Wollte der Herr Professor eine aufstrebende Konkurrentin auf dem Fachgebiet Sterngeburten und Schwarze Löcher loswerden? Oder war ihm bewusst, dass er seine Studentin Anood Alsalami an einen der schönsten Arbeitsplätze der Welt vermittelte? Vermutlich waren es die besten Absichten, die den Mann von der Universität Maskat damals antrieben – denn seit fünf Jahren arbeitet die inzwischen 27-Jährige nun schon als Astronomin in Festanstellung für ein Luxusresort, nach eigenen Angaben als einzige weltweit. Vom „Alila Jabal Akhdar“ ist die Rede, gelegen im Jebel Akhdar, Omans höchstem Gebirge. Ein Ort, der für Sternstunden ideal ist, weil es hier nachts stockdunkel ist.
Allabendlich, nachdem die Gäste den Pools entstiegen sind und ihre Menüs auf der Terrasse über dem schroffen Wadi Al Hijri eingenommen haben, bittet Anood Alsalami auf die Yoga-Plattform. Dort hat sie ihr CPC 1100 GPS XLT, ein 15.000 Euro teures Teleskop, aufgestellt. Ein Dutzend wüstensandfarbene Sitzsäcke laden ein, sich fallen zu lassen in eine Stunde Sternegucken oder zumindest in die Magie des Vollmonds.
Der Mond, anderswo Inbegriff romantischer Nächte, ist im „Alila Jabal Akhdar“ allerdings ein eher ungebetener Gast. Denn in erster Linie freuen sich die Resortgäste auf ein Erlebnis, das weltweit zur Rarität geworden ist: den ungestörten Blick ins All und im Sommer auf die komplette Milchstraße. Der Feind aller Sterngucker heißt „Lichtverschmutzung“, weshalb das Hotel den beinahe perfekten Zufluchtsort darstellt. In bestimmten Nächten verzichtet das Management sogar auf die Außenbeleuchtung. Nur zwei entlegene Dörfer flimmern dann noch gegen die Sterne an, ansonsten ist es tiefschwarze Nacht im Süden der Arabischen Halbinsel.
Drei Gäste sind es, die sich an diesem Abend für das exklusive „Private Stargazing“ entschieden haben. Das Programm erlaubt es Hobbyastronomen, mit Anood Alsalami über kosmische Themen nach Wahl zu fachsimpeln, etwa über den roten Riesen Beteigeuze im Sternbild Orion. Die Wissenschaftlerin liebt Orion, vor allem der Supernova wegen, deren Ende womöglich schon Generationen zurückliegt. Denn immerhin dauert es 642 Jahre, ehe dies in einer ungeheuer grellen Explosion auch am irdischen Firmament sichtbar würde. Für Astronomen sei das Licht trotz seiner Geschwindigkeit von mehr als einer Milliarde Stundenkilometern entsetzlich träge unterwegs, sagt Anood Alsalami.
Suche nach den Sternzeichen am Himmel
Sie reicht etwas Tee, dann lenkt sie ihr Teleskop mittels Handy-App auf ein anderes helles Objekt am Nachthimmel, das in wenigen Minuten hinter einer 2200 Meter hohen Bergkette verschwinden wird: Jupiter. Was auf dem größten Planeten unseres Sonnensystems geschieht, erfahren Sternengucker immerhin schon nach 35 Minuten. An diesem Abend erfreuen sich die Gäste an vier der 92 Monde, die, gut sichtbar in der Teleskoplinse, um Jupiter herumtanzen.
Danach zeichnet die Expertin mittels ihres Power-Lasers Suchaufgaben in den Nachthimmel. Vor allem die zwölf Sternzeichen sind in mondlosen Nächten wie heute beliebte Suchkandidaten. Das Sternbild Krebs ist in dieser Nacht schwer zu finden, was Alsalami so kommentiert: „Sorry, Krebs, aber eure Sterne sind nicht die allerhellsten am Himmel!“
Eine Stunde später, beim kostenlosen allgemeinen Sternegucken, wird ihr ein zwölfjähriger Junge den Laser entreißen und sie nach allen Regeln der Kunst ausfragen. Und erfahren, dass die griechische und die arabische Mythologie nicht immer eins sind, wenn es um die Deutung der Figuren am Himmel geht: Was für die alten Griechen die Hinterbeine des Großen Bären waren, sind für die Araber die Spuren einer Gazelle, die vor dem Löwen flieht.
Dann, wie bestellt: eine Sternschnuppe, zu sehen für den Bruchteil einer Sekunde. Im vorigen Sommer, erzählt Alsalami, sei sogar mal eine Sternschnuppe wie ein Komet mehrere Sekunden lang über den kompletten Nachthimmel gewandert, alle hätten Gänsehaut bekommen. Das sei das faszinierende an diesem Ort: „Oft reicht das bloße Auge, um die Wunder des Weltalls über dem Jebel Akhdar zu betrachten. In sehr guten Nächten, im Sommer bei Neumond, kann man hier 1000 Sterne ausmachen.“ 1000 Sterne! Anderswo auf der Welt bräuchte es dazu einen kompletten Stromausfall.
Im „Alila Jabal Akhdar“ arbeitet eine Astronomin als Guide für Sternegucker. Für Hausgäste ist der Service kostenlos, ein „Private Stargazing“ kostet für zwei Personen knapp 300 Euro für eine Stunde. Ein Doppelzimmer ist in der Nebensaison ab 250 Euro zu haben (alilahotels.com).
Perfekte Orte zum Beobachten der Sterne in Europa:
Deutschland: Rund 70 Kilometer westlich von Berlin erstreckt sich der Natur- und Sternenpark Westhavelland in Brandenburg – Deutschlands erste als Dark Sky Reserve anerkannte Region. Die Auszeichnung erhielt der Park 2014 von der International Dark Sky Association (IDA) dank seines natürlich dunklen Nachthimmels. Sternenfreunde finden viele astronomische Veranstaltungen und Unterkünfte mit guten Bedingungen für Himmelsblicke (sternenpark-westhavelland.de).
Niederlande: Sterne über der Nordsee: De Boschplaat ist ein Schutzgebiet auf der westfriesischen Wattenmeerinsel Terschelling. 2015 wurde es von der IDA zum ersten Dark Sky Park der Niederlande erklärt. Gäste können auf eigene Faust Sterne betrachten oder geführte Nachtwanderungen buchen (vvvterschelling.de/dark-sky-terschelling).
Kroatien: Die Hafenstadt Jelsa auf der Insel Hvar ist seit Februar 2022 die erste Dark Sky Community in Kroatien und ganz Südeuropa. Die Gemeinde erhielt diesen Ritterschlag der IDA durch eine enorme Reduktion der üblichen Lichtverschmutzung und großen Einsatz für die Würdigung des Nachthimmels, für Gäste gibt es öffentliche Sternenguck-Events mit Teleskopen (visitjelsa.hr/de).