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  3. Klimawandel: Offenbar sind die bisherigen Klimamodelle von falschen Voraussetzungen ausgegangen

Wissenschaft Klimawandel

Diese Studie stellt den aktuellen Klimamodellen ein schlechtes Zeugnis aus

Redakteurin im Ressort Wissen
Wanderer im Wald Wanderer im Wald
Wälder sind nicht nur ein Ort der Erholung – sondern auch wichtige und womöglich unterschätzte Speicher von CO₂
Quelle: Getty Images/Westend61
Aktuelle Klimamodelle scheinen falsch berechnet worden zu sein: Offenbar unterschätzen sie deutlich, wie viel Kohlendioxid Pflanzen und Böden aufnehmen können. Das würde bedeuten, dass die Erde mehr Emissionen verkraftet. Oder vielleicht doch nicht?
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„Wir haben herausgefunden, dass Pflanzen derzeit Jahr für Jahr 80 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen und speichern“, sagt die Klimaforscherin Heather Graven vom Imperial College London. Das seien „30 Prozent mehr als bisher angenommen“. Es ist ein einfacher Satz, gesprochen in einem Erklärvideo zu ihrer aktuellen Studie, aber er dürfte Fachleuten auf der ganzen Welt zu denken geben.

Mit ihren Klimamodellen sagen Forscher voraus, was all das Kohlendioxid, das die Menschheit in die Atmosphäre bläst, für die Zukunft des Planeten bedeutet. Und sie prognostizieren, wie viel Kohlendioxid Industrie und Haushalte abgeben dürfen, damit die davon angestoßenen klimatischen Veränderungen nicht verheerend ausfallen.

Voraussetzung für die Vorhersagen der Modellierer ist, dass die Ausgangsdaten stimmen. Eine zentrale Frage: Wie viel des emittierten Kohlendioxids verbleibt tatsächlich in der Atmosphäre? Wie viel wird verstoffwechselt oder anderweitig gebunden?

Genau hier haben die Modelle offenbar mit falschen Daten operiert: Dies zumindest legt die Analyse nahe, die Graven zusammen mit Kollegen aus Oxford, Heidelberg, Berkeley, Wisconsin und Colorado im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht hat.

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Die Ausgangsidee dabei war, sich die Überbleibsel der Atombombenversuche in den 1950er- und 1960er-Jahren genauer anzusehen. Kohlendioxidmoleküle bestehen aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Zu den radioaktiven Substanzen, die Atombomben überall auf der Welt hinterlassen haben, gehört auch radioaktiver Kohlenstoff (14C).

Er ist ebenso wie der gewöhnliche Kohlenstoff (12C) ein möglicher Baustein im Kohlendioxid. Nach den Atombombentests sei er über die Fotosynthese von Pflanzen auch in die terrestrische Biosphäre gelangt, schreiben die Forscher. „Nachzuverfolgen, wie 14C damals dort angereichert wurde, bringt die Raten der Kohlendioxidaufnahme in Pflanzen und Böden zutage.“

Kohlendioxid als Baumaterial

Tagsüber, wenn die Sonne scheint, machen Pflanzen mittels Fotosynthese aus Kohlendioxid und Wasser Zucker und Sauerstoff. Der Zucker ist nicht nur Energielieferant für sie, sondern auch Baumaterial. Wurzeln, Stamm, Blätter und Blüten, der gesamte Pflanzenkörper besteht letzten Endes aus dem Kohlendioxid, das die Pflanzen in Zucker verwandelt haben.

Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, nehmen dasselbe Kohlendioxid in ihren Organismus auf, ebenso Pilze und Bodenbakterien, die Herbstlaub in Humus verwandeln. Umgekehrt geben Tiere einen Teil des Kohlendioxids über die Atmung wieder ab. Auch Pflanzen setzen geringe Mengen Kohlendioxid durch Stoffwechselprozesse frei.

Deswegen ist die Frage, wie viel Kohlendioxid aus der Luft in Boden und Lebewesen langfristig und zuverlässig gebunden ist, alles andere als banal. Die Größenordnung, in der Pflanzen im globalen Maßstab Kohlendioxid speichern, die sogenannte Nettoprimärproduktivität (net primary productivity, NPP), wurde für die Klimamodelle bisher nur grob und leider auch falsch geschätzt, kritisiert Graven.

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Die Analysen des radioaktiven Kohlenstoffs zeigen nun, dass kurz nach den Atombombenversuchen viel weniger 14C-Kohlendioxid in der Atmosphäre vorhanden war, als bisher angenommen. Tatsächlich würden Pflanzen weltweit 80 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr binden. Bisher waren Klimaforscher davon ausgegangen, dass die Speicherleistung 43 bis 76 Gigatonnen beträgt.

„Aktuelle Klimamodelle unterschätzen den Beitrag der Pflanzen und rechnen mit zu geringen Werten für die Speicherung von CO₂“, sagt Graven. Das liegt offenbar daran, dass vor allem mit Baumstämmen gerechnet wurde, in deren Holz Kohlenstoff für viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte gebunden ist. In den Daten sehe man aber, dass auch holzfreie Biomasse wie Blätter einen großen Anteil am Speichereffekt hätten, schreiben die Forscher.

Und zu wenig berücksichtigt wurde offenbar auch, wie umfangreich die unterirdischen Teile der Pflanzen sind: In der Regel sind sie vergleichbar groß wie die oberirdischen Anteile. So wurden insbesondere die holzigen Hauptwurzeln in den Modellen teilweise berücksichtigt, nicht jedoch die Feinwurzeln, die bei vielen Arten noch mehr Masse haben und dementsprechend mehr Kohlenstoff binden.

Speicherung doppelt so hoch wie Emissionen

80 Gigatonnen sind nicht nur deutlich mehr, als in den gängigen Klimawandelprognosen zugrunde gelegt wird, es ist bemerkenswerterweise auch doppelt so viel wie der jährliche Kohlendioxid-Ausstoß der Menschheit. Der lag 2022 laut des Statistikdienstes Statista bei 37,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid.

Bedeutet das nun, dass man kein schlechtes Gewissen mehr haben muss, wenn man bald in den Ferienflieger steigt? Weil Pflanzen die Sünden der Menschheit ausbügeln?

So einfach ist es leider nicht, hier kommt ins Spiel, dass Lebewesen Biomasse auch als Brennstoff verwenden. Nahezu dieselbe Menge CO₂ werde wieder freigesetzt, wenn Pflanzen im Herbst ihre Blätter verlieren, Äste abwerfen, oder weil sie sterben und den Bodenlebewesen als Nahrungsquelle dienen, meint Graven.

Diese Freisetzung gespeicherten Kohlendioxids aus der Biosphäre in die Luft habe sich seit den 1960er-Jahren offenbar stärker beschleunigt, als in den bisherigen Modellen berücksichtigt wurde. „Insgesamt ist der grüne Teil der Lebensgemeinschaft in der Lage, 30 Prozent der gesamten Kohlendioxid-Emissionen der Menschheit aus der Atmosphäre zu holen. Das bremst den Klimawandel aus. Gleichzeitig ist diese Kohlenstoffsenke empfindlicher gegenüber den Klimaveränderungen, als wir bislang dachten, kann sich schneller auflösen.“

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Die Studie gibt dem Klimaschutz eine Richtung vor: Mit ausgedehnten Naturflächen könnte man tatsächlich einen Teil des Kohlendioxids aus der Luft holen, man müsste allerdings dafür sorgen, dass es immer mehr und nicht wie derzeit immer weniger Wälder und Wiesen gibt und dass es diesen Naturflächen gut geht. Also echte, wilde Naturflächen schaffen, keine scheinbaren, wie die mancherorts üblichen „Ausgleichsflächen“ aus Rasen und Kugelbäumen.

Und die Klimamodelle? Sie haben teilweise falsche Voraussetzungen zugrunde gelegt, aber bei einem Aspekt, der aufs große Ganze gesehen nur einen kleineren Ausschnitt beleuchtet. Der weit bedeutendere Kohlenstoffspeicher ist nicht an Land, sondern im Wasser: Unter anderem, weil sich das Gas dort direkt lösen kann, unzählige mikroskopisch kleine Algen in den Weltmeeren ebenfalls Fotosynthese betreiben und Kohlenstoff dort als Baumaterial für Schalen sehr beliebt ist, enthalten die Ozeane 16-mal mehr Kohlenstoff als die Biosphäre an Land.

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Wirklich maßgeblich dafür, ob die Klimamodelle recht behalten werden, sind also die Kohlenstoffkreisläufe in den Weltmeeren. Beschleunigt sich dort die Freisetzung, werden alle anderen Maßnahmen irrelevant.

Es wird wohl Zeit, dass sich auch dort jemand die radioaktiven Anfälle ansieht.

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