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Im Tessin lockt der Frühling früh zum Wandern

Das Tessin ist der südlichste Kanton der Eidgenossenschaft. Während in den Hochlagen der Alpen noch Schnee liegt, zieht rund um den Lago Maggiore schon der Frühling ein. Und nach der Wanderung warten edle Hotels und lokale Spezialitäten.
Der Basodino-Gletscher in den südlichen Alpen Der Basodino-Gletscher in den südlichen Alpen
Der Basodino-Gletscher in den südlichen Alpen
Quelle: Getty Images

Blühende Bananenstauden mit Blick auf schneebedeckte Berge? Rund um den Lago Maggiore kommt zusammen, was nirgendwo sonst zusammengehört: Palmenhaine und Gletscher, italienische Lebensart und schweizerische Gründlichkeit, Reisfelder und Almhütten.

Das Tessin ist der südlichste Kanton der Schweiz, war früher auch der ärmste – und ist heute ein touristisches Highlight. Er gilt als Sonnenstube der Schweiz. Während anderswo noch Lawinen ins Tal donnern, kann man hier schon in kurzen Ärmeln wandern. Schneefreie Wege in den Bergen und überwältigende Blütenpracht in den Tälern machen das Tessin im Frühjahr unwiderstehlich.

Denn schon im Februar erwachen hier die Frühlingsblüten: Duftende Mimosensträucher, bunte Azaleen und Rhododendren, üppige Magnolien und die berühmten Kamelien. Allein im Park von Locarno blühen 850 verschiedene Arten. Auf den Almen leuchten Alpenglöckchen und Frühlingsenzian.

Die perfekte Mischung aus wilder und kultivierter Natur bietet das Versascatal. Ein antiker Saumpfad führt durch dichten Esskastanienwald, vorbei an pittoresken Dörfern mit kleinen Kirchen und malerischen Brücken. Gewaltige Granitbrocken dienen als Dächer für einfache Vorratshütten. Die Häuser sind ohne Mörtel aus Steinen gefügt, die Dächer mit Granitplatten gedeckt. Erste Eidechsen flitzen über die Bruchsteinmauern, die jede Lichtung in Terrassen schichten.

Der Staudamm aus „Goldeneye“

Hungeralpen, Alpi de Fame, nannte man diese steinige und steile Gegend. Die Bauern, die diesen Weg schwer beladen und krumm von der Arbeit gingen, zogen im Frühjahr aus ihren Häusern in der Talebene auf das Maiensäss – so heißen im Tessin die Almen –, wo die Tiere den Sommer über weideten. Der Hunger zwang die Menschen damals, ihre Kinder als Hilfsarbeiter nach Italien zu schicken, viele wanderten auch nach Amerika aus. Nach 1850 hatte sich die Bevölkerung des Tessins halbiert.

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Wanderer passieren mehr Ruinen als bewohnbare Häuser, immer mit Blick auf den unwirklich turmalingrünen Versasca-Fluss und auf den Staudamm, der seit dem James-Bond-Film „Goldeneye“ über die Kantonsgrenzen hinaus berühmt ist.

Der Lago di Vorgorno ist ein Stausee
Der Lago di Vorgorno ist ein Stausee
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Der Sentierone führt weiter in das verwunschene Dorf Corippo. Optisch hat sich das denkmalgeschützte Örtchen in den letzten 300 Jahren kaum verändert. Oberhalb der historischen Wassermühle schmiegen sich die steinernen Häuser an den steilen Hang. Doch jetzt ragen Kräne aus dem Dorf, das mit zehn Einwohnern die kleinste Gemeinde der Schweiz ist.

Um das urige Ensemble zu erhalten, baut eine Stiftung die ersten fünf der steingedeckten Rusticos zu schlichten Gästezimmern aus; im Juni 2021 soll ein Albergho diffuso, ein verstreutes Hotel, eröffnet werden. Als Lobby fungiert dann die Piazza vor der barocken Kirche mit ihrem Bein- und dem Amtshaus.

Im Hotel mit der Prominenz

Wer es lieber gediegen hat, steigt im „Belvedere“ ab, in dem im August wieder etliche Stars und Sternchen wohnen, sofern das legendäre Filmfestival in Locarno nicht noch abgesagt wird.

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Während das „Grand Hotel“ in Locarno unbewirtschaftet verfällt, hat sich das „Belvedere“ immer wieder neu erfunden. Vor 130 Jahren in einem Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert eingerichtet, wurde das Hotel später stetig modernisiert und erweitert. Es liegt erhöht auf halber Strecke des Pilgerwegs zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso.

Der Ort Lavertezzo an der Versasca
Der Ort Lavertezzo an der Versasca
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Heute hat das „Belvedere“ eine eigene Drahtseilbahnhaltestelle, sodass man sich für den grandiosen Blick nicht einmal anstrengen muss. Die schönste Aussicht der ganzen Wanderreise allerdings genießt man vom Hotelbett aus: Morgens, wenn die Sonne hinter den Bergen auftaucht, beginnt der Lago Maggiore zu glitzern, die ersten Boote kräuseln die Wasserfläche und die schneebedeckten Gipfel leuchten im Hintergrund.

Alain Delon, Juliette Binoche oder John Malkovich – sie alle haben schon diesen Blick genossen. Und mit Sicherheit haben sie auf der Terrasse am alten Brunnen gesessen. Das hauseigene Restaurant „La Fontana“ hat mit seinem offenen Arbeitsbereich ein lässiges Ambiente – und eine beachtliche Küche.

Nussschnaps und Höhenwege im Tessin

Überhaupt ist das Tessin ein Paradies für Gourmets. In den Grottos – ursprünglich steinerne Lagerhäuser für Käse, Wurst und Wein – gibt es die ganze Vielfalt regionaler Spezialitäten: Polenta aus gelbem, rotem oder schwarzem Mais, Pasta aus Kastanienmehl, Risotto, Wild, Seefisch und dazu weißer Merlot aus Bellinzona und danach Nocino, den berühmten Nussschnaps.

Tessin in der Schweiz: Die Kirche Santa Maria degli Angeli thront hoch über dem Lago Maggiore
Spektakulär: Die Kirche Santa Maria degli Angeli thront hoch über dem Lago Maggiore
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Die Völlerei muss man sich verdienen: Eine der schönsten Wanderungen führt vom Monte Tamaro zum Monte Lema. Eine Gondelbahn führt auf 1530 Meter Höhe zu der spektakulären Kirche Santa Maria degli Angeli, die Stararchitekt Mario Botta gebaut hat. Wie eine Festung thront das Bauwerk auf einem Bergsporn und überblickt das Tal.

Der schlichte, von Enzo Cucci ausgemalte Andachtsraum sowie die puristischen Treppen und Gänge öffnen atemberaubende Blicke. War mag, kann hier per Zipline mit 60 Stundenkilometern ins Tal sausen; auch eine Sommerrodelbahn gibt es.

Innenraum der Kapelle Santa Maria degli Angeli im Tessin, Schweiz
Schlicht, aber beeindruckend: der Innenraum der Kapelle Santa Maria degli Angeli
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Doch uns rufen die Gipfel. In großen Serpentinen geht es auf den 1960 Meter hohen Monte Tamaro und von dort weiter auf einem neun Kilometer langen Grat – es ist einer der schönsten Höhenwege der Schweiz: Im Norden der Lago Maggiore, im Süden der Luganer See; auch Matterhorn und Monte-Rosa-Massiv sind gut zu sehen. Der Weg ist zwar nicht sehr schwer, aber er zieht sich. Nimmt man auch noch den Monte Gradiccioli mit, streckt sich der Fußmarsch auf fünf Stunden, bis man schließlich mit der Gondel vom Monte Lema wieder ins Tal schaukelt.

Bedrohte Gletscher in den Alpen

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Muskelschonender ist ein Gang durch die Kantonshauptstadt Bellinzona. An Markttagen bieten weit über 100 Bauern aus der Umgebung ihre Waren an; die meisten sind Kleinproduzenten, die ein bis drei Käsesorten von ihrer Alm verkaufen. Es gibt auch Würste, Gemüse, Mais- und Maroni-Produkte, Honig und das knusprige Tessiner Brot.

Die mittelalterliche Stadtbefestigung aus drei trutzigen Burgen und stolzer Wehranlage gehört zum Weltkulturerbe. Der ausgeschilderte Rundgang durch Bellinzona und auf die Burgen dauert drei Stunden und endet schließlich hoch auf dem Castelgrande, von dem sich ein weiter Blick über das Tal bietet.

Fernblick auf den Gletscher
Fernblick auf den Gletscher
Quelle: Getty Images

Wie kaum eine andere Region bietet das Tessin traumhafte Wanderungen für jeden Anspruch – von leichten Spaziergängen durch Blumenwiesen, über mittelschwere Aufstiege zu Bergseen und Burgen bis hin zu harten Gipfeltouren durch schroffe Einsamkeit und auf eisigen Höhenwegen.

Apropos: Wer Gletscher sehen möchte, solange es denn noch welche gibt, fährt das Maggiatal hinauf und nimmt die Seilbahn nach Robiei. Sie endet an der Staumauer des Zöttsees, von wo der Gletscherpfad zum Fuß des zwei Quadratkilometer großen Basòdino-Gletschers führt. Die Kanten des Gletscher sind 15 Meter hoch; im oberen Teil ist das Eis 40 Meter mächtig. Umweltschützer warnen, dass schon in wenigen Jahrzehnten nur noch wenige Eisreste auf den höheren Kämmen übrig sein könnten.

Das alte Kastell ist jetzt ein Hotel

Das vorgelagerte Auengebiet ist ein einzigartiges Ökosystem. Mit etwas Glück sieht man hier Gämsen, Murmeltiere und Steinböcke. Schon jetzt trägt der Maggia-Fluss immer mehr Schmelzwasser ins Tal.

Auf dem Schwemmkegel, den der Maggia in den Lago Maggiore gespült hat, entstand im Mittelalter zwischen den ehemaligen Fischerdörfchen Locarno und Ascona ein Kastell; dort fanden während der Religionskriege verfolgte Protestanten Zuflucht. In den 1940er-Jahren kaufte der Züricher Industrielle und Kunstsammler Emil Georg Bührle die kleine Trutzburg.

Hoch hinaus – beim Wandern bieten sich spektakuläre Ausblicke
Hoch hinaus – beim Wandern bieten sich spektakuläre Ausblicke
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Heute ist das Castello del Sole ein luxuriöses Fünf-Sterne-Resort mit eigenem Strand, eleganten Suiten, einem weitläufigen Spa und sensationeller Küche. Zum Hotel gehört ein Gutshof, „Terreni alla Maggia“, der mit 130.000 Hektar Nutzfläche der größte landwirtschaftliche Betrieb im Tessin ist.

Hier wird Wein angebaut, Reis für Risotto und Reisbier, Hartweizen für Pasta, Mais für Polenta und für glutenintolerante Hotelgäste sogar Quinoa. Die Rohstoffe für den hauseigenen Gin, Wacholder und Yuzu-Zitronen, wachsen im weitläufigen Park des Hotels, ebenso Pfirsiche, Birnen, Äpfel und 25 Sorten Zitrusfrüchte; sie werden wie das selbst gezogene Gemüse von Sternekoch Mattias Roock in der „Locanda Barbarossa“ zu delikaten Menüs verarbeitet.

Inseln wie im Dschungel

Ob all dieser schweizerischen Perfektion frohlockt man geradezu, als das Linienschiff im Hafen von Ascona mit ordentlich Verspätung anlegt. Dann aber, beim näheren Hinsehen erkannt man – das Boot heißt „Milano“ und fährt unter italienischer Flagge!

Ziel der kleinen Schiffsreise sind die Brissago-Inseln; die größere der beiden beherbergt einen botanischen Garten mit amerikanischen Amberbäumen und Sumpfzypressen, Agapanthus und Agaven. Die Fülle an exotischen Pflanzen ist so groß, dass es mitunter schwerfällt, die Namensschilder richtig zuzuordnen, stellenweise wähnt man sich im Dschungel.

Doch spätestens auf der Restaurant-Terrasse der klassizistischen Villa, die einmal dem Hamburger Kaufhauskönig Max Emden gehörte, ist das Ambiente wieder klar mitteleuropäisch; Zeit das alpine Bergpanorama zu genießen.

Quelle: Getty; Infografik WELT

Tipps und Informationen

Anreise Zum Beispiel mit Swiss (swiss.com) direkt von Berlin, Hamburg, Hannover, Nürnberg und München nach Locarno. Alternativ kann man aus Süddeutschland mit der Bahn anreisen (bahn.de), etwa mit dem Eurocity-Express von München nach Zürich, von dort aus ist man in zweieinhalb Stunden in Locarno, Ascona oder Bellinzona. Der gute öffentliche Nahverkehr im Tessin erleichtert den Verzicht auf das Auto, zumal Hotelgäste mit dem „Ticino-Ticket“ kostenlose Mobilität vor Ort nutzen können; die Bergbahnen geben auf das Ticket Ermäßigungen.

Corona-Lage Deutsche Staatsangehörige können derzeit grundsätzlich in die Schweiz einreisen. Nur Thüringen wird von der Schweiz als Risikogebiet einstuft, von dort in die Alpenrepublik einreisende Deutsche müssen in eine zehntägige Quarantäne.

Unterkunft Das Traditionshotel „Belvedere“ thront erhöht an einem Hang; alle Zimmer und Suiten bieten Ausblick auf den Lago Maggiore, Locarno und die umliegenden Berge, DZ ab 270 Euro (belvedere-locarno.com). Das „Castello del Sole“ liegt etwas außerhalb Asconas und punktet mit dem größten Hotelpark des Tessins, eigenem Privatstrand, Sternerestaurant (17 Gault-Millau-Punkte, ein Michelin-Stern), Wellnessoase und sechs Tennisplätzen, DZ ab 486 Euro (castellodelsole.com). Das im Text erwähnte „Hoteldorf Corippo“ eröffnet aller Voraussicht nach im Juni 2021. Die Website informiert über den Projektstand (fondazionecorippo.ch/de).

Trekkingtouren Sentiero Verzasca ist mit 8,2 Kilometer Länge eine leichte Tour; sie führt durch viele Dörfer und Kastanienwälder, während der etwa dreistündigen Wanderung bieten sich immer wieder Ausblicke auf den Fluss Verzasca. Von Locarno bringt der Bus 312 Wanderer nach Mergoscia, dort ist der Weg durchs Tal ausgeschildert. Im Lavertezzo, an der berühmten Bogenbrücke, ist eine traumhafte Badestelle und ein typischer „ Grotto“. Vor der Kirche hält der Bus 312 und fährt Wanderer zurück nach Locarno.

Die Gratwanderung vom Monte Tamaro zum Monte Lema ist knapp 12 Kilometer lang und führt 800 Meter zum Teil steil bergauf und 781 Meter wieder herunter. Der Weg ist nicht schwer, erfordert aber Ausdauer und eine gut gefüllte Provianttasche – zwischendurch gibt es keine Hütte. Der Ausblick ist durchgehend sensationell, es kann aber sehr windig und kalt sein. Mit der Gondelkarte kauft man auch gleich das Ticket für den Busshuttle zurück vom Monte Lema.

Der Gletscherpfad Basodino ist ein Rundwanderweg von 8,5 Kilometern, der sich in gut 4,5 Stunden bewältigen lässt. Schon die 30 Kilometer lange Bus-Anreise von Locarno durch das Tal des Maggia zur Seilbahn von Robiei ist ein Erlebnis. Um den gestauten Zöttsee geht es dann zum Gletscher.

Auskunft www.ticino.ch; www.myswitzerland.com

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Schweiz Tourismus. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

Reisende dürfen nur noch mit negativem Test nach Deutschland

Nun gilt eine Corona-Testpflicht für Reisende nach Deutschland. Das bedeutet: Nur wer ein negatives Ergebnis vorlegt, darf einreisen. Doch diesen Test zu bekommen ist alles andere als einfach. Manch einer muss dafür sogar einen Urlaubstag opfern.

Quelle: WELT/ Alina Quast

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