Fast auf den Tag genau fünf Jahre nachdem er seinen Rücktritt aus der Nationalelf bekannt gegeben hatte, tauchte dieses Bild von Mesut Özil auf. Sein T-Shirt ist hochgezogen, auf der linken Brust ein Tattoo, darauf ein heulender Wolf, das Symboltier der rechtsextremistischen Grauen Wölfe. Dahinter die Flagge der MHP, der ultranationalistischen Partei, die sich aus der Bewegung der Grauen Wölfe entwickelt hat und heute mit der AKP des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der Regierung zusammenarbeitet. Fünf Jahre nachdem Mesut Özil seinen Rücktritt mit Rassismus begründet hat, gibt er sich selbst als Rechtsextremist zu erkennen.

Die Grauen Wölfe sind eine rechtsextreme, türkisch-nationalistische Bewegung, die es auch in Deutschland gibt. Der Verfassungsschutz beobachtet sie. In nicht türkischen Minderheiten der Türkei – wie Kurden, Aleviten, Christen und Juden – sehen sie "Volksfeinde". Und als Fan solch einer Vereinigung outet sich nun Özil.

Nicht ausgeschlossen, dass das gar nicht beabsichtigt war. Das Bild postete sein Fitnesscoach, womöglich wollten beide nur ihre Bauchmuskeln präsentieren. "Wir sind nach zweiwöchiger harter Arbeit an diesem Punkt angelangt, glauben aber nicht, dass wir damit fertig sind", schrieb Alper Aksaç auf Türkisch und meinte damit sicher nicht das Tattoo. Aber alle schauen darauf, weil es eben mehr ist als nur irgendeine Tätowierung auf irgendeinem Ex-Fußballer-Körper.

Mesut Özil steht für mehr. Er ist zu einem Zankbild geworden, an dem sich, wie bei so vielen Themen in diesem Land, zwei Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Für die einen ist er ein Beispiel gescheiterter Integration, weil sich der deutsche Staatsbürger Özil mit Erdoğan fotografieren ließ, ihn als seinen Präsidenten bezeichnete und keinerlei Reue zeigte. Özil wurde damals, im Nachgang des Fotos mit Erdoğan, rassistisch beleidigt, zum Beispiel als "Ziegenficker". Man machte ihn zum Symbol der deutschen Fußballkrise. Das andere Lager sah deshalb am Beispiel Özil, wie anders selbst ein Sportstar behandelt wird, nur weil er nicht Müller oder Neuer heißt oder die Hymne nicht mitsingt oder die Schultern hängen lässt, wie rassistisch Deutschland also noch immer ist.

Die Sicht auf Özil hat sich geändert

Auch ZEIT ONLINE kommentierte damals: "Im Jahr 2018 tritt ein deutscher Nationalspieler wegen Rassismus zurück. Was ist nur los mit diesem Land?" Aber natürlich ändert sich mit den Dingen, die Özil seitdem getan hat, auch die Sicht auf ihn.

Sollte das Bild echt sein, ist es der nächste Schritt in der Radikalisierung Özils. Nach seinem umstrittenen Foto mit Erdoğan vor der WM 2018 und seinem anschließenden Rücktritt ging Özil verloren. Ein Jahr nach der WM wurde Erdoğan sein Trauzeuge. Vor der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr rief Özil per Instagram zu dessen Wiederwahl auf und schrieb, nachdem sie gelungen war: "Gott sei Dank." Nun also die Grauen Wölfe, in deren Namen in der Vergangenheit gemordet wurde.

Özil verspielt damit das letzte Verständnis all jener, die ihn damals verteidigten. Natürlich gilt auch in diesem Fall: Nur weil jemand selbst ein rassistisches Weltbild hat, bedeutet das nicht, dass er keinen Rassismus erfahren musste. Die Welt ist komplex, man kann Opfer und Täter zugleich sein. Vielleicht umgibt er sich mit den falschen Leuten. Vielleicht geht es um Trotz und verletzten Stolz. Vielleicht will er auch nur die Deutschen provozieren, wie ein Halbstarker, der den Hitlergruß zeigt.

Für jeden Schritt zum Rechtsextremismus gibt es irgendwelche Gründe. Aber keine, die ihn rechtfertigen. Özil ist 34 Jahre alt, er selbst ist für seine Taten verantwortlich. Manche, die sich 2018 aus Solidarität zu ihm ein Özil-Trikot kauften, werden sich nun fragen, mit wem sie sich da solidarisierten, wessen Namen sie auf dem Rücken trugen. Was bleibt: Der deutsche Fußballweltmeister Mesut Özil unterstützt nun türkische Rechtsextremisten. Wie traurig.