Wer nichts wird, wird Wirt. Und wer aus einer Wirtsfamilie stammt und diese Tradition nicht weiterführen mag, konnte immer noch in die Marine eintreten – jedenfalls im kaiserlichen Deutschland. Das musste keine schlechte Entscheidung sein, denn auch aus Oberbayern konnten begabte Seeoffiziere stammen.
Wie Franz Hipper (1863–1932). 1863 in Weilheim südlich von München geboren, machte er eine lupenreine Karriere: Mit 18 Jahren Seekadett, vier Jahre später Unterleutnant zur See, bewährte er sich als Kommandant und Flottillenchef von Torpedobooten, wie die Zerstörer der Hochseeflotte genannt wurden. Als Navigationsoffizier der Kaiserjacht SMS „Hohenzollern“ bewies er gute Seemannschaft. Seit 1903 kommandierte er erst kleine, dann große Kreuzer und entwickelte sich zum Experten für schnelle, oft auch gewagte Manöver.
Im Gegensatz zu anderen Marineoffizieren seiner Generation wie Friedrich Ingenohl, Reinhard Scheer oder Wilhelm Souchon absolvierte Hipper kaum Dienstzeiten in den deutschen Kolonien, doch das schadete seiner Karriere nicht. Seit 1912 war er Admiral und befehligte die schnellen, die Aufklärungsstreitkräfte der Hochseeflotte. Ihren Kern bildeten ein gutes halbes Dutzend moderne Schlachtkreuzer, seinerzeit „Große Kreuzer“ genannt.
Diese Dienststellung behielt Hipper auch nach Beginn des Ersten Weltkrieges bei. Obwohl er eigentlich den Einsatz seiner schnellen Schiffe im Kreuzerkrieg auf offener See bevorzugt hätte, musste er sich der Entscheidung des Flottenchefs fügen. Admiral Ingenohl setzte darauf, die der deutschen Hochseeflotte deutlich überlegende Royal Navy zu schwächen, indem deutsche Überraschungsangriffe die in Schottland stationierte Home-Fleet zu übereilten Vorstößen provozierten, bei denen die britischen Großkampfschiffe in deutsche Minenfelder oder vor die Torpedorohre deutscher U-Boote laufen sollten.
Der erste so konzipierte Angriff erfolgte am 15. Dezember 1914: Mit fünf Schlachtkreuzern marschierte Hipper vor die Küstenstädte Scarborough, Hartlepool und Whitby im Nordosten Englands; rund 1500 Granaten wurden auf die zivilen Ziele abgefeuert. Währenddessen legte ein Kleiner Kreuzer, die SMS „Kolberg“, ein Minenfeld zwischen den deutschen Schiffen und den Heimathäfen der Home-Fleet weiter im Norden.
Der Angriff forderte 127 zivile Tote, aber es kam nicht zum Aufeinandertreffen deutscher und britischer Kriegsschiffe. Propagandistisch war der Angriff jedoch ein deutscher Erfolg, der Admiral Hipper gut geschrieben wurde. Daran änderte auch ein Angriff der Royal Navy mit Flugzeugen auf den Marinestützpunkt Cuxhaven an Weihnachten 1914 nichts; der nur als erster Kriegseinsatz von Marinefliegern bedeutsam war.
Im Januar 1915 wollte Ingenohl den Erfolg von Mitte Dezember wiederholen und sandte Hipper mit drei modernen Schlachtkreuzern, dem etwas älteren Panzerkreuz SMS „Blücher“ und Deckungskräften erneut aus. Doch diesmal war die Royal Navy durch ihre Dechiffrierspezialisten vorgewarnt und schickte den deutschen Schiffen fünf Schlachtkreuzer entgegen.
Am 24. Januar 1915 gegen 7.35 Uhr morgens sichteten die beiden Verbände einander – nördlich der Doggerbank und 400 Kilometer westlich von Föhr. Hipper erkannte sofort, dass die Briten seinen Schiffen fast doppelt überlegen waren und gab Befehl zum Wenden. Doch nun erwies es sich als schwerer Fehler, dass die „Blücher“ zu seinem Verband gehörte, denn sie lief maximal 24 Knoten, während die neueren deutschen Schiffe 26 Knoten erreichten und die britischen Schlachtkreuzer sogar 27 bis 28 Knoten.
Es entwickelte sich eine Art Wettrennen: Würden die Briten die langsameren deutschen Schiffe in Schussweite bekommen, bevor sie zu nah an die deutsche Küste gerieten? Die Royal Navy wusste nicht, ob dort die langsameren, aber feuerstarken deutschen Schlachtschiffe auf der Lauer lagen (sie taten es nicht, Hipper war auf sich gestellt, aber das wussten die Briten nicht).
Der deutsche Verband konnte, da die „Blücher“ nicht zurückgelassen werden sollte, nur 24 Knoten laufen, während der britische Vizeadmiral David Beatty seinen Schiffen 27 Knoten befahl. Nach etwas mehr als zwei Stunden hatte sich die Distanz so weit verkürzt, dass der führende Schlachtkreuzer HMS „Lion“ um 9.52 Uhr das Feuer auf das letzte deutsche Schiff, eben die „Blücher“ eröffnen konnte.
Da die deutschen Schiffe kleinere Kaliber mit geringerer Reichweite an Bord hatten, konnten sie das Feuer erst um 10.11 Uhr erwidern. Es entwickelte sich ein heftiges Gefecht. Um 10.43 Uhr traf eine Granate der HMS „Lion“ die SMS „Seydlitz“, die nur um Haaresbreite der Detonation ihrer Munitionskammern entging. 58 Minuten später gab es einen ähnlichen, beinahe finalen Treffer auf „Lion“; der Schlachtkreuzer musste sich aus dem Kampf zurückziehen.
Da war die SMS „Blücher“ schon schwer getroffen und aus dem deutschen Verband ausgeschert; Hipper musste entscheiden, das Schiff zurück- und damit den Kanonieren der Royal Navy zu überlassen. Um 11.54 Uhr brach David Beatty die Verfolgung ab, weil er ein U-Boot-Periskop gesichtet zu haben glaubte – vermutlich ein Irrtum. Nun schossen die britischen Schiffe die „Blücher“ zusammen, die um 14.13 Uhr sank.
Franz Hipper kehrte mit der schwer beschädigten SMS „Seydlitz“, der leicht beschädigten SMS „Derfflinger“ und der unversehrten SMS „Moltke“ zurück; die SMS „Blücher“ war verloren gegangen. Das Gefecht auf der Doggerbank galt als deutsche Niederlage, als Rückschlag. Flottenchef Friedrich Ingenohl wurde entlassen, sein Nachfolger Hugo von Pohl beendete weitere Planungen für ähnliche Vorstöße.
Für Hipper hatte die Niederlage keine Auswirkungen: Er befehligte weiterhin die Schlachtkreuzer der Hochseeflotte, auch in der Skagerrak-Schlacht Ende Mai 1916. Diesmal liefen die Schlachtschiffe hinter den Schlachtkreuzern her. Für seine Leistung dabei erhielt er den erblichen Adelstitel Ritter von Hipper. Im August 1918 übernahm er das Kommando über die Hochseeflotte. Ein für Anfang November 1918 geplantes Himmelfahrtskommando der gesamten Flotte löste die Kieler Meuterei und damit den Sturz der Hohenzollern-Monarchie aus.
Daraufhin zog sich Franz von Hipper mit erst 55 Jahren in den Ruhestand zurück; er starb 1932 in Hamburg-Othmarschen. Ihm zu Ehren nannte die Kriegsmarine 1937 einen hochmodernen Schweren Kreuzer „Admiral Hipper“.
Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.
Sie wollen Geschichte auch hören? „Attentäter“ ist die erste Staffel des WELT-History-Podcasts.