Natürlich können wir nicht mit Gewissheit in die Zukunft sehen, im März ist es noch recht diesig; allerdings ahnen wir, gestählt durch jüngste Kulturdebattenevents, bereits die Skandale der Messe voraus, wo auffliegen wird, dass etliche engagierte Romane zu brisanten Gegenwartsthemen wohl von einem sehr begabten Waschbären geschrieben worden sind, und das ist natürlich ein Schock, weshalb das Wort "Lügenwaschbär" in Leipzig schnell die sogenannte Runde macht. Abkühlung wird es leider nicht geben, da ein Schriftsteller, dessen Namen wir bloß unscharf sehen, wenig später die publikumsnahe Frage nach seiner Lieblingsfarbe mit "Agrardiesel" beantwortet, weshalb in bewundernswerter Geschwindigkeit Traktoren die Ausfahrten von Suhrkamp bis Hanser blockieren und auch Klimaaktivisten den Arte-Stand in Orange besprühen, was wegen der Senderfarbe allerdings nicht stark auffällt.

Claudia Roth, offenbar anwesend, muss jedenfalls schon am Mittag ein verzweifeltes "Leuuuuteeeee!" in Menge und Mangakostüme rufen, die jedoch mit Marburger Studenten diskutieren, ob ihre Verkleidungen sexistisch, kulturelle Aneignung oder wenigstens anderweitig "problematisch" seien. Nun erreicht ein reitender Bote bald das Leipziger Messegelände und verliest einen offenen, in Sütterlin verfassten Brief in der Haupthalle: Die Form des Memoirs sollten nur mindestens 93-Jährige schreiben, die drei Kriege und etliche Affären in Ländern mit hoher Luftfeuchtigkeit überlebt haben. Woraufhin 26-Jährige mit starkem Berlinhintergrund einen Gegenbrief wegen Erfahrungsdiskriminierung formulieren, weil sie ja auch einmal beinahe was erlebt haben. Außerdem sei Sütterlin bereits "klassistisch", so ein "feudales Gekrakel" (Mareike, 29) könne schließlich nicht jeder lesen, was fürderhin als "Sütterlin-Debatte" kurz die Passierereien und frühen Weißweinschorleninfernos dominieren wird, weshalb niemand mehr vom heimlich aufgestellten Tinyhouse eines rechtsradikalen Verlags erregt Notiz nimmt, wo man vor einer Fototapete des Kyffhäuser Ziegen siezen und mit einem Kürassiersäbel aufs Grundgesetz einschlagen darf.

Und leider verschluckt der Lärm auch die Demo der Pronomen der dritten Person Singular, die mal sagen wollten, dass sie sich im deutschen Roman nicht mehr repräsentiert fühlen. Der "Lügenwaschbär" wurde inzwischen gefunden und gibt ein Interview auf einem öffentlich-rechtlichen Sofa. Er genehmige sich jeden Morgen ein Glas Barolo, wickle einen französischen Weichkäse aus und schreibe dann ein paar Seitchen, entlang der "meistgelesenen Themen" der Nachrichtenportale im Internet. Die anwesende Literaturkritik ist sich einig: Man habe einen großen Autor gefunden. Aber was ist denn das für ein gemustertes Tuch um seinen Hals? Können wir schlecht erkennen.

Jedenfalls, auch Claudia Roth ist abschließend gerührt. Es wird ganz sicher eine tolle Messe, ja.