Nicht nur der Aufstieg des Chipherstellers Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt macht deutlich, wie wichtig und nachgefragt Mikrochips derzeit sind. Chips sind der Motor der KI-Revolution, sie stecken in Smartphones, Autos, Waschmaschinen, Wärmepumpen und modernen Waffensystemen – sie sind der "Rohstoff des Jahrhunderts", wie es die Bundesregierung formulierte. Als während der Coronapandemie Lieferketten gestört waren und die Produktion in asiatischen Ländern wie Taiwan und Südkorea einbrach, führte unter anderem das zu einer weltweiten Chipkrise: Autos, aber auch Computer oder die Playstation 5 konnten monatelang nicht geliefert werden. Die Knappheit wirkt bis heute nach.

Damit das nicht noch einmal passiert, haben sowohl die USA als auch die Europäische Union beschlossen, die regionale Halbleiterproduktion zu stärken. Im Zuge des Europäischen Chip-Gesetzes soll der Anteil der in Europa hergestellten Halbleiter auf dem Weltmarkt bis 2030 von zehn auf 20 Prozent wachsen. Davon profitiert auch Deutschland: Intel will in Magdeburg gleich zwei Chipfabriken bauen, das deutsche Unternehmen Infineon und der weltweit größte Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan siedeln sich in Dresden an.

Sollten sich die ambitionierten Pläne der EU umsetzen lassen, könnte der europäische Chipboom aber nicht nur für Umsatz und Arbeitsplätze sorgen –  er könnte auch zu einer ökologischen Herausforderung werden. Denn wenn wie geplant künftig 20 Prozent der weltweiten Mikrochips in Europa produziert werden, könnten die Emissionen der Branche um ein Achtfaches steigen und damit die der europäischen Chemie- und Stahlindustrie übertreffen. Dieses Szenario wirft ein Paper der Denkfabrik Interface auf (ehemals Stiftung Neue Verantwortung), das vergangene Woche erschien.

In der politischen Debatte spielten der ökologische Fußabdruck der Chipproduktion und die Auswirkungen auf die Umwelt bislang eine untergeordnete Rolle, sagt Julia Christina Hess, die als Expertin für Global Chip Dynamics bei Interface die Untersuchung durchgeführt hat. "Momentan liegt der Fokus auf technologischer Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit und nicht bei ökologischen Bedenken", sagt sie im Gespräch mit ZEIT ONLINE. "Bislang fand der schmutzige Teil und das Hochvolumengeschäft der Chipfertigung in Asien statt, weshalb man sich in Europa nicht mit den Emissionen auseinandersetzen musste." Das ändere sich nun und erfordere deshalb eine neue Debatte, die Industrie und Politik gemeinsam führen müssen.

Schmutzige Gase für saubere Fabriken

Der "schmutzige Teil", von dem Hess spricht, ist ein offenes Geheimnis. Nahezu die gesamte Wertschöpfungskette von Halbleitern verlangt viel Energie, unzählige Ressourcen, hoch spezialisierte, über Kontinente hinweg gefertigte Maschinen und große Mengen umweltschädlicher Chemikalien. Die Bilder von Chipfabriken mögen extrem saubere Räume zeigen. Die Produktion ist es nicht.

Das fängt schon bei den Materialien an. Die sogenannten Wafer, die keksähnlichen, dünnen Scheiben, aus denen später integrierte Schaltkreise entstehen, bestehen aus Quarzsand, der in aufwendigen Prozessen mithilfe von großer Hitze und Chemikalien in hochreines Silizium umgewandelt werden muss. Für die Herstellung eines Mikrochips wird ein Großteil aller bekannten Elemente des Periodensystems benötigt, die ihrerseits zunächst gefördert und aufbereitet werden müssen.

Der Betrieb einer Chipfabrik mit ihren Vakuumkammern, Filteranlagen und Reinräumen benötigt extrem viel Energie, die, je nach Land und Standort, nicht immer aus regenerierbaren Quellen stammt. Um die Siliziumscheiben von kleinsten Staub- oder Schmutzpartikeln frei zu halten, ist zudem ultrareines Wasser notwendig, und das in großen Mengen. Je moderner die Chips und je kleiner die Transistoren sind, desto mehr Energie und desto mehr Emissionen fallen für jeden verarbeiteten Wafer an.

Eine große Chipfabrik kann der Interface-Studie zufolge am Tag so viel Wasser verbrauchen wie eine deutsche Großstadt mit bis zu 300.000 Einwohnerinnen. Die größte Produktionsstätte von TSMC in Taiwan hat dem Nachhaltigkeitsbericht (PDF) zufolge im Jahr 2021 99 Millionen Liter Wasser pro Tag verbraucht. Im immer wieder von Dürren geplagten Taiwan hat die Sicherstellung der Wasserversorgung deshalb hohe Priorität für TSMC. In Magdeburg könnte Intel zum größten industriellen Wasserverbraucher Sachsen-Anhalts werden.