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Kultur Pia Hierzegger

Wenn Frauen im Krimi über ihre Menopause reden

Redakteur Feuilleton
Kommt aus Klagenfurt ins finstere Tal: Pia Hierzegger als Oberinspektorin Acham in "Waidmannsdank" Kommt aus Klagenfurt ins finstere Tal: Pia Hierzegger als Oberinspektorin Acham in "Waidmannsdank"
Kommt aus Klagenfurt ins finstere Tal: Pia Hierzegger als Oberinspektorin Acham in "Waidmannsdank"
Quelle: ORF / ZDF / Helga Rader
Als Schauspielerin Pia Hierzegger ist österreichische Meisterin im Minimalismus. Für den „Landkrimi“ hat sie das Drehbuch einer „b’soffnen G’schicht“ geschrieben. In der entfesselt sie eine Art Endkampf des Alpenmachismo. Dabei, sagt sie, hat sie gar keine kriminelle Energie.

Es existiert kein Einreiseverbot nach Obervellach für Pia Hierzegger. Sagt Pia Hierzegger. Obervellach ist ein staatlich anerkannter Luftkurort in Kärnten – 2.200 Einwohner, eigentlich idyllisch im Mölltal an den Fuß der Hohen Tauern gekuschelt. Pia Hierzegger ist preisgekrönte Schauspielerin, Regisseurin, Drehbuchautorin.

Und sie hat in „Waidmannsdank“, dem erfolgreichsten aller bisher 19 Folgen der vom ZDF ko-produzierten „Landkrimi“-Reihe des ORF, nicht nur die Hauptrolle einer aufs Dorf verschickten LKA-Kommissarin gespielt, sie hat „Waidmannsdank“ auch geschrieben – Obervellach ist da ein im permanenten Saisonende gefangener Ort, der ohne Alkohol und dem dort anscheinend nicht seltenen Genuss von Haschkeksen nur schwer zu ertragen ist.

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Eigentlich, lässt Hierzegger in „Waidmannsdank�� die Dorfpolizistin Martina Schober darin sagen, sind sie alle ganz nett in Obervellach. Die Strecke, die am Ende verblasen werden könnte, um in der Jagdsprache zu bleiben, sagt etwas anderes. Eine Art Endkampf des alpinen Machismo hat stattgefunden. Es ging um alte (Liebes-)Rechnungen, Väter und Söhne, Korruption, Landflucht, Wilderei. Vier Männer liegen am Ende in ihrem Blut, alle sind sie nicht sehr geplant gestorben.

Was ausgesprochen nicht daran liegt, dass Pia Hierzegger, sagt sie selbst, jegliche kriminelle Energie abgeht. Wenn sie sich, sagt sie, Verbrechen ausdenkt und ihren Freunden davon erzählt, schauen die immer so traurig.

Bekam 2020 den Österreichischen Filmpreis: Pia Hierzegger
Bekam 2020 den Österreichischen Filmpreis: Pia Hierzegger
Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress

Das große Blutvergießen von Obervellach hat sie übernommen aus Alexandra Bleyer gleichnamigem Roman. Da steht eigentlich schon alles drin. Und Pia Hierzegger könnte jede Schuld von sich weisen am jägergrünen Abbild der Obervellacher Dorfgemeinschaft im finsteren Tal, um das herum die Gegenwart samt ihrer Innovationszüge augenscheinlich seit mindestens dreißig Jahren einen weiten Bogen gemacht haben.

Tut sie aber nicht. Sie hat „Waidmannsdank“ lange mit sich herumgetragen. Der Film – abgedreht im Herbst 2019 – hat eine fast fünfjährige Geschichte. Es war ihre erste Literaturverdrehbuchung. Sie musste Bleyers Buch für den Film und für sich erstmal knacken, sagt sie. Hat lange gedauert.

Sie hat Figuren umbesetzt, die Kommissarin, die sie spielt, war ursprünglich ein dauerknarzender älterer Herr. Überhaupt hat sie eigentlich erst die Geschlechterschlucht eröffnet, die sich in „Waidmannsdank“ auftut.

Drehbuchschreiben ist wie Schnapsbrennen

Zwischen den entsetzlich traurigen, saufenden, prügelnden, jagenden Kerlen und den Frauen von Obervellach, die dem Treiben erschüttert zusehen, alles Zickenkriegerische überwinden, sich näher kommen, sich als krisenfester, lebendiger, lebensfähiger erweisen als die Männer. Und sie tauschen sich – ein Höhepunkt dieses Fernsehjahres – über die Folgen ihrer Menopause aus.

Pia Hierzegger hat verdichtet, hat die Geschichte reduziert, zugespitzt. Man muss sich, sagt sie, die Arbeit am Buch vorstellen wie das Schnapsbrennen. Am Ende ist ein erstklassiger Heimatkrimi-Brand herausgekommen, der ohne Bitterstoffe der Heimeligkeit, der Heimattümelei auskommt und über eine herrliche Restsüße von Humor verfügt. Ein aus regionalen Ingredienzen hergestellter Hochprozenter mit hoher Allgemeingültigkeit.

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Sie glaube nämlich nicht, sagt Pia Hierzegger, die zwar Städterin ist, das Kärntner Landleben aber kennt, weil ihr Vater von dort stammt und sie seit ihrer Kindheit viele ihrer Ferien dort verbracht hat, dass es anderswo in Österreich sehr anders sei.

Auch im wahren Leben ein Paar: Pia Hierzegger (r.) und Josef Hader in Haders Film "Wilde Maus"
Auch im wahren Leben ein Paar: Pia Hierzegger (r.) und Josef Hader in Haders Film "Wilde Maus"
Quelle: Wega Film / Majestic

So eine „b’soffene G’schicht“, wie einer mal in „Waidmannsdank“ die angehend tödlichen Eskalationen vom Rand des Nationalparks Hohe Tauern in Heinz-Christian-Strachescher Manier nennt, geht immer noch auf Ibiza und in ganz Österreich. Und darüber hinaus. Eigentlich Obervellach ist überall.

Das heißt. Die Berge sind es natürlich nicht. Die haben sich als ziemlich hartnäckig erwiesen. Aller drohender Bergdoktorkitschhaftigkeit hatten sie sich eigentlich dadurch entziehen wollen, dass sie die Dreharbeiten ans Ende des Oktobers verlegten. Erdig sollte das aussehen, dunkel.

Dann kam der schönste Herbst seit Menschengedenken über das Tal. Man kann es sich nicht aussuchen. „Waidmannsdank“ hat es trotzdem nicht geschadet. Die Berge überm Nebelmeer sind herrlich. Was sich in den klandestinen Kammern der Kerle abspielt, ist den Gipfeln sehr egal. „Waidmannsdank“ ist auch fast ein Abgesang auf den Alpinwestern.

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Anderthalb Jahre sind seit der letzten Klappe von „Waidmannsdank“ vergangen. Ihren Film jetzt zu sehen, sagt Pia Hierzegger, ist ein bisschen wie Kinderfotos schauen nach dem Erwachsenwerden.

Früher, sagt die Lebenspartnerin des Kabarettisten Josef Hader, die seit 1993 am Grazer Off-Theater im Bahnhof spielt und inszeniert, war man sich halt sicher, hat geglaubt zu wissen, was kommt, wie was abläuft. Jugendliche Naivität fast. Die Sicherheit hat man jetzt nicht mehr. Man kann nichts planen. Man weiß nicht, wie’s kommt.

Das wusste man vorher eigentlich auch nicht. Hat es nur geglaubt. Die Pandemie hat wie ein Mikroskop gewirkt. Beim Blick auf die Gesellschaft im Allgemeinen. Und auf die Kultur im Besonderen, auf die prekären Verhältnisse gerade unsubventionierter, freier Künstler*Innen, deren Lage, sagt Hierzegger, eigentlich immer schon unangenehm war, jetzt aber drohte unerträglich zu werden.

Es muss sich in der Kultur etwas ändern

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Immerhin hätten sie, sagt Hierzegger, in Österreich in Andrea Mayer eine Kulturstaatssekretärin, die verstanden habe, die Strukturen kennt und die Lage der Kulturschaffenden. Ob sich, was nötig wäre, etwas ändert, hänge jetzt wie immer vom Geld ab.

Sie selbst hat die anderthalb Jahre weitgehend unbeschadet überstanden. Sie – sie pendelt zwischen Wien und Graz – hat viel geschrieben. Ein bisschen was ging auch am Grazer Theater. Am Anfang, im ersten Lockdown, waren sie in Kurzarbeit. Später haben sie einige Streaming-Produktionen gestemmt, in der Lockdown-Pause im September haben sie kurz regulär gespielt.

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Die Unzufriedenheit damit, sagt sie, dass in der Pandemie die Kultur immer als erstes zu und als letztes aufgesperrt wurde, ist zwar groß unter ihren Kolleg*innen. Aber es gebe auch viel Verständnis dafür, dass zum Schutz der Zuschauer*innen Theateraufführungen abgesagt werden. Das müsse halt erklärt und den Kulturschaffenden im Fall von Schließungen und Absagen geholfen werden.

Gedreht hat die Meisterin des mimischen Minimalismus wenig. 2020 gar nichts, was nur bedingt an Corona lag. Gerade hat sie zwei Kinofilme in den Kasten bekommen. War ein bisschen seltsam, die Arbeit unter Coronabedingungen, mehr oder weniger abgeschottet, dauergetestet, umgeben von Leuten mit Maske dazu stehen und zu spielen. Glich noch mehr als vorher einem Abtauchen in eine fast absurde, andere Realität, außerhalb der Zeit.

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Die Wahrnehmung verändert sich, man schaut anders auf die Welt. Auf das, was man im Fernsehen sieht. Pia Hierzegger ertappt sich immer wieder dabei, wie sie erschrickt darüber, dass da im Film Menschen zu nah beieinander stehen. Und ohne Maske. Und will sie warnen.

Das wird sich legen. Man wird weiter drehen. Vielleicht – die Ahnung eines Cliffhangers gibt es am Ende von „Waidmannsdank“ – auch wieder in Obervellach. Das ist noch nicht auserzählt. Und ein Einreiseverbot existiert ja nicht.

„Waidmannsdank“: ZDF, 31.5., 20.15 Uhr

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