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Geschichte Erster Weltkrieg

Dieses Foto erklärt das Chaos der Skagerrakschlacht

„Ich wollte, jemand könnte mir sagen, worauf man schießt“: Beinahe blind dampften die deutschen und britischen Admiräle im Mai 1916 mit ihren Schlachtflotten in die größte Seeschlacht der Geschichte.
Freier Autor Geschichte
„Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen.“ Blick von der Brücke eines deutschen Großkampfschiffs während eines Übungsschießens vor 1914 „Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen.“ Blick von der Brücke eines deutschen Großkampfschiffs während eines Übungsschießens vor 1914
„Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen.“ Blick von der Brücke eines deutschen Großkampfschiffs während eines Übungsschießens vor 1914
Quelle: Archiv des Deutschen Marinebundes

Rauch, wohin man schaut. Obwohl der Blick in den Himmel klare Sicht verspricht, ist zwischen den Rauchsäulen auf der rechten und linken Bildseite nur ein schmaler Streifen Wasser und darauf ein von der Sonne angestrahltes Kriegsschiff in der Ferne auszumachen. Vom Nachbarschiff ragen nur die Spitzen einiger Masten aus dem schwarzen Dampf aus Kanonen und Schornsteinen. Aufgenommen wurde das Bild während einer Übung der deutschen Hochseeflotte vor 1914. Dabei wurden wenige Granaten gezielt abgefeuert, die allgemeine Sicht war gut. Dennoch bietet sich von der Brücke nur ein höchst fragmentarisches Bild der Umgebung. Der Rest ist Rauch.

Dieses Foto erklärt, warum die Seeschlacht im Skagerrak, in der sich auf engstem Raum 250 Schiffe bekämpften, eine einzige Abfolge von Irrtümern, Verwechslungen und Zufällen gewesen ist. Obwohl die meisten Schiffe in Sichtweite agierten, wussten ihre Admiräle und Kapitäne oft genug nicht, wo sie sich befanden und mit wem sie es zu tun hatten. Für die Schlacht zwischen der britischen Grand Fleet und der deutsche Hochseeflotte am 31. Mai/1. Juni 1916 wurde modernste Technik und ein gigantisches Vernichtungspotenzial aufgeboten, aber beides erwies sich als machtlos gegenüber den Friktionen, wie der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz Schwierigkeiten in der kriegerischen Wirklichkeit genannt hat.

Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen. Stand die feindliche Schlachtflotte nur voraus, querab oder achteraus?
Admiral John Jellicoe, Oberbefehlshaber der Grand Fleet

Kein Geringerer als John Jellicoe, Oberbefehlshaber der Grand Fleet, brachte es kurz nach der Schlacht auf den Punkt: „Ich habe mich noch nie so ,ausgeschlossen‘ gefühlt. Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen. Stand die feindliche Schlachtflotte nur voraus, querab oder achteraus?“

Es begann schon mit der Sicht. Die deutsche Hochseeflotte war zum Kampf in der Nordsee gebaut worden. Daher ging die deutsche Admiralität von einer Sicht von üblicherweise bis zu sieben Kilometern aus, was sich in der Reichweite der Geschütze niederschlug. Ihre Kaliber waren kleiner als die der Briten. Dafür erfordere das Einschießen weniger Zeit. Verbunden mit den besseren optischen Zielgeräten und der höheren Feuergeschwindigkeit, konnten deutsche Großkampfschiffe schneller zielgenau feuern, verfügten aber nicht über die Reichweite der Royal Navy.

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Zudem setzte Reinhard Scheer, seit Januar 1916 Chef der Hochseeflotte, auf die Fernaufklärung durch Zeppeline. Die aber konnten am 30. Mai aufgrund der Wetterverhältnisse nicht Richtung Jütland starten, während im Skagerrak selbst recht gute Sichtverhältnisse herrschten.

Seeblockade und Untergang der Lusitania

Seit Kriegsbeginn schneidet die britische Seeblockade Deutschlands Nachschub ab. Jedem Schiff der kaiserlichen Marine droht der Untergang. Vor dem Skagerrak kommt es zur einzigen großen Seeschlacht.

Quelle: STUDIO_HH

Scheers Plan war einfach. Indem er den Schiffsverkehr vor den Ausgängen der Ostsee störte, wollte er schwere britische Einheiten zu einem Vorstoß aus ihren Basen in Schottland provozieren. Diese sollten von den vorgerückten deutschen Schlachtkreuzern gestellt und in ein Gefecht verwickelt werden, bis die überlegene Hauptflotte heran sein würde. Auf diese Weise wollte Scheer einige moderne Großkampfschiffe der Royal Navy vernichten und damit das Kräfteverhältnis von acht zu fünf zwischen beiden Flotten zu seinen Gunsten verändern.

Was Scheer nicht wusste: Die russische Marine hatte 1914 aus dem Wrack des Leichten Kreuzers „Magdeburg“ das deutsche Funksignal-Handbuch geborgen und nach London weitergereicht. Damit konnte der deutsche Funkverkehr entschlüsselt werden. Jellicoe wusste daher, dass Scheer mit seiner gesamten Flotte im Anmarsch war, und ließ alle Großkampfschiffe Richtung Skagerrak auslaufen.

Am 31. Mai gegen 15.30 Uhr sichteten die Schlachtkreuzer der Vorhut einander. Die fünf deutschen Schiffe unter dem Kommando von Admiral Franz Hipper gingen auf Ostkurs, die britischen unter David Beatty folgten umgehend. Nun aber machte sich zum ersten Mal das Fehlen leistungsfähiger Kommunikationsmittel bemerkbar. Der Kommandeur des Geschwaders schneller Schlachtschiffe, das Beatty zugeteilt war und das ihm die Überlegenheit gegenüber Hipper gesichert hätte, brauchte einige Minuten, um die Kursänderung zu erkennen.

So kam es, dass gegen die fünf deutschen Schlachtkreuzer nur sechs britische zum Einsatz kamen, die zudem länger brauchten, um ihre Ziele zu erfassen. Da die Decks der Briten zugunsten einer höheren Geschwindigkeit schwächer gepanzert waren, zeigten die deutschen Salven schnell Wirkung. Innerhalb von einer Viertelstunde explodierten zwei britische Schlachtkreuzer.

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„Eine riesige Rauchwolke entwickelte sich“, beschrieb ein deutscher Offizier den Untergang der „Queen Mary“. Die wies auch Jellicoe den Weg, der sich mit der Hauptmacht der Home Fleet im Anmarsch befand. Ansonsten sah er aber nur zahllose Mündungsblitze und Rauchschwaden. „Ich wollte, jemand könnte mir sagen, wer dort schießt und worauf man schießt“, klagte der Admiral.

Seinem Gegenüber Scheer ging es nicht besser. Bereits nach den ersten Salven waren auf Hippers Flaggschiff die empfindlichen Röhrenfunkgeräte ausgefallen. Als einzige Möglichkeit der Kommunikation blieben Flaggsignale, Sirenen und die Sicht. Die aber verschlechterte sich mit jeder Salve und jedem Schiff, das mit Höchstgeschwindigkeit auf das Geschehen zudampfte.

Jellicoe und Scheer glichen „Blinden, die einen Wagen nach den Anweisungen anderer fahren, Blinden aber, die jeden Augenblick die Sehkraft zurückgewinnen konnten, dann die Entscheidung über die günstigste Gefechtsformation für 20 und mehr Schlachtschiffe zu fällen hatten und entsprechend klare Befehle erteilen mussten“ – mit diesen Bildern hat der britische Historiker Corelli Barnett das Dilemma der Admiräle beschrieben.

Die größere Erfahrung des Briten schien dabei die Entscheidung zu bringen. Intuitiv ließ er seine 24 Schlachtschiffe eine Kiellinie auf Kurs Südost-zu-Ost bilden und hoffte, Scheer würde im rechten Winkel darauf zuhalten. Dieses „den T-Strich ziehen“ galt als überlegene taktische Position, weil damit seine Schiffe alle Kanonen auf den Gegner richten konnten, während dieser nur seine Frontgeschütze zur Verfügung hatte.

Tatsächlich tappte Scheer in die Falle. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, dass sich vor ihm über eine Länge von fast 13 Kilometern die Home Fleet formierte, setzte er einem vermeintlich überraschten Gegner nach. Als er die Lage endlich erkannte, handelte er ähnlich intuitiv wie Jellicoe. Er gab Befehl, sofort und bei voller Geschwindigkeit eine „Gefechtskehrtwende“ um 180 Grad auszuführen und auf Gegenkurs zu gehen. Es spricht für den Ausbildungsstand der deutschen Kommandeure, dass sie unter den herrschenden Sichtbedingungen diesem Befehl nicht nur Folge leisteten, sondern auch eine neue intakte Gefechtslinie bilden konnten.

Nachdem er noch einmal einen Angriffsversuch gestartet hatte und dabei in schweres britisches Abwehrfeuer geraten war, brach Scheer die Schlacht ab und begann den Rückmarsch. Noch einmal erwiesen sich die Admiräle wie Blinde, diesmal in der Nacht.

Der Zufall wollte es, dass die Deutschen nach Ostsüdost marschierten, während die Home Fleet Richtung Süden fuhr. Die Kurse bildeten ein V und hätten die Hauptstreitkräfte beider Flotten beinahe wieder zusammengeführt. Tatsächlich passierte die Grand Fleet den Kreuzungspunkt wenige Minuten vor der Hochseeflotte. Nur an den Flanken kam es zu einigen Gefechten. „Wir hatten wirklich keine Ahnung, wo der Feind stand, und nur eine sehr vage Vorstellung von der Position unserer eigenen Schiffe“, gab später ein britischer Kapitän zu Protokoll.

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So aber entkam die Hochseeflotte einigermaßen wohlbehalten nach Wilhelmshaven, wo Scheer als Sieger gefeiert wurde, während sich Jellicoe den Vorwurf gefallen lassen musste, einen angeschlagenen Gegner entkommen lassen zu haben. Dass es vor allem der Zufall gewesen war, der bei dem monströsen Treffen die Fäden gehalten hatte, blieb den Zeitgenossen lange verborgen.

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