Deutschland wird seine Klimaziele für das Jahr 2030 nach Ansicht des führenden Expertenrats der Bundesregierung nicht erreichen können. Man gehe davon aus, dass der Ausstoß von Treibhausgasen bis dahin nicht wie geplant verringert werden könne, teilte das Klima-Expertengremium mit. Grundlage für die Prognose ist eine Prüfung der Vorausberechnungen des Umweltbundesamtes (UBA).

Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Emission von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll. Bis 2040 soll der Rückgang 88 Prozent betragen, 2050 soll Deutschland nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie wieder gebunden werden können – und damit klimaneutral sein.

Expertenrat erwartet keine Klimaneutralität bis 2050

"In Summe können wir die von den Projektionsdaten 2024 ausgewiesene kumulierte Zielerreichung für die Jahre 2021 bis 2030 nicht bestätigen, sondern gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus", sagte der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning. Auch die Ziele bis 2040 würden verfehlt, Klimaneutralität werde 2050 mutmaßlich noch nicht erreicht.

Damit widerspricht er jüngsten Äußerungen aus der Bundesregierung: "Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030", sagte der Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) im März, als das UBA die Projektionsdaten veröffentlicht hatte.

Dem Expertenrat zufolge wurde der Ausstoß von Treibhausgasen, der bis 2030 erwartet werde, bislang unterschätzt. Das gelte beispielsweise für die Industrie, die zuletzt weniger Kohlendioxid freigesetzt hatte – was allerdings an der schwachen Konjunktur lag. Bis auf die Land- und Abfallwirtschaft sind dem Rat zufolge die vom UBA prognostizierten Daten auch in anderen Sektoren zu optimistisch.

Dem Expertenrat zufolge sollen wichtige Entwicklungen nicht in die UBA-Berechnungen eingeflossen sein. So enthielten diese nur Daten bis zum Oktober 2023. Erst danach wurde aber der Energiewendefonds KTF zusammengestrichen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung des Sonderfonds für verfassungswidrig erklärt hatte. Zudem hätten sich die Markterwartungen für Gaspreise sowie die Preise für Zertifikate im Emissionshandel verändert.

Klimaschutzgesetz verpflichtet Regierung noch nicht zum Handeln

Das Klimaschutzgesetz sieht erst dann eine politische Nachsteuerung vor, wenn die Daten zwei Jahre nacheinander eine Verfehlung der Klimaziele erwarten lassen. Dennoch mahnen die Wissenschaftler die Regierung zum Handeln an. Sie solle nicht darauf warten, dass sich die pessimistische Prognose im kommenden Jahr bestätige. 

Eine Nachsteuerung werde zusätzlich davon erschwert, dass das Klimaschutzgesetz die Verantwortung innerhalb der Regierung nicht klar regle. Bisher mussten demnach Minister für die jeweiligen Bereiche, in denen Ziele verfehlt wurden, handeln. Jetzt sei aber die gesamte Regierung in Verantwortung, ohne Klarheit darüber, wer die Federführung habe.

Sollte die Bundesregierung auf ein erneutes ähnliches Gutachten im kommenden Jahr warten, müsste sie inmitten des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2025 auf die Prognosen des Rats reagieren.