In der vergangenen Woche sind drei Dinge passiert: In Großbritannien wurde die Partei abgewählt, die den Brexit zu verantworten hatte. Erstmals seit über zehn Jahren regieren jetzt in London die Sozialdemokraten. In Deutschland hat sich die Ampel auf einen Haushalt verständigt, der nach allgemeiner Einschätzung die richtigen Akzente setzt. Ein Bruch der Koalition ist damit abgewendet. Und in Frankreich ist es nicht zum vielfach erwarteten Durchmarsch der Rechtspopulisten gekommen. Stattdessen verfügt ein Linksbündnis jetzt über die meisten Sitze im Parlament.

Damit sind keineswegs alle Fragen geklärt. Der neue britische Premierminister muss erst einmal beweisen, dass er regieren kann. Um trotz Schuldenbremse genug Geld für Investitionen zu mobilisieren, hat die Ampel sich eine Reihe von Buchungsmanövern einfallen lassen, die erst einmal aufgehen müssen. Und Frankreich steht vor einer komplizierten Regierungsbildung.

Aber wann sind in der Politik schon einmal alle Fragen geklärt? Was diese Woche gezeigt hat: Es zahlt sich aus, für die Demokratie zu kämpfen. In Großbritannien hat Keir Starmer sich von den radikaleren Kräften in seiner Partei distanziert. In Frankreich haben sich Kandidaten aus dem linken Lager aus umkämpften Wahlkreisen zurückgezogen, damit eine Mehrheit gegen Le Pen steht. Und in Deutschland waren Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner bereit, sich auf Kompromisse einzulassen, auch wenn das zu innerparteilichen Konflikten führt.

Man konnte in der öffentlichen Debatte zuletzt den Eindruck gewinnen, ein weltweiter Rechtsruck sei so etwas wie eine historische Notwendigkeit, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist. Gemäß dieser Logik wäre es auch nur eine Frage der Zeit, bis in Deutschland die AfD die Macht übernimmt. Wenn nicht schon 2025, dann 2029. Aber Geschichte ist nie vorbestimmt. Sie ist die Summe individueller Entscheidungen. Und damit prinzipiell offen.

Nach dieser Woche lässt sich sagen: Es ist noch nicht vorbei. Vielleicht wird sogar ein Trend aus einer Entwicklung, die im Frühjahr in Polen begann (wo die autokratische Regierung der PiS abgewählt wurde) und sich jetzt in London und Paris fortgesetzt hat. Ob daraus ein echter wind of change, also eine Veränderung wird, hängt von den US-amerikanischen Wahlen im November ab. Aber vielleicht wird auch dort den Wählern und Wählerinnen noch klar, was ein Wahlsieg von Donald Trump bedeuten würde – egal, wer für die Demokraten ins Rennen zieht.

Die Demokratie hat mehr zu bieten

Es wäre jedenfalls voreilig, angesichts möglicher Wahlerfolge der AfD im Osten der Republik die Brandmauer nach Rechtsaußen einzureißen. In Frankreich hat sie gehalten. Und selbst wenn die AfD in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg auf 30 Prozent kommt, bedeutet das, dass 70 Prozent diese Partei nicht gewählt haben. Deutschlandweit sind es mehr als 80 Prozent. In allen anderen politischen Fragen würden 70 oder 80 Prozent als solide Mehrheit durchgehen. Nur im Fall der AfD wird aus einem mittelgroßen Prozentanteil ein umfassender Geltungsanspruch abgeleitet. So, als zähle eine Stimme für Alice Weidel oder Tino Chrupalla mehr als eine für Annalena Baerbock oder Olaf Scholz.

Es stimmt schon: Politiker sind dafür da, Probleme zu lösen. Und viele Probleme sind nicht gelöst. Das fängt bei der Migration und der Infrastruktur an und hört beim Klimawandel auf. Aber das liegt nicht nur an den Politikern und Politikerinnen, sondern auch an den Problemen. Beziehungsweise ihrer Dimension. Es gibt jedenfalls keine Indizien dafür, dass rechtspopulistische Parteien die Probleme besser in den Griff bekommen. Boris Johnson hat das britische Gesundheitswesen nicht saniert – im Gegenteil. Giorgia Meloni hat in Italien bislang kein Rezept gegen die steigenden Flüchtlingszahlen gefunden. Und die AfD will den Euro abschaffen, was weite Teile der exportorientierten deutschen Wirtschaft ruinieren würde. Gerade in Ostdeutschland, das mit Währungsreformen ja so seine Erfahrungen gemacht hat. Denn am Ende ist nicht viel gewonnen, wenn zwar das Geld stabil ist, dafür aber der Arbeitsplatz verschwindet.

Bei aller berechtigter Kritik an der Ampel und ihrem gewöhnungsbedürftigen Politikstil: Es kann auch schlimmer kommen. Und es gibt Alternativen innerhalb des demokratischen Spektrums. Wer den Grünen Robert Habeck nicht mag, kann den Konservativen Friedrich Merz wählen. Denn am Ende ist Demokratie eine Haltungsfrage. Wem an ihr etwas liegt, der wählt keine Extremisten, nur weil drei Atomkraftwerke zu früh abgeschaltet worden sind.