Solch ein Moment kann eine Mannschaft weit tragen. Das dritte Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei dieser EM war ihr schwächstes, begeisternder Fußball war das diesmal nicht. Ihr fehlten lange Präzision und Sicherheit sowie Glück im Spiel – doch mit viel Willen und Teamgeist sicherte sie sich gegen die Schweiz dann doch noch das 1:1 (0:1). Und damit den wichtigen Gruppensieg.
Ganz klar: In der K.o.-Phase wird sich die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann deutlich steigern müssen. Erstmals lag das Team in einer Partie zurück – und schaffte es danach lange nicht, offensiv zwingend genug zu sein. Sie entwickelte auf dem Rasen zu wenig Lösungen. Doch dieser Niclas-Füllkrug-Moment in der Nachspielzeit, der Ausgleichstreffer des eingewechselten Stürmers, rettete die Mannschaft. Es war ein Erfolg der Moral. Und so fühlte sich das Unentschieden für die Mannschaft wie ein Sieg ein.
Trotz der Schwächen gegen die Schweiz: Nach Abschluss der Vorrunde bleiben viele positive Erkenntnisse. Den Worst Case hat Nagelsmann mit seiner Mannschaft schon mal vermieden. Sein Vorgänger Hansi Flick schied mit Deutschland bei der WM 2022 in Katar, dem bislang letzten Turnier, blamabel in der Vorrunde aus. Insofern ist das Erreichen des Achtelfinales schon mal eine Steigerung.
Das absolute Mindestziel ist aber noch längst nicht erreicht. Dieses muss für einen Kader mit der Qualität und dem Potenzial das Viertelfinale sein. Trainer und Mannschaft haben selbst gesagt, sie treten an, um im eigenen Land den Titel zu gewinnen. Ein Ausscheiden vor der Runde der letzten Acht wäre eine herbe Enttäuschung.
Die wirklichen Prüfsteine kommen erst noch
Wo diese Mannschaft wirklich steht, ob sie wirklich titelreif ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Trotz aller positiven Erkenntnisse der Gruppenphase. Gegen die Schweiz fehlten phasenweise die Ideen, um sich offensiv durchzusetzen. Vor dem Strafraum agierten Jamal Musiala und seine Kollegen teilweise zu hektisch, Florian Wirtz enttäuschte. Dafür überzeugt Füllkrug als Joker: Bereits beim 5:1 zum Turnierauftakt gegen Schottland hatte er getroffen. Dieser Angreifer ist eine deutsche Stärke.
Die wirklichen Prüfsteine, die Gradmesser, kommen für die deutsche Mannschaft erst noch. Ab jetzt, ab Beginn der K.o.-Phase, lässt sich kein schwaches Spiel, keine ungenügende Tagesform mehr korrigieren. Im Achtelfinale könnte Deutschland nun auf England, Dänemark, Serbien oder Slowenien treffen. Bereits im Viertelfinale droht Titelfavorit Spanien.
Innenverteidiger Jonathan Tah wird der Mannschaft im Achtelfinale nach seiner zweiten Gelben Karte fehlen, vielleicht auch der angeschlagene Antonio Rüdiger und damit die komplette Innenverteidigung – ein herber Verlust für Nagelsmanns Team. Waldemar Anton und Nico Schlotterbeck sind die Ersatzkandidaten. Erstmals in diesem Turnier muss der 36-jährige Bundestrainer seine Stammelf ändern.
Die Leistungen der deutschen Mannschaft und die Unterstützung ihrer Fans in der Gruppenphase haben berechtigte Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier geweckt. Nicht mehr. Und nicht weniger.
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