit passendem Rucksack inklusive. Amüsante Lektüre – und für Bierliebhaber sicher ein nettes Geschenk zu Weihnachten.

Jeden Tag ein Türchen

24 Überraschungen versprechen Bierkalender. Rechtzeitiges Bestellen ist allerdings Pflicht
24 Überraschungen versprechen Bierkalender. Rechtzeitiges Bestellen ist allerdings Pflicht
Quelle: Monatsgeschenke GmbH

Apropos: Schon jetzt ist es an der Zeit, einen Bier-Adventskalender zu bestellen, wenn der noch rechtzeitig ankommen soll, bevor das erste Kläppchen und damit die erste Flasche (oder wahlweise Dose) geöffnet werden darf.

Gefüllt mit regionalen, nationalen oder internationalen Bierspezialitäten sind Bier-Adventskalender zwar deutlich teurer als ein handelsüblicher Kasten Bier – aber es ist ja auch etwas anderes, sich jeden Tag überraschen zu lassen, welche Köstlichkeiten oder winterlichen Sonderbiere sich im Kalender verbergen. Anbieter sind unter anderem die Berliner Monatsgeschenke GmbH und das österreichische Unternehmen Kalea, das sich auf „biersinnliche Geschenkartikel“ spezialisiert hat.

Alternativ könnten sich Bierenthusiasten über einen feucht-fröhlichen und zudem lehrreichen Kursus freuen. Denn längst nicht jeder Biertrinker weiß, wie vielfältig Bier überhaupt schmecken kann – wie sich Antrunk, Haupttrunk und Ausklang unterscheiden, was es bedeutet, wenn ein Bier schlank im Geschmack ist, ein anderes dagegen vollmundig.

Im „Besser trinken“-Schnupperkurs an der Berlin Beer Academy zum Beispiel können sich Einsteiger an die Vielfalt herantasten. Angebote für „Bierlaien“ gibt es zudem an der Doemens-Akademie in München, an der Deutschen Bierakademie in Bamberg oder im Bierkulturhaus in Obertrum bei Salzburg.

„Viele haben tatsächlich immer nur Pils getrunken und sind erstaunt, was es sonst noch alles gibt“, erzählt die Leiterin der Berlin Beer Academy, Sylvia Kopp. Inzwischen kämen aber immer mehr Kunden in die Kurse, die „vielleicht schon mal ein intensiv geröstetes Imperial Stout probiert haben und nun richtig in die Biersensorik einsteigen wollen“.

Geschmack lässt sich also trainieren, und das wiederum lohnt sich. Na dann: Prost.

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