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Ausland EU-Personalien

Giorgia Meloni und der hohe Preis für den Coup einer Männerrunde

EU-Korrespondent in Brüssel
EU-Personalien – „Meloni äußerte ihren Unmut darüber, dass das im Hinterzimmer ausgetragen wurde“

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kritisiert die Einigung einiger Regierungs- und Staatschefs auf ein neues EU-Personalpaket scharf. Die EU an sich nennt sie einen bürokratischen Riesen. WELT-Reporter Marco Reinke berichtet aus Brüssel.

Quelle: WELT TV

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Eine kleine Gruppe Staats- und Regierungschefs hat die Top-Personalien der EU verhandelt – darunter eine weitere Amtszeit für Ursula von der Leyen. Leer ging die Fraktion um Italiens Premierministerin Meloni aus. Sie darf dafür auf Zugeständnisse bei einem zentralen Thema hoffen.
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Die Entscheidung fiel im Verborgenen. In E-Mails, Textnachrichten und Videotelefonaten. Und nach weitgehend ungeschriebenen Regeln. Diese Woche verteilten sechs Politiker die wichtigsten Posten der EU: Ursula von der Leyen soll erneut Kommissionschefin werden, die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas oberste Diplomatin, der frühere portugiesische Premier António Costa Ratsvorsitzender. Costa würde dann künftig die EU-Gipfel in Brüssel leiten.

Bei einem solchen Gipfel – noch unter Führung des Belgiers Charles Michel – sollen die europäischen Staats- und Regierungschefs am heutigen Donnerstag die drei Namen bestätigen. So zumindest stellen sich das die Verhandler vor. Es sind Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der polnische Premier Donald Tusk, Spaniens Premier Pedro Sánchez, der Niederländische Regierungschef Mark Rutte und der Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis. Die drei großen Parlamentsgruppe haben je zwei Verhandler bestimmt: die Konservativen, die Sozialdemokraten, die Liberalen.

Italiens Ministerpräsidentin Meloni
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni
Quelle: dpa/Vannicelli

Eine kleine Männerrunde besetzt in geheimen Gesprächen hohe europäische Posten – der Prozess klingt wenig demokratisch. Das letzte Wort hat formal aber das EU-Parlament. Als wichtigste Personalie gilt von der Leyen, denn ihre Behörde, die Kommission, schlägt neue Gesetze vor und überwacht die Einhaltung der europäischen Verträge. Dass sie im Amt bleibt, ist nicht sicher, trotz der Einigung der Männerrunde. „Von der Leyens größter Test steht noch bevor“, sagt Michael Bloss, ein Abgeordneter der Grünen. Mitte Juli soll das Parlament abstimmen.

Die Deutsche benötigt die Unterstützung von 361 der 720 Abgeordneten. Bisher arbeitete ihre christdemokratische EVP mit der sozialdemokratischen S&D und der liberalen Renew-Fraktion zusammen. Gemeinsam kommen die Fraktionen auf rund 400 Stimmen. Aber nicht alle Abgeordnete des Dreier-Bündnisses dürften von der Leyen im Juli wählen. Deshalb wird sie noch eine andere Gruppe umwerben müssen: entweder die Grünen oder die rechte EKR-Fraktion.

Erstere bieten von der Leyen bereits ihre Unterstützung an. Sie freuen sich über all die Umweltgesetze, die die Kommissionschefin in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht hat, seien es Vorschriften zum Schutz von Wäldern, Regeln zum Ausstoß von Kohlendioxid oder die umstrittene Lieferkettenrichtlinie.

Doch sie warnen auch: Von der Leyen müsse sich für sie entscheiden und dürfe nicht mit der EKR reden. Ähnlich äußern sich die Sozialdemokraten. „Es darf keine politischen Zugeständnisse an die Rechtsradikalen geben“, sagt der SPD-Europaabgeordnete René Repasi. „Das ist unsere rote Linie.“

Grüne gelten als unzuverlässig

Durch eine Allianz mit den Grünen könne von der Leyen vielleicht 20 Stimmen hinzugewinnen, sagt ein Insider. Allerdings würden ungefähr 70 Abgeordnete in der EVP aus Protest ausscheren. Zudem hält die EVP die Grünen für unzuverlässig. Tatsächlich stimmten sie 2019 gegen von der Leyen als Kommissionspräsidentin – obwohl die CDU-Politikerin ihnen damals den Green Deal versprochen hatte, die ambitionierteste Klimapolitik der Welt.

Die zweite Option ist eine Zusammenarbeit mit der EKR-Fraktion, in der unter anderem die rechte italienische Partei Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die Schwedendemokraten und die spanische Vox Mitglied beheimatet sind. Bei der Europawahl hat die Fraktion vor allem dank des Erfolges von Meloni in Italien einen Zuwachs zu verbuchen.

Damit ist die EKR-Fraktion nun die drittstärkste Kraft im EU-Parlament. Dennoch wurde sie bei der Verteilung der Spitzenposten nicht berücksichtigt. Meloni bezeichnete die Einigung als „Kamingespräch“ einer kleinen Gruppe von Politikern. Renew, viertstärkste Kraft, dürfte sich mit Kallas dagegen Europas Chef-Diplomatin stellen. Um eine stabile Mehrheit zu erreichen, müsste die politische Mitte deshalb inhaltlich auf die EKR zugehen.

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Meloni und ihre Abgeordneten wollen zum Beispiel härter gegen illegale Migration vorgehen. Sie fordern einen Ausbau der „Grenz-Infrastruktur“ – was viele in Brüssel als Codewort für eine Mauer verstehen, wie sie der ehemalige amerikanische Präsident Donald Trump erträumt hatte. Zudem möchten sie möglichst alle Asylverfahren außerhalb der EU abwickeln. Einige Rechtspopulisten denken sogar an Seeblockaden. Europäische Kriegsschiffe sollen Migranten von der Fahrt übers Mittelmeer abhalten. Natürlich ginge so etwas für von der Leyen zu weit.

Zudem will die EKR – und Teile der EVP – die Klimapolitik der Kommission abschwächen. Vor allem das beschlossene Ende für Autos mit Verbrennungsmotor stünde dann zur Disposition. Auch die Umweltauflagen, die Landwirte und Unternehmen in Europa erfüllen müssen, könnten gelockert werden. Der Green Deal, von der Leyens politisches Vermächtnis, geriete damit in Gefahr.

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Doch zunächst muss Meloni am Donnerstag in Brüssel die drei Namen für die EU-Spitzenposten – von der Leyen, Kallas, Costa – abnicken. Die anderen Staats- und Regierungschefs könnten die Italienerin theoretisch überstimmen. Aber das, sagen Diplomaten, dürfte Rom verprellen und die Zusammenarbeit künftig deutlich erschweren. Ein solches Szenario gelte es unbedingt zu vermeiden, schließlich werde man später, bei Entscheidungen, die einstimmig fallen müssten, noch auf Meloni angewiesen sein.

Die Personalien sollten eigentlich schon bei einem Gipfel in der vergangenen Woche beschlossen werden. Doch die nächtlichen Verhandlungen scheiterten – unter anderem an Meloni. Sie fühlte sich ausgegrenzt und verweigerte deshalb ihre Zustimmung, wie aus EU-Kreisen zu hören ist. Meloni selbst nannte es nach dem Treffen „surreal“, dass man zunächst Posten vergeben und erst danach die künftigen politischen Ziele der EU habe diskutieren wollen.

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Nun geschah genau das erneut. Bei den Verhandlungen um das Spitzenpersonal war Meloni wieder nicht dabei. Scholz, Macron, Tusk, Sánchez, Rutte und Mitsotakis schlossen sie aus. Lässt Meloni nun den Gipfel am Donnerstag platzen? Wahrscheinlich nicht. Aber ihre Unterstützung für von der Leyen, Kallas und Costa dürfte etwas kosten. Konkret: einen EU-Kommissar für ihr Land mit einem wichtigen Portfolio – zum Beispiel Migration.

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