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Geschichte Kriegsende 1918

So demütigten die Briten die deutsche Marine

Um sich in Internierung zu begeben, liefen im November 1918 71 Schiffe der deutschen Hochseeflotte aus Wilhelmshaven aus. Die Fahrt nach Scapa Flow wurde von der Royal Navy als Demütigung inszeniert.
Überführungsfahrt der deutschen Hochseeflotte nach Scapa Flow Überführungsfahrt der deutschen Hochseeflotte nach Scapa Flow
In Kiellinie fährt die Hochseeflotte im November 1918 nach Scapa Flow
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Der schier „endlose Trauerzug“ maß mehr als 50 Kilometer. Am 19. November 1918 gegen 13.30 Uhr lichteten in Wilhelmshaven bei strahlendem Sonnenschein insgesamt 14 Großkampfschiffe der ehemals kaiserlichen Hochseeflotte, dazu sieben Kreuzer und 50 Torpedoboote die Anker. In Kiellinie nahmen sie Kurs in die Nordsee. Ihr angebliches Ziel: neutrale Häfen, in denen sie interniert werden sollten.

Teil der Waffenstillstandes, den Matthias Erzberger als Unterhändler der neuen Reichsregierung unter Friedrich Ebert am 11. November im Wald von Compiegne hatte unterzeichnen müssen, war, dass die modernsten Schiffe des einstigen Stolzes Deutschlands ausgeliefert wurden. Paragraf 23 der Bedingungen sah vor, dass „sechs Schlachtkreuzer, zehn Linienschiffe, acht Kreuzer und 50 Zerstörer“ der jeweils modernsten Bauart abzuliefern seien. Welche genau, durften die Marine-Experten der Siegermächte festlegen.

Sie benannten tatsächlich die kampfkräftigsten deutschen Schiffe: die neuesten Schlachtkreuzer „SMS Derfflinger“ und „SMS Hindenburg“, dazu ihre Vorläufer „SMS von der Tann“, „SMS Moltke“ und „SMS Seydlitz“. Der sechste beanspruchte Schlachtkreuzer, die „SMS Mackensen“, war noch nicht fertig und in Dienst gestellt.

Kapitulation der dt. Hochseeflotte
Eien britische Veröffentlichung über die Kapitulation der deutschen Hochseeflotte
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Die deutschen Schlachtkreuzer hatten die Royal Navy im einzigen ganz großen Seegefecht des Ersten Weltkriegs, der Schlacht in der Skagerrak-Straße am 31. Mai und 1. Juni 1916, in Panik versetzt. Vor allem diese sowohl schnellen wie feuerstarken Schiffe hatten sich ihren direkten britischen Konkurrenten deutlich überlegen gezeigt. Nur ein deutscher Schlachtkreuzer, die „SMS Lützow“ war so schwer beschädigt worden, dass sie aufgegeben werden musste. Hingegen waren drei britische Großkampfschiffe, die „HMS Queen Mary“, die „HMS Indefatigable“ und die „HMS Invincible“ während des Gefechtes explodiert.

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Zu den sechs verlangten und fünf zur Verfügung gestellten deutschen Schlachtkreuzern kamen die langsameren, aber schwerer bewaffneten und gepanzerten Linienschiffe hinzu. Hier forderte die Royal Navy alle Schiffe der drei neuesten Klassen der Hochseeflotte: der Kaiser-, der König- und der Bayern-Klasse, ursprünglich allerdings mit Ausnahme des Flottenflaggschiffs „SMS Baden“, dem zweiten Schiff der Bayern-Klasse. Dass die geschlagene Marine ihr Flaggschiff auslieferte, schien dem britischen Admiralstab wohl eine doch zu große Demütigung.

Doch als deutlich wurde, dass die „Mackensen“ nicht ausgeliefert werden würde, und weil auch das Typ-Schiff der König-Klasse wegen Werftarbeiten zunächst nicht zur Verfügung stand, forderte die Royal Navy auch noch die „SMS Baden“. Sie folgte dem Rest der Flotte am 7. Januar 1919.

Konteradmiral Ludwig von Reuter
Konteradmiral Ludwig von Reuter (1869-1943) hatte die "schaurige Aufgabe", die Kapitulation der Flotte zu vollziehen
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Das Kommando führte Konteradmiral Ludwig von Reuter; er war Kapitän der „Derfflinger“ gewesen und hatte als Geschwaderchef an der Skagerrakschlacht teilgenommen. 1918 war er Befehlshaber der schnellen Kräfte der Hochseeflotte geworden, vor allem der Schlachtkreuzer. In dieser Funktion übernahm er die „schaurige Aufgabe“, so Flottenchef Reinhard Scheer, die deutschen Schiffe zu überführen.

An der Spitze der Kolonne lief der Schlachtkreuzer „SMS Seydlitz“ unter Kapitän Wilhelm Träger. Er hatte von allen Kommandanten das am wenigsten gespannte Verhältnis zu seiner Besatzung und sollte deshalb den übrigen Einheiten als Vorbild dienen.

Am späten Nachmittag passierte die Flotte in Kiellinie Helgoland. In seinen Memoiren beschrieb Reuter, wie die untergehende Sonne deren Klippen in „allen denkbaren Farben erglühen“ ließ. Reuter tröstete seine Offiziere: Zwar müsse die Flotte ausgeliefert werden, aber wenigstens bleibe Helgoland deutsch.

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Weil angeblich nicht hinreichend Liegeplätze in neutralen Häfen für die Internierung zur Verfügung stünden, so die Royal Navy, sollte die deutsche Flotte den Firth of Forth ansteuern, einen Meeresarm in Ostschottland. Von hier aus liefen den deutschen Schiffe britische Kreuzer und Schlachtschiffe entgegen, in zwei Reihen, und nahmen sie in die Mitte. Eine weitere bewusste Demütigung.

Admiral David Beatty
Der britische Admiral David Beatty (1871-1936) gab hämische Kommentare ab
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Schließlich kam noch die Anweisung, abermals weiter nach Norden zu dampfen, in die Bucht Scapa Flow in den Orkney-Inseln, dem Hauptstützpunkt der Royal Navy. Als die deutschen Schiffe ankamen, forderte der Oberbefehlshaben der britischen Grand Fleet, Admiral David Beatty, ultimativ, die Kriegsflagge der Marine zu streichen.

Vor britischen Journalisten kommentierte Beatty seinen Befehl hämisch; etwa das Londoner Blatt „The Globe“ berichtete davon inspiriert: „Die deutsche Marine ist nicht nur geschlagen, sie ist auf alle Zeit entehrt, in gleicher Weise durch die Niedertracht im Kampfe wie durch ihre Feigheit am Tage der Niederlage.“

Die folgenden gut sieben Monate lagen die deutschen Schiffe mit Rumpfmannschaften in der Weite von Scapa Flow vor Anker. Die Kessel wurden regelmäßig angefeuert, um sie betriebsbereit zu halten, doch ansonsten geschah mit der Flotte nichts. Erst am 21. Juni 1919, dem Tag der Unterschrift unter den Versailler Vertrag, erfolgte der letzte Schritt. Admiral Ludwig von Reuter gab den insgeheim seit Monaten vorbereiteten Befehl zur Selbstversenkung der Schiffe.

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