Manche Adventskalender sind flache Papptafeln, aus denen man billige Schokobröckchen herauspulen muss. Andere bestehen aus liebevoll gefüllten Beuteln. Ihren Zweck erfüllen beide: Nach 24 Tagen ist zuverlässig Weihnachten.

In diesem Jahr suche ich ein Mittelding. Einen möglichst nachhaltigen Fertigkalender. Ich finde ihn bei The Body Shop. Die Kosmetik-Kette ohne Tierversuche bewirbt ihre Beauty-Adventskalender konsequent englisch mit "Fair Trade", viel "Community" und als "Gift of Change for the Planet". Also, "Gift" jetzt nicht im Sinne von Gift, sondern von Geschenk. Wobei: Geschenkt gibt’s hier nichts. Die kleinste Variante kostet 69 Euro.

Für diese Kolumne muss ich das Ding auf einen Schlag plündern. Ein Kindheitstraum wird wahr! Innen stecken 24 gefüllte Pappschachteln, außen lassen Botschaften keinen Zweifel daran, dass man mit Konsum die Welt retten kann.

Der Vielzahl wegen muss ich die Gaben vorsortieren: viele Duschgels, auch Handcreme und Gesichtspflege. Wenig im Segment Lippe und Haar. Von der Verpackung her dominieren 60-ml-Plastikfläschchen und 30-ml-Alutuben aus recyceltem Material. Pink Grapefruit und British Rose sind die häufigsten der recht intensiven Duftnoten. Insgesamt ist das Portfolio für meinen Geschmack zu obstlastig.

Die erste Schachtel birgt "Hand Balm Mango". Mit "kraftvollem" Mangokern-Öl, hergestellt von einer Community indischer Frauen. Was diese davon haben, bleibt vage. The Body Shop reicht ihnen wohl etwas von meinen 69 Euro weiter, okay. Warum das kraftstrotzende Mangokern-Öl jedoch durch Sonnenblumen-, Sesam- und Mandelöl sowie 20 weitere Zutaten ergänzt werden muss, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Ob diese auch aus der Frauen-Gemeinschaft stammen?

Avocado-Duschgel aus Südafrika ist für Tag zwei vorgesehen. 91 Prozent der Inhaltsstoffe seien "natürlichen Ursprungs", steht auf der Plastikflasche. Typisches Werbe-Blabla. Uran, Knollenblätterpilze und das Blut von Robbenbabys sind auch natürlichen Ursprungs, ich würde damit trotzdem nicht duschen. Mein Vorsatz für 2024: zu recherchieren, welchen übernatürlichen Ursprung die verbleibenden neun Prozent haben.

Kosmetik ist stets eine Einladung zum Selbstbetrug. Alles kann aus fairen Quellen stammen (was ist fair?) und dermatologisch getestet sein (mit welchem Ergebnis?). Nur Change gibt es garantiert: in Form von Wechselgeld an der Kasse. Übrigens wurde The Body Shop selbst gerade mal wieder verkauft. An eine Private-Equity-Firma aus Grünwald. Also an einen Finanzinvestor.

Zurück zum Produkt. Tag sechs, Nikolaus, überrascht mit "Shower Cream Coconut – nutty and creamy". Unter der Dusche schäumt und duftet es nussig und cremig, schon bald fühle ich mich wie ein nasser Bounty-Riegel. Yummy! Tag sieben ("Face & Body Bar") fordert mich zum "(Re)connecten" auf; mit Menschen, denen es in dieser Jahreszeit dreckig geht. Hmm. Soll ich denen ein Stück Seife reichen? Ich erhalte den Vorschlag, draußen im Park Müll zu sammeln. Erfahre, dass das Shampoo mehr Reparaturen durchführt als meine Autowerkstatt. Lerne, dass eine Handcreme hydrierend und nährend zugleich sein kann. Verbinde mich mit Communitys (gedanklich).

Mein Weihnachtswunsch: weniger Erdbeerduft bei Duschgel (Tag 16) und Lippenbalsam (Tag 20). Erdbeeren gehören in die Marmelade oder auf den Kuchen. Überhaupt sollte Kosmetik mit Erdbeeren verboten werden für alle Menschen, die älter als zwölf sind.

Übrig bleibt ein Haufen aus Pappe, Plastik und Alu. Die Schachteln haben ein mieses Verhältnis von Verpackung zu Inhalt. Als letztes Türchen öffne ich die Haustür und bringe das Zeug raus zu den Tonnen. Mit Konsum lässt sich die Welt nicht retten. Ich hätte es wissen müssen.