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Weinland Frankreich Blick ins Ungewisse

Wenn Feste ausfallen, haben es Winzer schwer

Champagner steht wie kein anderes Getränk für Feierlaune. Was aber, wenn die Feste ausfallen? Champagner steht wie kein anderes Getränk für Feierlaune. Was aber, wenn die Feste ausfallen?
Gerade die Champagner-Wirtschaft ist durch die Corona-Krise schwer gebeutelt
Quelle: Getty Images
Zwischen Lockdown, Wiederbelebung und erneuten Einschränkungen: Frankreichs Weinbranche versucht tapfer, über die Runden zu kommen. Unter anderem mit Online-Handel.

Am Freitag- und Samstagabend während des zweiten Wochenendes im Dezember erstrahlt die Avenue de Champagne in Epernay in einem ständig wechselnden Reigen bunter Projektionen. Kostümierte Sängerinnen mit leuchtenden Perücken stimmen Arien vor den illuminierten Fassaden der Champagnerhäuser an.

Tänzerinnen und Tänzer in hautengen Trikots rollen gigantische Lichterräder zu Technoklängen über das Pflaster. Das dicht gedrängte, herrlich gemischte Publikum fällt in den Rhythmus ein. Begeistert sich für durch die Lüfte geschwenkte Fantasiegestalten, Akrobaten, Straßenkünstler, Fanfaren, Themenkutschen und Feuerwerk.

Trotz kühler Temperaturen und zwickendem Wind geht es heiß her. In den Höfen der großen Marken und denen der Winzer drängt man sich um die Champagnerbars, stößt an und feiert in bester Laune – und das seit 20 Jahren – Les Habits de Lumière, die Lichtgewänder der Avenue de Champagne. Nur nicht in diesem Jahr. Zwar will Epernay im Dezember nicht ganz auf Projektionen und Video-Szenerien verzichten, doch wie und für wie viele, das bestimmt das Covid-19-Virus.

Synomym für Luxus

„Champagner wird das am stärksten von der Pandemie betroffene Getränk sein“, klagt Jean-Marie Barillere, Präsident der Union des Maisons de Champagne, „denn er ist das Synonym für Feste, Zelebrieren, Teilen und Treffen mit Freunden.“ Kein Zweifel, der sagenhafte Erfolg des Champagners gründet sich darauf, dass mit ihm jedes Fest, jede Feier, jeder Event einen Touch von Glamour erfährt.

Wenn man sich trifft, gehört Champagner eigentlich immer dazu
Wenn man sich trifft, gehört Champagner eigentlich immer dazu
Quelle: Getty Images

Gerade da, wo man zahlreich zusammenkommt, ob bei Veranstaltungen, Tagungen, Messen, Gala-Diners, wertet Champagner den Anlass auf. Wo Luxus gefragt ist, in Sterne-Restaurants, Palasthotels, Edel-Diskotheken, in der First oder der Businessclass der Fluggesellschaften trifft man unweigerlich auf Champagner.

„Es ist klar, dass 2020 ein Jahr wird, in dem die verkauften Volumen an Champagnern bei Weitem niedriger sein werden als in den vorangegangenen Jahren“, so Jean-Pierre Cointreau, Präsident der Gruppe Iconic Nectars, die unter anderem Champagne Gosset und Cognac Frapin vereint.

Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft

„Champagner ist ein Barometer für die gute Gesundheit der Geschäfte und die gute Moral der Bevölkerung“, merkt Fabrice Rosset, Leiter von Champagne Deutz, an. „Alle Veranstaltungen werden nach und nach abgesagt. Dahinter aber zeichnen sich soziale Auswirkungen ab und – was zu befürchten ist – auch psychologische aufseiten der Verbraucher. Das tangiert letztlich die gesamte Gesellschaft.“

In den ersten sieben Monaten büßten die Champagner im Vergleich zum Vorjahr 30,6 Prozent an Volumen und 31,1 Prozent an Wert ein (Quelle Douanes/FEVS), was einer Million Flaschen und 1,5 Milliarden Euro entspricht. Doch nach dem Lockdown im Frühjahr gab es Lichtblicke.

Was den Absatz in Fachgeschäften betrifft, steuert Deutz auf ein Rekordjahr zu. „Bei Gosset konstatieren wir, dass Spitzenprodukte in der Krise sehr viel weniger leiden“, kommentiert Jean-Pierre Cointreau. Bei Nicolas Feuillatte hat man seine Stellung als Nummer eins in Frankreich konsolidiert.

Andauernde Nachfrage aus Deutschland

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Veuve Fourny freut sich über treue Kunden. „Auch in Deutschland ist die Nachfrage auf gleichem Niveau geblieben“, sagt Charles Fourny. Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel wurden nach Nielsen sogar fast 17 Prozent Zuwachs beim Champagner verbucht! Dennoch schaut man besorgt auf das Jahresende, das sonst fast die Hälfte des Umsatzes bringt.

Gewissen Optimismus löst nur das Verhalten der Franzosen nach dem ersten Lockdown aus. „Die Verkäufe des Champagners explodierten“, bestätigt Maxime Toubart, Präsident des Winzersyndikats. „Die Leute kauften Champagner, weil sie feiern, Freunde empfangen, wieder leben wollten.“

Wie hier in Bayonne, wirken Frankreichs Straßen wegen der Maßnahmen gegen Covid-19 wie leergefegt
Wie hier in Bayonne, wirken Frankreichs Straßen wegen der Maßnahmen gegen Covid-19 wie leergefegt
Quelle: dpa

Die Krise hat die gesamte französische Weinbranche – und natürlich nicht nur sie – ergriffen. Doch was Wein betrifft, so zeichneten sich schon länger Verluste ab. „Wir haben seit zwei Jahren in Bordeaux eine Baisse der Verkäufe“, erklärt Bernard Farges, Präsident des Weinverbandes CIVB.

„Wir sind weiterhin vom Effekt der Krise in China betroffen und der starken Verringerung der Importe sämtlicher Weine. In China waren französische Weine die am besten vertriebenen. Auswirkungen hatte auch der Airbus-Boeing-Streit mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf europäische, aber insbesondere französische Weine. Dadurch haben wir bedeutende Rückgänge auf zwei unserer größten Märkte, in China und den USA. Dazu kommt nun die beunruhigende Situation in Europa und Frankreich.“

Umsatzeinbruch französischer Weine

Allein Trumps Zölle beziffern sich auf einen Verlust von 500 Millionen Dollar, schätzt man in Frankreich. Der Export französischer Weine büßte in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 18 Prozent an Wert ein, aufs Weinjahr von August bis Juli gesehen immerhin zehn Prozent (Quelle: France Agri Mer). Das ist der größte Einbruch seit 2008/2009. Ein schwerer Schlag für eine Branche, die 500.000 Menschen beschäftigt und nach der Flugzeugindustrie am stärksten zur Außenhandelsbilanz Frankreichs beiträgt.

Der Lockdown im Frühjahr traf Weingüter, -kellereien und -händler auf sehr unterschiedliche Weise, abhängig von ihren Vertriebsstrukturen. Gerade kleinere, auf hohe Qualität ausgerichtete Winzer litten enorm unter der Schließung von Restaurants und Weinbars, oft ihre Hauptabnehmer.

„In der Großfläche in Frankreich und in Nordeuropa hat sich der Konsum auf korrekte Weise gehalten“, merkt James Fuselier, Marketingchef beim Cellier des Dauphins im Rhônetal, an. „Auf dem französischen Markt gab es eine positive Entwicklung der Bag-in-Boxes im Vergleich zur Flasche. Da wir ein Spezialist der BiBs sind, war dies ein Punkt für uns.“

Schnell auf den Online-Zug springen

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Ganz anders sieht es beim Handelshaus Ferraton Père et Fils aus. „Was uns erlaubt hat, den Kopf über Wasser zu halten, sind die guten Beziehungen zu einigen großen Akteuren des Online-Verkaufs, die gut funktioniert haben“, verrät Verkaufsleiter Patrick Rigoulet.

Die Krise öffnete vielen Erzeugern plötzlich die Augen für bisherige Versäumnisse im Internet. Nun versuchten sie Hals über Kopf auf den Online-Zug aufzuspringen, teilweise sogar mit gutem Erfolg. „In Frankreich funktionierten insbesondere BiBs, Landweine und Handelsmarken“, konstatiert Etienne Maffre, Präsident des Syndikats der Weinhändler im Rhônetal.

Insgesamt kauften die Leute viel, doch eher günstig. Die Weinhandelsfirma Gabriel Meffre verbuchte Zuwächse im Export mit starken Marken wie Fat Bastard in den USA. In der Krise wandten sich die Verbraucher erneut Marken zu, die sie seit Langem kannten.

Krise führt Verbraucher zu Bekanntem

Dieses Phänomen beobachtete auch Louis-Fabrice Latour, Präsident des Weinverbands des Burgunds und des Hauses Latour in Beaune. Doch nicht in den USA. „Mit dem Zoll sind wir in Amerika bei minus 25 bis 30 Prozent. England, der zweite Markt des Burgunds, hält sich dagegen bestens. Wir haben den Eindruck, dass während einer Krise ein großes Volk wie die Engländer zu dem zurückkehrt, was es kennt.“

„Nach dem Lockdown war der Neustart sehr schnell“, bestätigt Miren de Lorgeril, Präsidentin des Weinverbands des Languedoc. „Ab Ende Mai waren die Verkäufe sehr stark, und wir erreichten die Werte des vergangenen Jahres in Juni, Juli und August.“ Im Sommer stürmten französische Urlauber, die in diesem Jahr notgedrungen auf Auslandsreisen verzichten mussten, Weingüter und Probierkeller und kauften so gut und so reichlich wie noch nie.

Doch dieser Lichtblick währte nicht lange. Bereits mit der Einführung der Sperrstunden wurde der französischen Gastronomie erneut der schwarze Peter zugeschoben, obwohl die Wirte enorme Anstrengungen unternommen hatten, den Hygieneauflagen nachzukommen.

Mahlzeit als Unesco-Welterbe

Der ab dem 29. Oktober verhängte zweite Lockdown legt nun aufs Neue einen ganzen Wirtschaftszweig lahm, Weinumsatz inklusive. Doch nicht allein das. Durch den eingeschränkten sozialen Kontakt muss auch das gastronomische Mahl der Franzosen, das die Unesco 2010 zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärte, pausieren.

Nun hofft die gesamte Grande Nation darauf, rechtzeitig Covid-19 und den Lockdown zu überwinden, um sich zu Weihnachten nach allen Regeln der Tradition zu Tisch setzen zu können. Und nicht nur unsere Nachbarn träumen davon, sich wieder unbeschwert mit Verwandten und Freunden zu treffen und mit einem guten Tropfen auf eine bessere Zukunft anstoßen zu können. A votre santé!

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