Nach den Angriffen auf Veranstaltungen der Grünen in Baden-Württemberg hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einer Vergiftung des politischen Diskurses gewarnt. "Wenn eine politische Veranstaltung durch Gepöbel und Gewalt verhindert wird, wenn Polizisten angegriffen und Steine geworfen werden, dann sind Grenzen massiv überschritten", sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Diese Aggression hat auch mit scharf geführtem demokratischem Streit nichts mehr zu tun."

Das gelte genauso, wenn Demokraten als "Volksverräter" diffamiert würden, ein aufgepeitschter Mob Politiker an deren Wohnort aufsuche oder wenn man Regierende symbolisch an Galgen aufhänge, sagte Faeser. "All das sind Grenzüberschreitungen, die eine Verrohung und Vergiftung des Diskurses zeigen. Hier ist viel ins Rutschen geraten."

Das müsse dringend aufgehalten werden, sagte die Politikerin. Denn politische Aggression komme nicht aus dem Nichts, sondern fange mit der Sprache an. Demokraten müssten bei allem notwendigen Streit respektvoll miteinander umgehen, sagte sie. "Wer sich Radikalen verbal anbiedert, stärkt nur die Radikalen, die wir aus der politischen Mitte heraus gemeinsam bekämpfen müssen."

Hintergrund ist eine Veranstaltung der Grünen im baden-württembergischen Biberach, die wegen Protesten aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. Unter anderem wurden Straßen blockiert, ein Misthaufen vor die Stadthalle gekippt und Autoscheiben eingeschlagen. Nach einer Veranstaltung in Schorndorf wurde Grünenchefin Ricarda Lang angefeindet und zunächst an der Abreise gehindert. Im Januar war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durch eine Blockadeaktion am Verlassen einer Fähre gehindert worden.

"Gift für eine politische Kultur"

Mit Blick auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der Bundesumweltministerin Steffi Lemke als "grüne Margot Honecker" bezeichnet hatte, sagte Faeser: "Die Bundesumweltministerin mit Margot Honecker zu vergleichen, ist Gift für eine politische Kultur des Respekts, die wir dringend brauchen".

Lemke sei ein Musterbeispiel, wie die Grünen mit immer neuen Auflagen die Freiheit der Fleißigen einschränken wollten, hatte Söder in seiner Rede zum politischen Aschermittwoch gesagt. Margot Honecker war Ehefrau von Erich Honecker, dem Staatsratsvorsitzenden der DDR, und als Ministerin für Volksbildung selbst Teil der Führungsspitze des SED-Staats.

Jürgen Trittin gibt Söder Mitschuld

Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin gab Söder eine Mitschuld an den Angriffen auf die Grünen. "Wer mal eben Steffi Lemke als Margot Honecker der Grünen bezeichnet, der leistet der Enthemmung Vorschub", sagte der Grünenpolitiker Trittin dem RND. "Politiker wie Markus Söder und Hubert Aiwanger schaffen damit eine Atmosphäre, in der sich dann ein gewalttätiger rechter Mob austobt."

Es sei bereits vor der Veranstaltung bekannt gewesen, dass mit Ausschreitungen zu rechnen sei, sagte Trittin. "Es gab drei entsprechende WhatsApp-Gruppen mit je 1.000 Teilnehmern. Die baden-württembergische Polizei muss sich deshalb fragen lassen, warum sie nicht so vorbereitet war."