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Bierreport Biertouren

Auf den Spuren der neuen Berliner Braukunst

Besuch beim Brauer. Hier entsteht Craft-Beer, das auch gleich probiert werden kann Besuch beim Brauer. Hier entsteht Craft-Beer, das auch gleich probiert werden kann
Besuch beim Brauer. Hier entsteht Craft-Beer, das auch gleich probiert werden kann
Quelle: GetYourGuide
Die Craft-Beer-Szene der Hauptstadt ist international. Wer auf Bier-Tour geht, lernt Menschen und Brauer verschiedenster Nationalitäten kennen. Ganz zu schweigen vom Bier.

Treffpunkt Berlin, Bahnhof Friedrichstraße, 19 Uhr, neben der überdimensionalen Eis-Tüte. Nicht zu verfehlen. Viermal in der Woche startet von hier aus die Berliner Craft-Beer-Tour von Brewer’s Berlin Tours. Nicht ausgeschlossen, dass einige Gäste wegen des Namens bei „Brewer’s“ landen. Dabei hat der gar nichts mit den Touren zu tun. Die Firma existiert seit mehr als 20 Jahren – gegründet von einem ehemaligen amerikanischen Diplomaten namens Terry Brewer. „Bis vor drei Jahren hatten wir ausschließlich klassische Stadtführungen“, sagt Mate Szedlacsko, einer der Geschäftsführer. Als die Craft-Beer-Welle vor einigen Jahren Berlin erreichte, nahm man die Bier-Touren ins Programm. Für diesen Abend hat sich ein gutes Dutzend Teilnehmer angemeldet.

„And where are you from?“, fragt Guide Andrew Golden jeden Einzelnen. Finnland, Norwegen, Türkei, Dänemark, Italien, Indien, Korea, fliegen ihm die Ländernamen nur so entgegen. Der Historiker aus Wisconsin, der nach zwei Jahren in Berlin demnächst in die USA zurückkehren will, um ein Lehramt anzutreten, wirkt wenig überrascht. Erstaunt ist er über mich. Eine Berlinerin? Das hat er selten. Eher sind es Touristen aus aller Welt, die mit ihm durch die Berliner Craft-Beer-Bars ziehen. Vielleicht auch, weil die Tour in Englisch angeboten wird.

So wird es auch sein Nachfolger Dave halten, der „zur Einführung in sein neues Amt“ heute schon mal mitläuft. Auch Dave lebt seit zwei Jahren in der Hauptstadt, studiert Informationstechnologie. Er komme aus Melbourne, erzählt er, während die Gruppe auf dem Weg zur ersten Station des Abends die U-Bahn besteigt. „Welche deutschen Biere kennt ihr? “, will Andrew wissen. „Huarsteeiner“, kommt die Antwort des blonden Finnen aus Helsinki wie aus der Pistole geschossen. „And Krooombacher“, ergänzt Peter aus Cincinnati. Der grauhaarige Herr aus Mailand hat immerhin schon mal ein Berliner Kindl getrunken.

Auf der Bierkarte sind die aktuellen Biere sauber und orentlich notiert, inklusive Alkoholgehalt und Preis
Auf der Bierkarte sind die aktuellen Biere sauber und orentlich notiert, inklusive Alkoholgehalt und Preis
Quelle: Depositphotos.com/gpointstudio

„Was ihr heute probiert, schmeckt anders“, stimmt Andrew die Gruppe auf die Produkte der Mikrobrauereien ein. Im „Vagabund“ im Ortsteil Wedding laufen an diesem Abend vier eigene Biere vom Hahn. Dazu weist die Getränkekarte seitenlang internationale Craft-Beer-Spezialitäten aus – teils mit Unheil verkündenden Namen wie „Delirium Tremens“, ein belgisches Ale. Die Gruppe bekommt jeweils einen Schluck der vier Fassbiere in Weingläsern auf den Tisch gestellt – zum Riechen.

Die Brauer kommen aus Washington D.C.

Danach treffen alle ihre Wahl. 0,4 Liter Bier sind pro Kneipe im Preis für die Tour inklusive. Die meisten wählen das dunkle Porter „Party geil“ mit 4,1 Prozent Alkoholgehalt, einige das helle „Wheat Tease“ mit 5,8 Prozent. Die Nacht ist lang, da muss es nicht gleich das „Double IPA“ mit 7,5 Prozent sein. „Das schmeckt euch, was?“, will Andrew wissen. Als alle zustimmend nicken, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Die Jungs, die das hier aufgezogen haben, sind Amis“, verrät er stolz. „Brauer aus Washington D. C.“

Eine Stunde später drängt Andrew zum Aufbruch. „Habt ihr auch alle ein Tagesticket für die Öffentlichen? “ Drei Stationen mit der U-Bahn, dann Umsteigen in die S-Bahn. Der Tour-Guide steuert die Craft-Beer-Bar „The Castle“ im Gesundbrunnen-Kiez an, dem trotz aller Kreativen noch immer das Etikett einer abgehängten Proll-Gegend an den Fersen klebt. Demnächst steht für „The Castle“ der Umzug an. Nach Mitte, quasi ums Eck, aber eben doch mehr Szene-Quartier.

„20 wechselnde Craft-Biere vom Fass“, verspricht die Internetseite. Die Betonung liegt auf „wechselnd“. Heute haben wir die Wahl zwischen einem halben Dutzend, die Namen sind in weißer Schrift auf schwarzen Zetteln hinterm Tresen an eine Pressholzwand gepinnt. „Nehmen wir viermal 0,1“, schlägt Andrew vor. Schließlich sollen die Tour-Teilnehmer Vielfalt genießen. Zum Auftakt empfiehlt er „Two Fellas“, ein „leichtes Blood Orange Wit mit 4,2 Prozent Alkohol“, es folgen ein Scotch Ale, ein nicht scharfes, sondern eher bitteres Chili-Bier mit dem schönen Namen „Dancing Camel“ und dem Zusatz „Leche del diablo“ (Teufelsmilch).

8,2 Prozent Alkohol – ganz schön wuchtig

Zum Abschluss serviert Andrew, der mal eben selbst hinterm Tresen aushilft, das „Schönramer IPA“, mit 8,2 Prozent Alkohol schon ein ganz schön wuchtiges Bier. „Ach, das ist übrigens Ben“, deutet Andrew unvermittelt auf einen jungen schwarzhaarigen Mann mit Bart, „einer der Chefs hier.“ Der gebürtige Israeli Ben Fisher lächelt kurz und verschwindet wieder in den dunklen Tiefen des Lokals, das mit Holzstühlen neben leicht durchgesessenen Ledersofas wie eine typische Berliner Kneipe daherkommt. „Angefangen haben die hier mal als Irish Pub“, weiß Andrew. Was Spuren hinterlassen hat: Im Portfolio finden sich auch Guinness oder Kilkenny.

Bierverkostung
Vier Biere stehen zur Verkostung bereit – von dunkel bis naturtrüb
Quelle: Depositphotos.com/gpointstudio

Die Tour-Teilnehmer sind miteinander im intensiven Gespräch. Wenn man das englische „You“ übersetzen müsste, wäre es längst ein „Du“ statt ein „Sie“. Immer wenn sie nach Europa reise, buche sie eine Genusstour, sagt die Koreanerin Sung aus Seoul. In Paris sei sie bei einem Koch-Event gewesen, erzählt sie ihrem Barhockernachbarn, dessen Vornamen sie sich buchstabieren lässt. C und A und N. „Also Chan.“ Das erste Bier, das „Two Fellas“, sei ihr zu sauer gewesen, sagt sie.

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„Das ist eben wie Berliner Weiße ohne Sirup“, meint Andrew. „Bier mit Sirup? So was gibt’s?“ Sung schüttelt sich kurz. Aber das letzte Bier sei ihr zu kräftig gewesen. Wie da wohl erst das „Russian River“ mit elf Prozent schmeckt, das zwar an der Pinnwand angeschlagen steht, aber mit silbernem Stift durchgestrichen wurde. „Das ist ein Fake“, sagt Andrew. „Das hat’s hier noch nie gegeben, seit ich den Laden kenne.“ Für den Absacker geht’s nach Mitte, ins urige „Kaschk“ – der Name steht im Iranischen für eine getrocknete Joghurtmasse. Bekannt ist die angesagte Kneipe mit ihren langen Holzbänken eher als Kaffee-Bar. Tagsüber.

Abends mutiert sie zu einer Craft-Beer-Bar mit großer Auswahl, darunter auch lokale Biersorten wie das „BRLO Pale Ale“ mit sechs Prozent Alkohol, mit dem ich den Abend ausklingen lasse. Während die anderen Tour-Gäste überlegen, ob sie nicht doch noch ein Glas „Lenny’s“ ordern sollten. Denn ein Frühlingsbock passt perfekt zur Jahreszeit.

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