Wahl in Großbritannien Für Labour könnte der Super-Sieg zum Problem werden

Während die Labour-Anhänger im Freudentaumel sind, gibt es für Großbritanniens neuen Premierminister Keir Starmer (rechts) nicht nur Grund zur Freude. Quelle: AP

Die Briten haben gewählt – und sich mit überwältigender Mehrheit der sozialdemokratischen Labour-Partei zugewandt. Für Neu-Premier Keir Starmer wäre ein knapperer Sieg wohl besser gewesen. Ein Kommentar.

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Labour-Chef Keir Starmer hat gerade den höchsten Sieg in der Geschichte seiner Partei eingefahren, als er zur Dankesrede vor seine Parteianhänger tritt und für seine Verhältnisse nahezu gelöst ausruft: „Wir haben es geschafft, der Wandel beginnt jetzt. Und ich muss gestehen, es fühlt sich gut an.“ Zu diesem Zeitpunkt ist klar, dass Labour nahezu zwei Drittel aller Sitze im nächsten Unterhaus stellen wird mit Starmer als neuem Premierminister. Die einst so stolzen Konservativen sind auf einen Bruchteil ihrer früheren Stärke pulverisiert.

Doch der enorme Wahlerfolg von Starmers Team sorgt nicht nur bei der Opposition für betretene Gesichter. Auch so mancher Beobachter fürchtet, dass die neue Super-Mehrheit nicht zu mehr Stabilität, sondern zu mehr Problemen führen könnte. Der Londoner Chefökonom Holger Schmieding von der Berenberg-Bank etwa warnt vor einem „erheblichen Risiko“, dass die moderaten Kräfte nach der Wahl an Boden verlieren könnten.

Die Labour-Partei hat einen weiten Weg hinter sich. Bei der Wahl vor fünf Jahren entschied sie sich für einen extrem linken Kurs, angeführt von Jeremy Corbyn, der ihr ein desaströses Wahlergebnis bescherte. Starmer übernahm und richtete die Partei wieder auf, allerdings erst, nachdem er die verbliebenen Mitglieder des extrem linken Flügels rausgeschmissen oder zur Disziplin gezwungen hatte.

So lange der Feind im Wahlkampf klar war, konnte Starmer diese Disziplin aufrechterhalten. Mit seine neuen Super-Mehrheit (und dem Fehlen einer erstzunehmenden Opposition) jedoch dürften die Begehrlichkeiten von Linksaußen wieder zunehmen.

Im Wahlkampf hatte Starmer etwa versprochen, keine Steuern erhöhen zu wollen. Das sehen viele Parteifreunde deutlich lockerer als er.

Ohnehin ist fraglich, ob der neue Premier sein Programm ohne Steuererhöhungen überhaupt durchziehen kann: Auf dem Papier verspricht Starmer, alle Sozial- und Investitionsausgaben allein mit höherem Wachstum gegenzufinanzieren. Dieses Wachstum soll das höchste aller G7-Staaten sein – ein gelinde gesagt ambitioniertes Ziel, wie der Chef der deutsch-britischen Außenhandelskammer, Ulrich Hoppe, im Interview mit der WirtschaftsWoche seziert. Ohne höhere Steuern werde es am Ende nicht gehen, vermutet Hoppe.

Leichte Beute für Populisten?

Und die neue Supermehrheit könnte noch eine zweite Gefahr bergen, wie Ökonom Schmieding erklärt: Die konservativen Tories stehen nach ihrer historischen Niederlage kopflos da – und könnten so erneut leichte Beute werden für populistische Politiker wie Brexiteer Nigel Farage. Der war einst von den Tories geschasst worden und hat für die jetzige Wahl eine neue Partei gegründet, mit der er sogar aus dem Stand ein paar Sitze gewinnen konnte. Die Tories könnten seine Rückkehr als Stärkung feiern.

Selbst wenn ein anderer Politiker das Führungsvakuum bei den Konservativen füllt, das Risiko ist groß, dass es eine extremere Stimme sein dürfte, allein um sich von Starmer abzugrenzen. Dann stünden sich eine erstarkte Superlinke mit Regierungsmacht und eine verzweifelt schrille neue Rechte gegenüber.

In einer „bizarren Wendung des Schicksals“ (Schmieding) würde das britische Volk so mit seiner sehr deutlichen Wahl pro Labour mittelfristig genau das Gegenteil davon bekommen, was es wollte. Statt Ruhe und Stabilität erneutes Chaos.

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Neu-Premier Starmer scheint das zu wissen. Bei seiner Siegesrede setzt er schon nach wenigen Sätzen des Jubels zu ernsteren Tönen an: „Ein Mandat wie dieses geht mit einer Verantwortung einher“, warnt er. Den Sieg und alles, was er möglich mache, gebe es nur, weil „wir die Partei verändert haben“, betont Starmer wieder und wieder. „Diese Veränderungen sind von Dauer, ja unumkehrbar.“ Nur das reformierte, mittige Labour könne der Regierungsverantwortung gerecht werden.

Es hat etwas Flehentliches.

Lesen Sie auch den großen Bericht aus London: Warum die britische Wirtschaft jetzt zu Labour flüchtet

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