WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. „Protokolle der Weisen von Zion“: Schlechte Fälschung mit Folgen

Geschichte „Protokolle der Weisen“

Warum eine schlechte Fälschung Millionen Leben forderte

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg begann die Weltkarriere der „Protokolle der Weisen von Zion“. Obwohl schon im August 1921 nachgewiesen wurde, dass der krude Text gefälscht war, glaubten Hitler, Goebbels und andere an die „Weltverschwörung“
Leitender Redakteur Geschichte
Kombo Protokolle der Weisen Kombo Protokolle der Weisen
Spätestens Anfang August 1921 hatte Adolf Hitler (Foto von 1925) die gefälschten "Protokolle der Weisen von Zion" (hier eine Ausgabe von 1922) gelesen
Quelle: Archiv Kellerhoff; picture-alliance / dpa

Die vermutlich folgenreichste Fälschung der Weltgeschichte umfasst, je nach Sprache und Satz, zwischen 47 und 78 Seiten. Die erste russische Version umfasst etwa 18.000 Wörter, die gängigste deutsche Version rund 24.000. Ein eher kurzer Text also – aber einer, der Millionen Menschen das Leben kostete. Denn ohne die „Protokolle der Weisen von Zion“ ist der antisemitische Rassenwahn Hitlers, der direkt in den Holocaust führte, nicht vorstellbar.

Nur zu wenigen seiner Quellen bekannte sich der „Führer“ der Nationalsozialisten in seinem Bekenntnisbuch „Mein Kampf“ ausdrücklich – aber die Protokolle gehörten dazu. Im ersten Band, erschienen 1925, schrieb er: „Wie sehr das ganze Dasein dieses Volkes auf einer fortlaufenden Lüge beruht, wird in unvergleichlicher Art in den von den Juden so unendlich gehassten Protokollen der Weisen von Zion gezeigt.“

Mit einer bemerkenswerten Volte wischte Hitler alle Beweise, dass es sich bei den „Protokollen“ um keine echte Quelle handelte, beiseite: „Sie sollen auf einer Fälschung beruhen, stöhnt immer wieder die ,Frankfurter Zeitung‘ in die Welt hinaus – der beste Beweis dafür, dass sie echt sind.“ So eine „Argumentation“ immunisierte natürlich gegen jeden Zweifel.

Was stand nun eigentlich in diesen ominösen „Protokollen“? Angeblich sollte es sich um geheime Aufzeichnungen aus streng geheimen Versammlungen der „jüdischen Weltregierung“ handeln, die 1897 beim ersten Zionistenkongress in Basel Pläne für die Übernahme der Weltmacht beraten hätte.

Lesen Sie auch

Der Text umfasst (meistens) 24 kurze Kapitel und strotzt nur so vor Absurditäten. So ist die Rede von künstlicher Verknappung der Weltfinanzen, durch die Wirtschaftskrisen ausgelöst werden sollten, bis alles Geld in den Händen weniger Juden sei. Selbst der Antisemitismus sei eine „jüdische“ Erfindung: „Wir brauchen ihn, um unsere Brüder aus den unteren Schichten zusammenzuhalten.“ Gestreuter Judenhass, um den „Weisen“ also die Unterstützung von Glaubensgenossen zu sichern.

„Wer war Hitler“ - Einblicke in eine finstere Zeit

Unzählige Menschen haben sich mit dem Leben des Diktators auseinandergesetzt, sei es in Form von Büchern, Spielfilmen oder Dokumentationen. Doch in „Wer war Hitler“ wählt der Regisseur Hermann Pölking einen anderen Ansatz.

Quelle: Salzgeber & Company Medien

Den Gipfel markiert wohl die Behauptung, der Bau von U-Bahnen unter den meisten größeren Hauptstädten diene einem perfiden Plan: „Von diesen Stollen aus werden wir im Falle der Gefahr für uns die ganzen Städte mit Staatsleitungen, Ämtern, Urkundensammlungen und den Nichtjuden mit ihrem Hab und Gut in die Luft sprengen.“

Schon der krude Inhalt legte also mindestens nahe, dass es sich um eine Verschwörungstheorie handelt. Doch zusätzlich hatte eine in mehrere Sprachen übersetzte Artikelserie der Londoner „Times“ vom August 1921 die handwerklich übrigens miserable Fälschung nachgewiesen. Die angeblichen „Protokolle“ konnten schon deshalb nicht echt sein, weil sie zu großen Teilen wörtlich auf zwei bereits 1864 und 1868 erschienenen Texten beruhten, einem fiktiven Dialog zwischen Machiavelli und Montesquieu sowie dem Kapitel eines deutschsprachigen Kolportageromans. Dümmer hat sich wohl selten ein Fälscher angestellt.

1905_2fnl_Velikoe_v_malom_i_antikhrist_
Die russische Originalausgabe von 1905
Quelle: Public Domain

Auszüge erschienen wohl erstmals 1903 als Serie in russischen Zeitungen, 1905 dann der vollständige Text als Broschüre. Doch erst nach dem Ersten Weltkrieg begann die eigentlich Karriere der „Protokolle“: Binnen kurzer Zeit wurden sie in mindestens 18 Sprache übersetzt und weltweit gedruckt – immer als vermeintliche Enthüllung, also umgeben mit dem Fluidum eines angeblich aufgedeckten Geheimnisses.

Die erste deutsche Ausgabe von 1920 erlebte in wenigen Monaten ein halbes Dutzend Auflagen. Hitler selbst kannte die „Protokolle“ spätestens Mitte August 1921, denn in zwei Reden in München und Rosenheim führte er sie als Beleg für seine Behauptung an, die Weltherrschaft sei das Ziel der jüdischen Verschwörung.

Anzeige

In seiner Art der beliebigen, von Vorurteilen gelenkten Lektüre fand er bestätigt, was er sowieso glaubte. In seiner Verblendung sah er offenbar tatsächlich eine „tiefere Wahrheit“ in dem Pamphlet: „Wer die geschichtliche Entwicklung der letzten hundert Jahre von den Gesichtspunkten dieses Buches aus überprüft, dem wird auch das Geschrei der jüdischen Presse sofort verständlich werden.“

ocols_of_the_Wise_Men_of_Zion_-_The_Beckwith_Company_(1920)_
Eine der ersten englischen Übersetzungen der "Protokolle", erschienen 1920 in New York
Quelle: Public Domain

Noch dialektischer ging der NSDAP-Propagandist Joseph Goebbels mit dem Fälschung um: „Ich glaube, dass die Protokolle der Weisen von Zion eine Fälschung sind“, notierte er zwar am 10. April 1924 in sein Tagebuch, um dann aber fortzufahren: „Nicht, weil mir das darin ausgesprochene Weltbild oder die jüdischen Aspirationen zu utopisch und phantastisch erschienen, sondern weil ich die Juden nicht für so grenzenlos dumm halte, dass sie derartig wichtige Protokolle nicht geheim zu halten verstünden.“

Auch Goebbels, dessen Antisemitismus dem Hitlers kaum nachstand, der aber als promovierter Germanist eigentlich die Technik der kritischen Textanalyse beherrschen musste, kam zu einem absurden Schluss: „Ich glaube an die innere, aber nicht an die faktische Wahrheit der Protokolle.“ Ohne solche schlicht irren Gedanken hätte es wohl weder Auschwitz noch all die anderen Stätten des Massenmordes geben können.

Selbst im 21. Jahrhundert gibt es immer noch Menschen, die an diese schlechte Fälschung glauben. Die „Protokolle“ sind so etwas wie die Bibel des Antisemitismus.

Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2021 veröffentlicht.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Sie wollen Geschichte auch hören? „Attentäter“ ist die erste Staffel des WELT-History-Podcasts.

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema