Egal, ob die Fluten in Süddeutschland nun einfach dem Wetter geschuldet oder schon eine Folge der Erderwärmung sind, eine Warnung sind sie allemal. Ohne mehr Klimaschutz ist das unsere Zukunft. Auch dass Fridays for Future wieder ihren eigentlichen Job macht und vor der Europawahl zu Klimastreiks aufruft, erinnert uns gerade daran: Da war doch was!

Das ist auch bitternötig. Im politischen Mainstream hat sich eine Art Schweigekartell rund ums Klima gebildet. Ursula von der Leyen schwächt Teile ihres European Green Deal ab und lässt die Nachhaltigkeit im EU-Wahlkampf links liegen. Über ihr Motiv muss man nicht lange nachdenken: So befriedet man Parteien rechts der Mitte, ohne die es schwer wird mit der Wiederwahl als Kommissionspräsidentin.

Auch in Berlin geht das politische Führungspersonal anscheinend davon aus, dass Klimaschutz gefährlich ist. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht gern darüber, dass seine Regierung in der von Russland ausgelösten Energiekrise neues Gas besorgte – und lässt aus, was für ein nachhaltiges Deutschland noch alles zu tun ist. Klimaminister Robert Habeck interpretiert das Desaster um seine Heizwende derweil auf interessante Weise neu. Im Bürgergespräch erklärte er kürzlich, die Debatte um Wärmepumpen und das Ende fossiler Heizungen sei auch ein Test gewesen, "wie weit die Gesellschaft bereits ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen".

Als ob die Heizwende ein politisches Glanzstück gewesen wäre und nicht ein psychologisch ungeschicktes und ideologisch gefärbtes Unterfangen an den Betroffenen vorbei. Daran die Veränderungsbereitschaft der Deutschen festzumachen, heißt, vorzeitig aufzugeben. Zusammengefasst lautet die Botschaft dann: Wir haben erst mal alles getan, was möglich war. Jetzt ist Europawahl, dann kommen Landtagswahlen, nächstes Jahr ist Bundestagswahl – da sind die Gewinner-Themen andere.

So wird das Klima selbst zum Verlierer. Schon jetzt bezweifelt der Expertenrat für Klimafragen, dass Deutschland sein Klimaversprechen für die Zeit bis 2030 einhält. Das ist kein Wunder, wenn etwa Emissionsziele für einzelne Sektoren der Volkswirtschaft aufgegeben werden, damit die Bremser in der Verkehrspolitik weitermachen können wie bisher.

Solche Konfliktverhinderungspolitik ist alles andere als mutig. Und Mut wäre jetzt gefragt, da Klimaretter in weiten Teilen des rechten Spektrums als Feindbilder herhalten. Jener Mut nämlich, die Vision eines grünen und gerade dadurch wohlhabenden Landes in rauen Zeiten zu vertreten. Grüne Energie ist auf Dauer nicht nur billig, sie macht Demokratien auch unabhängig von globalen Systemkonflikten. Dazu verschafft sie den Menschen die Möglichkeit, ihren eigenen Strom zu produzieren und damit selbstständiger zu werden.

Dazu gehörte das Eingeständnis, dass bessere Klimapolitik möglich ist. Weniger bürokratisch, effizienter und vor allem, indem man sie mit den Menschen und nicht gegen sie macht. Zuhören hätte nicht nur bei der Heizwende geholfen. Auch der Protest gegen neue Windräder ließe sich entkräften, wenn man von vornherein dafür sorgte, dass sich möglichst wenige Anwohner als Verlierer fühlen.

Die Angst der Klimapolitiker vor dem Volk ist ein schlechter Ratgeber. Denn sie nährt eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Tatsächlich müsste man den Menschen immer wieder zeigen, dass durch dauerhaften Klimaschutz neuer Wohlstand entsteht – und wenn es gut läuft, auch mehr Gerechtigkeit.