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Film Zum Tod von Donald Sutherland

Am Ende bekam er wenigstens den Ehren-Oscar

Filmredakteur
Donald Sutherland mit 88 Jahren gestorben

Der kanadische Schauspieler Donald Sutherland ist im Alter von 88 Jahren in Miami gestorben. Sein Sohn Kiefer Sutherland sagte über den Hollywood-Star: „Er liebte, was er tat, und tat, was er liebte. Mehr kann man nicht verlangen.“

Quelle: WELT TV

Autoplay
Mit dem stechenden Blick und der ungewöhnlichen Physiognomie war Donald Sutherland nicht der typische Filmstar. Und wurde doch zu einem der größten – in Meisterwerken wie „Die Nadel“, „Klute“ oder „Die Körperfresser kommen“. Eine Verbeugung.
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Man schrieb den Herbst 1969. Präsident Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger ließ die Möglichkeit eines Atombombenabwurfs im Vietnamkrieg prüfen, Willy Brandt wurde zum Bundeskanzler gewählt, und in Jugoslawien drehte ein junger Schauspieler namens Donald Sutherland die Militärklamotte „Stoßtrupp Gold“. Eines Tages zog ihn der Star Clint Eastwood zur Seite. „Ich habe eine schlechte Nachricht für dich“, begann er. „Deine Frau Shirley ist in Beverly Hills verhaftet worden, als sie Handgranaten für die Schwarzen Panther von einem verdeckten Ermittler des FBI kaufen wollte.“

Was die Schauspielerin Shirley Douglas (Mutter des gemeinsamen Sohnes Kiefer) getan hatte, war nicht normal, erstaunte jedoch auch nicht wirklich. So waren die Zeiten damals, Aufruhr allenthalben, wider Vietnam, den Rassismus, das Establishment. Howard Levy, ein Arzt, der sich geweigert hatte, Green-Beret-Sanitäter auszubilden, fand es empörend, dass der Komiker Bob Hope in Asien von US-Basis zu US-Basis zog, um die Kampfkraft der GIs mit seinen zotigen Witzen zu stärken. Dem müsse ein Korrektiv entgegengesetzt werden.

Levy kannte Jane Fonda, seit ihrer Rolle als Weltraum-„Barbarella“ der heißeste Star auf dem Planeten, und gemeinsam heckten sie eine Anti-Hope-Tournee aus, eine Tour der Truppenstandorte von Hawaii über die Philippinen bis nach Japan mit satirischen Sketchen und Liedern. Natürlich waren sie auf den Basen nicht willkommen und mussten auf Cafés oder Theater ausweichen. Mehr als 60.000 Soldaten besuchten die Shows, von denen die meisten allerdings gehofft haben dürften, Barbarella wieder im Orgasmotron zu erleben, nicht als Agitatorin mit erhobener Faust.

„Wenn die Gondeln Trauer tragen“: Donald Sutherland in Nicolas Roegs Film
„Wenn die Gondeln Trauer tragen“: Donald Sutherland in Nicolas Roegs berühmtem Film
Quelle: picture alliance/United Archives

Zu der Sketch-Truppe gehörte auch Donald Sutherland, der gerade mit Fonda den Thriller „Klute“ gedreht hatte, bei dem die beiden eine Affäre miteinander begannen (obwohl Sutherland mit seinem stechenden Blick und den langen Zähnen und dem fiesen Grinsen kein schöner Mann war und obwohl Fonda mit dem „Barbarella“-Regisseur Roger Vadim verheiratet war).

Auch die Sketche der Show waren wenig subtil, sie spießten den unpopulären Krieg und die unpopulären Vorgesetzten auf. In einem teilt ein Sergeant (der Schauspieler Michael Alaimo) einem Rekruten (Sutherland) mit, er werde sich einen Leibwächter mieten. „Aber wofür brauchen Sie einen Leibwächter?“, entgegnet der GI. „Sie sind doch von 200 bewaffneten Männern umgeben!“ Antwortet der Sergeant: „Genau deshalb.“

Es gibt eine Filmdokumentation über die Tour namens „F.T.A.“, eine Abkürzung, die damals überall auf Kasernenwände gesprüht war. Was die Buchstaben wohl bedeuten könnten, wundert sich ein Sketch in dem Film, „Free The Antarcticans“ oder „Free The Army“? Unweigerlich lieferte das Soldatenpublikum der Shows selbst die Antwort: „Fuck the Army!“

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Sutherland erlangte damals gerade selbst Berühmtheit, als Armeechirurg Hawkeye in der Militärsatire „M.A.S.H“, immer gut versorgt mit frischem Blut von der drei Kilometer nahen Front in Korea, dem vorhergegangenen großen amerikanischen Krieg. Der Regisseur Robert Altman war ein Vietnamkriegsgegner und Elliott Gould und Tom Skerritt und eigentlich alle Beteiligten (außer dem libertären Robert Duvall) und gewiss auch Donald Sutherland.

Von „M.A.S.H.“ bis „Hunger Games“

Natürlich war „M.A.S.H.“ eine Allegorie auf den aktuellen Krieg in Vietnam. 40 Jahre später, als Sutherland das Drehbuch zu dem „Tribute von Panem“-Film geschickt bekam, schrieb er einen Brief an den Regisseur. „Ich legte ihm dar“, erzählte Sutherland in einem WELT-Interview, „dass für mich diese Geschichte eine Allegorie für die Vereinigten Staaten sei. Die Hunger Games waren für mich ein Ersatz für die Wehrpflicht, gegen die wir damals gekämpft haben.“ In vier Filmen verkörperte er den Präsidenten Coriolanus Shaw.

Sutherland war als kanadischer Staatsbürger davor gefeit, nach Vietnam eingezogen zu werden. Das bremste sein Engagement nicht. Zum Beispiel lehnte er es ab, in gewalttätigen Filmen mitzuwirken. Dies kostete ihn die Hauptrolle in „Beim Sterben ist jeder der Erste“; was hätte er wohl aus dem Part gemacht, der dann an Burt Reynolds ging. Das hinderte ihn nicht daran, den mörderischen faschistischen Aufseher in Bernardo Bertoluccis „1900“-Epos zu spielen; immerhin, erzählte er Jahre später, habe er sich den Film lange Jahre nicht ansehen können.

Donald Sutherland in „Invasion of the Body Snatchers“
Donald Sutherland in „Invasion of the Body Snatchers“
Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
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Zu dieser Zeit war Sutherland längst ein internationaler Star, was sich auch an einem hartnäckigen Gerücht festmachen lässt. In dem übersinnlichen Venedig-Horrorfilm „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ – inzwischen längst Kult – spielten Julie Christie und er eine Bettszene. Als der Chefredakteur des Fachblatts „Variety“ vier Jahrzehnte danach behauptete, er sei dabei gewesen und man sehe echten Sex, sah sich Sutherland zu einem offiziellen Dementi veranlasst: „Nichts wahr. Nichts davon. Kein Sex. Er war nicht anwesend. Vom Anfang bis zum Ende waren nur vier Leute in dem Raum: der Regisseur, der Kameramann, Julie Christie und ich. Niemand sonst.“

Sieht man sich die Filmliste von Donald Sutherland an, bekommt man Lust darauf, einen Sutherland-Filmmonat zu veranstalten. Das heißt: Ein Monat würde bei Weitem nicht ausreichen für die genau 200 Filme, die er in 62 Leinwandjahren akkumuliert hat. Was war er nicht alles: General, Prinz, Priester, Richter, Herzchirurg, Professor, Botschafter; außerdem Casanova, Gauguin, J. Paul Getty und Homer Simpson (sein Rollenname als verklemmter Buchhalter in „Der Tag der Heuschrecke“, die Inspiration für Matt Groening, zehn Jahre, bevor Homer in Springfield auftauchte).

„Kennen Sie Fanon?“

Dieser eigenwillige Einzelgänger, der in seinen Filmen häufig versucht, an der ihn umgebenden verrückten Welt nicht irre zu werden – wie viel gäbe es da neu oder wieder zu entdecken: seinen eiskalten Killer in „Die Nadel“, den Haschisch rauchenden Professor in „Ich glaub‘, mich tritt ein Pferd“, den vom Tod seines Sohnes erschütterten Vater in „Eine ganz normale Familie“, den inhaftierten Pyromanen in „Backdraft“, den mysteriösen Informanten in „JFK“, eine Mark-Zuckerberg-Figur vor Zuckerberg in „Enthüllung“, seinen Mr. Bennet in „Stolz und Vorurteil“, den Psychiater Wilhelm Reich in dem Kate Bush-Video „Cloudbusting“.

Dies war zwar „nur“ ein Musikvideo, lag ihm aber am Herzen. Sutherland besaß ein enzyklopädisches Wissen und ein exzellentes Gedächtnis. Er kam im WELT-Interview von selbst auf Reich zu sprechen:

„Ich habe das Kommunistische Manifest gelesen und Maos Rotes Buch. Und Frantz Fanon. Kennen Sie Fanon?“

„Den Theoretiker der Entkolonialisierung?“

„Ja, der. Ich habe auch Wilhelm Reichs ,Massenpsychologie des Faschismus‘ gelesen“, fuhr Sutherland fort. „Panem ist kein speziell faschistischer Staat, aber es geht um Hegemonie, um eine Vereinigung der reichsten Menschen, welche Regierung und Gerichte unter Kontrolle halten: Genau das geschieht momentan in den Vereinigten Staaten.“

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„Woran machen Sie das fest?“

„Ein Prozent der US-Bürger besitzt mehr Reichtümer als die unteren 90 Prozent zusammen. Die sechs Walmart-Erben besitzen mehr als die unteren 41 Prozent der Bevölkerung. Jeder der sechs größten Hedgefonds-Manager hat 2013 mehr als zwei Milliarden Dollar verdient.“ Ein Wirtschafts-Professor hätte seine Zahlen nicht konziser parat haben können, und wir schreiben das Jahr 2014, in dem von dem anderen Donald noch gar nicht die Rede ist.

Nie den Oscar bekommen

Für den Fortbestand der Kinodynastie Sutherland, das nur nebenbei, hat er Vorsorge getroffen, mit vier Söhnen: Kiefer (benannt nach Warren Kiefer, dem Regisseur seines ersten Spielfilms „Das Schloss der lebenden Toten“), dem Filmagenten Roeg (nach Nicolas Roeg, dem Regisseur von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“), dem Schauspieler Rossif (Namenspate ist der französische Dokumentarist Frédéric Rossif, den Sutherland bewunderte) sowie der Schauspieler Angus Redford (der seinen Namen Robert Redford verdankt, mit dem Sutherland „Eine ganz normale Familie“ drehte, eine von dem halben Dutzend Rollen, für die er den Oscar verdient hätte). Bekommen hat er ihn nie, nicht einmal eine Nominierung. Nur vor sieben Jahren den Ehren-Oscar, den Trostpreis für lange schändlich Übersehene. Im Alter von 88 Jahren ist der große Donald Sutherland jetzt in Miami gestorben.

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