Wer die wichtigsten Köpfe der Uhrenindustrie in den vergangenen Jahrzehnten durchgeht, landet sofort bei seinem Namen: Jean-Claude Biver. In der Geschichte des heute 73-Jährigen reihen sich die Superlative aneinander. 1982 kaufte er mitten in der Quarzkrise die Rechte für die Marke Blancpain für 22.000 Franken, 1992 verkaufte er sie für 60 Millionen Franken an die SSIH-Group (heute Swatch Group). In seinen zehn Jahren als Chef von Omega verdreifachte er die Umsätze. Als er 2004 bei Hublot einstieg, war das eine kleine Manufaktur. Dass die heute ein Global Player ist, ist Biver zu verdanken, der 2008 nach dem Verkauf an LVMH bis 2018 an der Spitze blieb.
Danach wurde es vergleichsweise ruhig. Und so wunderte sich niemand in der Szene, als er 2022 ankündigte, eine eigene Firma zu gründen. Seine Motivation? Er hatte einen Fahrradunfall, gab er zu Protokoll, und nach drei Monaten im Krankenhaus habe er gewusst, er könne nicht mehr lange warten. Mit seinem Sohn Pierre betätigt er sich nun unter dem Namen Biver auf dem Feld der Zeitmesser mit komplizierten Funktionen in Miniserien zu Höchstpreisen. Dass er für diese schwierigste aller Herausforderungen rasch Konstrukteure und Uhrmacher gefunden hat, zeigt, wie er seine besten Leute behandelt. Sie arbeiten auf einem alten Bauernhof zwischen Lausanne und Genf.
Mondaufgang statt Zeitanzeige
Denn vor allem hat Biver dieses Charisma, das sich aus einem nie versiegenden Enthusiasmus speist. Wer ihn erlebt, weiß nie, was als Nächstes passiert – ihm gelingt es spielend, die Langsamkeit zu preisen und kurz darauf in Überlautstärke schnelle Entscheidungen zu fordern – wenn er sich nicht gerade im Boxring als „Weltmeister im Uhrenverkaufen“ inszenierte. Nun stellte er im Frühjahr mit der „Carillon Tourbillon“ eine Uhr mit dem Bauteil zum Schwerkraftausgleich und einer Minutenrepetition vor. Eine anspruchsvolle Spezialität, die manchen Experten optisch allerdings arg an Modelle von Blancpain erinnerte.
Für mehr Aufsehen sorgt das Einzelstück „Catharsis“. Sie verzichtet auf die klassische Zeitanzeige, anstelle des Zifferblatts ist im Titanium-Gehäuse ein mit 89 Saphiren ausgefasster Mondaufgang zu sehen. Wie spät es ist, erfährt der Träger nur, wenn er den Klangmechanismus betätigt – oder auf die Rückseite schaut, da gibt es immerhin einen einzelnen Stundenzeiger.
Eine Revolution ist auch dieses Modell nicht. Aber es zeigt, wie sehr der Mann, den Experten oft nur als Marketinggenie beschrieben, an der Uhrmacherkunst hängt. Und es ist ein schöner Gedanke, dass jemand, der wirtschaftliche Erfolge en masse feierte, sich nun um solche delikaten Stücke kümmert.
Anzeige
Mit WELT-Vorteil bei der Einkauf sparen: Chronext-Gutschein