Es war vor fast genau zehn Jahren: Maracana-Stadion, Rio de Janeiro, Brasilien. Im Finale der Fußballweltmeisterschaft standen sich Deutschland und Argentinien gegenüber. Es fiel kein Tor, ehe Mario Götze in der 113. Minute den Ball mit dem linken Fuß am argentinischen Torwart vorbeischoss. Wenige Minuten später pfiff der Schiedsrichter ab, die deutsche Mannschaft streckte zum vierten Mal den WM-Pokal in die Höhe.
Das Trikot, das Götze bei seinem goldenen Tor trug, könnte heute zwischen 100.000 und 150.000 Euro wert sein – falls es direkt aus der Hand des Spielers käme, schätzt Wolfgang Fuhr, Geschäftsführer von Agon Sportsworld, einem deutschen Anbieter für Sportmemorabilien. Neben Medaillen, Eintrittskarten, Wimpeln, Fotos und Zeitungen aus der Fußballwelt, verkauft und versteigert sein Haus seit Jahrzehnten auch Fußballtrikots. Nur nicht das Jersey von Götze, das habe der Siegtorschütze selbst behalten.
Das ist allerdings nicht immer so. Besondere Fußballtrikots kommen heute häufiger in Umlauf, der Markt wächst: „Fußballtrikots statt Kunst, das ist der Trend, den wir beobachten“, sagt Fuhr. Deshalb würden sich die Shirts auch als Geldanlage lohnen. In den vergangenen Jahren seien die Preise dafür extrem gestiegen. „Bei Bundesliga- und DFB-Trikots, vor allem von vor 1980, erleben wir regelrechte Preisexplosionen“, sagt der Experte. „Auch die Preise für Trikots aus der DDR aus den 60er und 70er Jahren haben sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht.“
Große Namen sind sichere Anlagen
Das liege daran, dass immer mehr Menschen sammeln und handeln, vor allem Jüngere. „Unsere Kernkundschaft ist zwischen 15 und 45, es gibt viele in diesem Alter, deren Sammlungen schon hunderttausende Euro wert sind und die finanzieren sie durch den Handel damit“, erklärt der Agon-Geschäftsführer.
Erst neulich sei über Fuhrs Auktionshaus ein Trikot von Lionel Messi für 22.000 Euro versteigert worden. Der Argentinier trug es 2015 im Rückspiel des Halbfinales der Champions League gegen den FC Bayern München. 2015 habe sein Kunde noch 7.500 Euro dafür gezahlt. Rendite in den ungefähr neun Jahren: Über 190 Prozent.
„Das Messi-Trikot war sehr verschmutzt“, sagt Fuhr. Was erstmal wie ein Makel klingt, schiebt den Preis in Wahrheit stark nach oben. In Sammlerkreisen sind vor allem getragene, oder „matchworn“, Trikots begehrt – je dreckiger und verschwitzter, desto besser. Und teurer. „Die Spieler sollten die Trikots selbst getragen haben, im Optimalfall bei wichtigen Spielen, Turnieren oder gar Endspielen“, sagt Fuhr.
Getrieben würden die Preise auch von den Namen, die hinten auf den Trikots stehen: Am besten Stars, die international über einen großen Zeitraum bekannt sind, keine One-Hit-Wonder. Große Namen seien sichere Anlagen und jährliche Renditen von drei bis sechs Prozent möglich.
Die Preiskategorie von Lionel Messis Shirts ist jedoch mehr Ausnahme als die Regel. „In unserem Shop hatten wir auch getragene Trikots von Spielern von Bayer Leverkusen, zum Teil für 120 Euro, die wollte niemand haben“, erzählt Fuhr. „Doch die Trikots der abgelaufenen Bundesligasaison gingen nach dem Meistertitel für 500 bis 800 Euro weg.“
Worauf künftige Sammler bei Trikots achten sollten
Derlei vermeintlich rare Schätze werden mittlerweile in vielen Onlineshops oder auch bei Ebay angeboten. Der Experte rät allerdings davon ab, hier zuzuschlagen. Vor allem als Neuling. „Die Chance, hier einer Fälschung aufzusitzen, ist extrem hoch“, sagt Fuhr. „Ebay ist ein Tummelplatz für Fälscher geworden, die versuchen, ihr Stück vom Kuchen abzubekommen.“
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Um Fälschungen zu erkennen, bräuchten Sammler schon einige Erfahrung. Man müsse Angaben im Inserat und die Fotos penibel überprüfen können: Gibt es noch Filme oder Bilder, auf denen das Trikot getragen wurde, sprechen die Details für das Inserat? Sind die Etiketten richtig eingenäht? Wurde der richtige Faden verwendet? Sind die Wäschezeichen echt? Sind die aufgeflockten Rückennummern überhaupt aus dem richtigen Material?
„Ich mache das seit 40 Jahren und es ist sehr mühevoll, das zu lernen“, sagt Auktionator Fuhr. Aber selbst er wurde schon mehrfach betrogen. „Auf Fotos lässt sich nicht immer alles erkennen, erst beim Auspacken erkennt man es dann – aber jeder Fehlkauf ist eine Fortbildung.“
Interessenten solcher sportlichen Sammlerstücke rät Fuhr dazu, zunächst auf den Text des Inserats zu achten: „Seriöse Verkäufer differenzieren sehr genau zwischen getragenem Trikot, Spielertrikots, die noch nicht getragen wurden, sogenannten „Player Issued“-Stücken, und dem normalen Fantrikot“, sagt er. Wenn Verkäufer angeben, sie hätten es selbst als „matchworn“ gekauft, sollten Interessierte hellhörig werden: „Das ist ein beliebter Spruch, um sich rechtlich rauszuhalten, da lässt sich dann als Verkäufer sagen, man sei selbst reingelegt worden“, sagt der Experte.
Außerdem sollten sich künftige Sammler von Benefiz-Auktionen fernhalten: „Es ist zwar für den guten Zweck, aber die dort ausgerufenen Preise haben natürlich nichts mit realen Marktpreisen zu tun“, sagt der Branchenexperte.
Auch ungetragene Trikots können sich lohnen
Fuhr bezieht viele seiner Stücke direkt von Spielern oder Funktionären. Wer nicht mit solchen Kontakten aufwarten kann, sollte eher auf Angebote bei seriösen Händlern zurückgreifen. Die lassen sich daran erkennen, dass sie zum Teil Echtheitszertifikate rausgeben oder Geldzurückgarantien, falls sich das gekaufte Stück doch als Fälschung entpuppen sollte. Teilweise bieten auch die Vereine selbst die Trikots öffentlich an. In England verbreiteter als hierzulande.
Stressfreier und günstiger sei es da, auf ungetragene Trikots auszuweichen. „Die Preisentwicklung ist zwar nicht parallel, aber es gibt auch Fantrikots aus den 70er oder 80er Jahren, bei denen die Preise enorm gestiegen sind“, sagt Fuhr. Ein Trikot von Borussia Dortmund aus der Saison 1986/87 zum Beispiel, auf der Brust prangt der ikonische Sponsorenschriftzug der Klebstoff-Firma Uhu. „Selbst dieses Trikot ist in gutem Zustand heute ungefähr 1000 Euro wert“, sagt Fuhr.
Und was ist mit den aktuellen Trikots der Heim-EM? Die deutsche Nationalmannschaft trifft im Viertelfinale auf Spanien. Ein getragenes Trikot dieser Europameisterschaft von Shootingstar Jamal Musiala schätzt Fuhr auf derzeit 2000 bis 5000 Euro. „Schießt Musiala ein Tor oder womöglich sogar in einem Endspiel, lässt sich aber auch da auf eine Wertsteigerung hoffen“, sagt er.
Trotzdem versucht Fuhr gerade eher, an ein Trikot eines spanischen Konkurrenten zu kommen: dem gerade mal 16-jährigen Lamine Yamal. „Bei solchen Spielern mit enormem Potential, die aber noch nicht so bekannt sind, sind noch größere Wertsteigerungen möglich – da kann man eigentlich nichts verkehrt machen“, sagt Fuhr.
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