Anzeige

Interview Packender Thriller zur Klima-Krise

Ökomanager des Jahres und LichtBlick-Gründer Heiko von Tschischwitz hat einen Roman zum Klimawandel geschrieben. Alle Einnahmen spendet er an „GEO schützt den Regenwald“. Wieso wechselt ein Energieexperte ins Literaturfach?
Buchautor und Pionier im Bereich erneuerbarer Energien: Vor mehr als 20 Jahren hat Heiko von Tschischwitz mit LichtBlick einen der ersten deutschen Ökostromanbieter gegründet
Buchautor und Pionier im Bereich erneuerbarer Energien: Vor mehr als 20 Jahren hat Heiko von Tschischwitz mit LichtBlick einen der ersten deutschen Ökostromanbieter gegründet
© Stephan Ziehl

GEOsdR: Am 1. September 2022 ist Ihr erster Roman erschienen: „Die Welt kippt“. Ein packender Thriller zur Klimakrise. Wie kam es dazu?

Heiko von Tschischwitz: Die Komplexität, einen Roman zu schreiben, hat mich gereizt. Ich möchte wachrütteln und die drohende Klimakatastrophe auf eine neue, spannende Art erzählen: rund um Menschen mit ganz unterschiedlichen Plänen, Wünschen und Ängsten. Ich glaube, es ist viel wirkungsvoller, Geschichten zu erzählen als noch ein Fachbuch zu schreiben.  

Interview: Packender Thriller zur Klima-Krise

Ist so ein Weckruf denn nötig? Der Klimawandel wird doch kaum noch in Frage gestellt. Und beim Pariser Klimagipfel 2015 hat die Weltgemeinschaft verkündet, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad, zu beschränken.

Ja, aber wo ist die Action? Es passiert einfach nicht genug. Das fängt bei der Politik an. Jahrzehntelang habe ich mehr erneuerbare Energien gefordert. Aber Ökostrom war zwei, drei Cent teurer als konventioneller Strom. Immer hieß es, viele Menschen könnten sich das nicht leisten. Jetzt haben wir durch den Ukraine-Krieg Energiepreise, die viel höher sind als alles, was ein frühzeitiger Umstieg auf Erneuerbare gekostet hätte. Abzuwarten war also definitiv falsch.

Der Roman spielt in der nahen Zukunft: Die Corona-Pandemie ist gerade erst vorbei, es gibt Umweltschutzaktionen, UN-Klimakonferenzen, neue Forschung. Alles dicht an der Realität. Auf düstere Katastrophenszenarien wie Extremwetter, steigende Meeresspiegel, Flüchtlingsströme verzichten Sie allerdings weitgehend. Warum?

Das sehen wir schon jeden Tag in den Nachrichten, und mir geht es nicht darum, Schrecken zu verbreiten. Ich möchte tiefer gehen und gerade dieses Schleichende, Latente in den Vordergrund rücken: Hier passiert etwas, das auf lange Sicht dramatisch wirkt. Uns fehlt das langfristige Denken. Das ist meiner Ansicht nach der Hauptgrund, warum wir nicht stärker agieren.

Im Kampf um den Klimawandel lassen Sie westliche Demokratien und das autoritäre China aufeinanderprallen. Ist die Abwendung des Weltuntergangs eine Systemfrage?

Ich möchte, dass die Leserinnen und Leser darüber nachdenken, ob unsere derzeitigen politischen Strukturen handlungsfähig genug sind. In demokratischen Systemen werden langfristige Probleme wie der Klimawandel zu wenig angepackt: Denn man müsste den Wählerinnen und Wählern heute weh tun, um mehrere Legislaturperioden später etwas Positives zu erreichen. Wir kennen das zum Beispiel schon von der Rentenreform. China bietet sich da als Gegenbeispiel an: Das Land kann viel langfristiger planen, schließlich gibt es keine Wahlen. Und es tut tatsächlich auch schon viel. China hat als einziger Staat bisher immer seine Klimaziele eingehalten, niemand baut so viele Windkraftwerke und Solaranlagen. Aber keine Sorge, ich bin kein China-Fan! Dass in China nicht alles gut oder besser ist, wird in meinem Buch auch klar.

Das heißt, wir brauchen mehr Ordnungspolitik?

Ohne die geht es nicht. Die Politik muss Vorgaben für den Klimaschutz machen. Sie könnte zum Beispiel sagen: Jeder Flieger, der in Deutschland landet, muss CO2-kompensiert werden. Aber das traut sich niemand. Obwohl Fliegen auch dann immer noch billiger wäre als vor zehn Jahren.

Eine zentrale Figur Ihres Romans ist eine radikale Klima-Aktivistin, die an die Teilnehmer*innen der „Letzten Generation“ erinnert. Was kann der einzelne Mensch überhaupt bewirken?

Jeder kann einen Beitrag leisten, übrigens auch ohne gleich Aktivist zu werden. Im Kleinen geht es um Verhaltensänderungen, die meist gar nicht wehtun, sondern sogar gesund sind: Klassiker wie mehr Fahrradfahren, weniger Fleisch essen. Im Großen geht es um den persönlichen Mindset: Wie wäre es, die Partei zu wählen, die primär der Welt am besten tut - und nicht meinem eigenen Geldbeutel?

Sie sind Experte für erneuerbare Energien. Lässt sich eine weitere Erderwärmung mithilfe technologischer Lösungen verhindern, wie viele hoffen?

Innovationen werden einen Beitrag leisten, da bin ich sicher. Die Elektromobilität ist ein gutes Beispiel. Aber technischer Fortschritt ist kein Allheilmittel. Es wird nicht reichen, unsere CO2-Emissionen zu reduzieren, wir müssen gleichzeitig möglichst viel bereits ausgestoßenes CO2 wieder aus der Atmosphäre herauszufiltern. Mit den technischen Lösungen, insbesondere CCS, also die Abscheidung von CO2 aus dem Rauchgas von Kraftwerken, habe ich mich beruflich viel auseinandergesetzt. Aufwand und Kosten sind so immens, dass sich das niemals großtechnisch durchsetzen wird. Die mit Abstand beste Lösung, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, ist der Baum. Wir müssen überall auf der Welt Wälder schützen und neu aufforsten.

Sie haben angekündigt, alle Einnahmen aus dem Buch für unser Klima-Projekt im Namen des Physik-Nobelpreisträgers Klaus Hasselmann zu spenden. Herzlichen Dank! Was ist Ihnen dabei wichtig?

Das Signal, dass sich jeder, der genug zum Leben hat, die Frage stellen sollte, ob es richtig ist, weiter in die eigene Tasche zu wirtschaften. Freunde haben mich gefragt, ob ich mich nicht über mein Versprechen ärgern könnte, wenn das Buch ein Riesenerfolg werden sollte. Nein, ganz im Gegenteil! Und konkret wünsche ich mir, dass das Projekt, das wir gemeinsam umsetzen, Erlöse für die Menschen vor Ort generiert, damit es sich irgendwann selbst wirtschaftlich tragen kann. Denn echte Nachhaltigkeit ist immer eine Kombination aus Ökologie und Ökonomie.

Mit dem Projekt lässt sich die Erderwärmung kaum aufhalten. Was müssen wir tun, um das Klima zu retten?

Wir müssen endlich verstehen, dass Klimaschutz existenziell ist und entsprechend behandelt werden muss. Warum hat er nicht den gleichen Stellenwert wie Gesundheitssystem, Polizei, Feuerwehr oder Infrastruktur? Wir alle zahlen dafür Steuern und niemand stellt infrage, ob das notwendig und sinnvoll ist. Das ganze Gerede von unzumutbarem Verzicht und nicht tragbaren finanziellen Belastungen ist doch Quatsch! Ein Staatshaushalt, der das Land am Laufen hält, kostet eben Geld. Viel Geld. Und wir haben einen Weg gefunden, bei dem sich jeder seinen Möglichkeiten entsprechend daran beteiligt. Je mehr man verdient, desto mehr Steuern zahlt man. Wieso geht das nicht auch beim Klimaschutz?

Das Interview führte Ines Possemeyer, Geschäftsführerin von GEO schützt den Regenwald e.V.

VG-Wort Pixel