Die 1:6-Klatsche im WM-Achtelfinale gegen Portugal hat gehörigen Frust im Schweizer Nationalteam ausgelöst – und eine Diskussion über die Taktik von Trainer Murat Yakin. „Wir haben unseren Plan gewechselt und er ist leider nicht aufgegangen“, sagte Xherdan Shaqiri nach dem dritten Achtelfinal-Aus der Eidgenossen bei einer Weltmeisterschaft in Serie. Allerdings hätte auch kein Schweizer Spieler Normalniveau erreicht, hielt sich der frühere Profi des FC Bayern mit Kritik an der Systemumstellung zurück.
Yakin hatte gegen Portugal nach dem erkältungsbedingten Ausfall des Mainzer Außenverteidigers Silvan Widmer hinten zunächst eine Dreier- statt wie sonst einer Viererkette aufgeboten. Sowohl der Trainer als auch seine Spieler wurden nach der Partie mehrfach auf die Systemumstellung angesprochen.
„Es lag nicht am System, es lag an der Bereitschaft. Wir hatten nie Zugriff auf das Spiel“, sagte Yakin. Die Krankheitsfälle, mit denen das Team in den vergangenen Tagen zu kämpfen hatte, hätten womöglich auch Kräfte gekostet. „Wir haben das Spiel nicht wegen des Systems verloren“, betonte auch Kapitän Granit Xhaka. Defensiv nicht zu laufen und nur offensiv etwas zu wollen, könne man „auf dem Niveau nicht machen“, so der frühere Gladbacher, der extrem gereizt wirkte.
Einer seiner Teamkollegen schoss dagegen öffentlich gegen Yakins Entscheidungen. „Der Trainer ist der Trainer. Er macht die Taktik. Und wir haben verloren. Was soll ich dazu sagen? 6:1. Das sagt alles“, meinte Haris Seferovic, der zudem „viel zu viele Fehler“ im Spiel der eigenen Mannschaft ausmachte. Ein erstaunlich offener Seitenhieb gegen den Nationaltrainer.
Schweizer Medien üben Kritik
Auch in der Heimat sorgten Taktik und Auftreten der Nationalelf gegen Portugal für harsche Kritik. „Die Schweizer wollten die Welt erobern – und erleben ein Debakel“, schrieb die „Berner Zeitung“ nach dem erneuten Achtelfinal-Aus. „Ein blutleerer Auftritt, kein Schweizer ist genügend“, befand das „St. Galler Tagblatt“.
Auch Trainer Yakin wurde in der Öffentlichkeit angezählt. „Yakin verzockt sich komplett“, hieß es in einem Kommentar des „Blick“. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb: „Yakin verzockt sich, das System kollabiert.“ Der 48 Jahre alte Coach und Kapitän Granit Xhaka müssten sich hinterfragen.
Die Schweizer hatten sich in Katar viel vorgenommen und wollten erstmals seit ihrem Heim-Turnier 1954 wieder ins Viertelfinale einer WM einziehen. Stattdessen kassierten sie gegen Portugal – geteilt mit dem 0:5 gegen Deutschland 1966 – die höchste Niederlage ihrer WM-Historie.
Ob das Ergebnis Yakins Stellung schwächt und seinen Posten als Nationalcoach womöglich sogar gefährdet? „Nein, ganz und gar nicht“, sagte der Direktor der Schweizer Nationalteams, Pierluigi Tami, nach der Partie im Lusail Stadion am Dienstagabend. „Wir werden das natürlich im Detail analysieren. Aber ich habe schon erkannt, dass Leben in der Mannschaft ist.“