Mehr als ein Zehntel in zwei Jahrzehnten: Das ist die traurige Bilanz der schwindenden Größe der Grauwale (Eschrichtius robustus) im Pazifik. Die Giganten schrumpfen.
Die Daten stammen von Forschern der Oregon State University in Newport/USA und wurden in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht. Ihre Befürchtung: Die Meeressäuger werden nicht nur kleiner, sondern verschwinden nach und nach. Offenbar können sich kleinere Wale schlechter fortpflanzen.
„Die Körpergröße scheint ein Warnsignal dafür zu sein, dass die Population nicht gesund ist“, sagt Kevin Bierlich, Assistenzprofessor am Marine Mammal Institute, in einer Pressemitteilung. „Und das Meer. Wale gelten als Wächter des Ökosystems.“ Die Ursache vermutet er in der gestörten Nahrungskette.
Grauwale jagen vor allem winzige Flohkrebse, aber auch Ruderfußkrebse und kleine Fische. Als einzige Vertreter dieser Tiergruppe tun sie dies auch am Meeresboden. Die Studie untersuchte eine kleine Untergruppe von etwa 200 Grauwalen, die an der Pazifikküste jagen. Insgesamt gibt es im östlichen Nordpazifik 14.500 Wale. Diese Untergruppe hält sich näher an der Küste von Oregon auf und ernährt sich in flacheren und wärmeren Gewässern als in den arktischen Meeren, wo der Großteil der Grauwalpopulation die meiste Zeit des Jahres verbringt. Touristen kennen sie von Walbeobachtungsbooten.
Klimawandel bringt die Strömungen durcheinander
Die Daten zeigen, dass sich auch das Gleichgewicht zwischen Auftrieb und Entspannung verändert hat. „Wir haben nicht speziell untersucht, wie sich der Klimawandel auf diese Muster auswirkt, aber im Allgemeinen wissen wir, dass der Klimawandel die Windmuster und die Wassertemperatur im Nordostpazifik verändert hat“, sagt Pirotta. „Und diese und andere Faktoren beeinflussen die Dynamik der Tiefenzirkulation in der Region.“ Die Biologen untersuchten auch, nach welchem Muster die Nährstoffe, die die Krebse anlocken, vor der Küste Oregons aufsteigen und absinken.
Wenn das Wasser aufsteigt, werden die Nährstoffe von den tieferen in die flacheren Bereiche transportiert, und wenn das Wasser absinkt, bleiben sie in den flacheren Bereichen, wo das Licht das Wachstum von Plankton und anderen Kleinstlebewesen, einschließlich der Beutetiere der Grauwale, fördert. Dieser Prozess hängt von Temperaturunterschieden zwischen tiefem und flachem Wasser ab. „Ohne das Gleichgewicht dieser Wasserbewegungen könnte das Ökosystem nicht genug Beute produzieren, um die Größe der Grauwale zu unterstützen“, sagt der dritte Forscher der Gruppe, der Meeresökologe Leigh Torres.
Bierlich untersuchte Drohnenaufnahmen und kam zu dem Ergebnis, dass die Körperlänge der erwachsenen Wale zwischen 2000 und 2020 um durchschnittlich 13 Prozent abgenommen hat. Besonders stark war der Effekt bei den Weibchen: Sie waren früher größer als die Männchen, jetzt sind sie gleich groß. Würde der gleiche Trend beim Menschen eintreten, wäre das so, als würden Frauen von 1,63 Meter auf 1,42 Meter schrumpfen.
„Generell ist die Größe für Tiere entscheidend“, sagt Enrico Pirotta, Hauptautor der Studie und Forscher an der Universität St. Andrews in Schottland. „Sie beeinflusst ihr Verhalten, ihre Physiologie, ihre Lebensgeschichte und wirkt sich auf die Gemeinschaft aus, der sie angehören.“
Für erwachsene Grauwale sei der Fortpflanzungserfolg eine der größten Sorgen. Wenn sie kleiner sind, können die Grauwalmütter nicht so viele Fettreserven aufbauen, die sie für die Schwangerschaft und das Säugen brauchen. Die Studie zeigt leider auch zahlreiche Narben von Schiffskollisionen und Fischernetzen am Körper der Großsäuger. Das Team befürchtet, dass die fehlende Körpermasse ihr Immunsystem beeinträchtigen könnte. Sie wären dann immer weniger widerstandsfähig gegen solche Verletzungen.