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Watches Handwerkskunst

Hier werden Uhren 600 Stunden lang mit Edelsteinen besetzt

Vor dem Brennvorgang werden Quarzglas-Kügelchen in unterschiedlichen Farbtönen mit der Pinzette so angerichtet, dass das Cloisonné-Emaille-Tier hinterher seine typische Fell-Färbung hat Vor dem Brennvorgang werden Quarzglas-Kügelchen in unterschiedlichen Farbtönen mit der Pinzette so angerichtet, dass das Cloisonné-Emaille-Tier hinterher seine typische Fell-Färbung hat
Vor dem Brennvorgang werden Quarzglas-Kügelchen mit der Pinzette so angerichtet, dass das Cloisonné-Emaille-Tier hinterher seine typische „Fell“-Färbung hat
Quelle: Paolo Pellegrin
Neben Klassikern wie die „Santos“ fertigt Cartier auch besonders hochkarätige Schmuckuhren. Dabei kommen Kunsthandwerker zum Einsatz, die ihren Beruf über Jahrzehnte erlernt haben. Für uns hat die Manufaktur ihre Werkstätten geöffnet.
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Am Anfang von allem steht das Design. Im Falle der „Masse Mystérieuse“ muss also jemand etwas gedacht haben wie: „Wie schön es doch wäre, einen transparenten Zeitmesser zu haben, bei dem das skelettierte Uhrwerk zugleich als Rotor für den automatischen Aufzug dient und diese Schwungmasse scheinbar schwerelos Minuten- und Stundenzeiger antreibt.“ Das Ergebnis ist das komplexeste Modell, das die Uhrmacher bei Cartier jemals entwickelt haben – und in vielerlei Hinsicht steht die Uhr für all das, was den Erfolg des Hauses auf dem Markt befeuert: Ein besonderes ästhetisches Empfinden verbindet sich mit einem klaren Blick auf die eigene Geschichte, dazu kommt noch eine handwerkliche Expertise, die sich am eindrücklichsten in der „Maison des Métiers d’Art“ erleben lässt.

Als solche bezeichnet man bei Cartier die Spezialabteilung für die besonders vielschichtig dekorierten Fälle. Die Maison befindet sich seit 2014 in einem renovierten Bauernhaus im Berner Stil des 18. Jahrhunderts. Weiß verputzt und mit dunklen Holzläden, bildet es einen krassen Kontrast zur fußballfeldgroßen Hauptproduktionsstätte gleich nebenan im schweizerischen Le Crêt-du-Locle, in der Modelle wie „Panthère“, „Baignoire“ und „Ballon Bleu“ in großer Stückzahl entstehen.

Kunsthandwerker unter sich: In der Manufaktur sitzen die Experten fürs Feine
Kunsthandwerker unter sich: In der Manufaktur sitzen die Experten fürs Feine
Quelle: Paolo Pellegrin

Das Wissen der Uhrmacher wird von Generation zu Generation weitergegeben
Das Wissen der Uhrmacher wird von Generation zu Generation weitergegeben
Quelle: Alfredo Piola

Über die Jahrzehnte hinweg ist aus dem Juwelier Cartier der zweitgrößte Luxus-Uhrenhersteller der Welt geworden. 4000 Mitarbeiter sind an fünf Standorten in der Schweiz tätig. Die Maison des Métiers d’Art ist in diesem Kosmos nur ein kleiner Satellit mit 40 Angestellten – die aber sorgen für eine einzigartige Strahlkraft. Im kreativen Prozess schieben sie das Funktionale hier anfangs in den Hintergrund, stattdessen wird für die Optik wirklich alles getan, egal, wie lange es dauert, egal, wie kostspielig es wird. Holz-Marketerie, Edelsteinbesatz, Gravuren, Emaille-Arbeiten mit Champlevé-, Grisaille- oder auch Cloisonné-Technik – es sind allesamt Handwerkskünste auf einem Niveau, das keine Schule der Welt lehren kann. Nur die Berufserfahrung von Jahrzehnten hilft hier wirklich, und dieses Wissen gibt eine Generation an die nächste weiter.

Dass die Funktion hier der Form folgt und nicht umgekehrt, erscheint dabei nur auf den ersten Blick eines Ingenieurs ungewöhnlich. Schließlich geht es in der Haute Horlogerie in den allermeisten Fällen um einen möglichst schönen Weg zum Endergebnis, nicht um den kürzesten. Wozu sonst ein Uhrwerk möglichst raffiniert finissieren? Es skelettieren? Oder mit möglichst vielen Funktionen besonders komplex werden lassen?

Auch von Cartier

Hinter dem Gedeihen des Unternehmens steckt damit das, was Luxus seit je definiert, was aber oft nicht wirklich betrieben wird: großer Aufwand, der sich dokumentieren lässt. Im Fall Cartiers spiegelt sich dies beispielsweise darin wider, dass sich der Preis für Vintage-Modelle auf Auktionen und auf dem Zweitmarkt sehr gut entwickeln. Darüber hinaus sind Modelle wie die „Crash“ mit ihrer einzigartigen Gehäuseform eines eingedrückten Ovals so populär, dass sie die Wertschätzung für herausragende Gehäuseformen generell gesteigert haben. Die Marke gilt derzeit als cool, und sie nutzt die Gunst der Stunde, um mit Social-Media-Initiativen wie der „Cartier Watch Community“, das Momentum zu pflegen.

Das asymmetrische Zifferblatt der „Crash“ wurde durch einen Tiger in Blau- und Grüntönen komplettiert
Dieses asymmetrische Zifferblatt der „Crash“ wird durch stilisierte Streifen eines Tigers in Blau- und Grüntönen komplettiert
Quelle: Cartier

Arnaud Carrez, der Senior Vice President und Chief Marketing Officer des Hauses, und Karim Drici, der Manufacturing Director hier in Le Crêt-du-Locle, machen im Gespräch allerdings kein Geheimnis daraus, dass die Lage vor gar nicht allzu langer Zeit noch deutlich komplizierter war. Die Kommunikation zwischen der Zentrale in Paris und der Produktion in der Schweiz? Verbesserungswürdig. Man verlor Marktanteile, es galt zu handeln.

Also wurden regelmäßige Treffen aller Abteilungen koordiniert, die Produktlinien klar strukturiert und der Fokus wurde auf die großen Modellnamen des Hauses gerichtet. Warum soll jemand unbedingt versuchen, einen neuen Klassiker zu erschaffen, wenn im Archiv bereits einige Bestseller lagern? Wie viele verschiedene Uhrenformen in all den Jahren gestaltet und produziert worden sind, kann hier im Herzen der Uhren-Produktionsstätte niemand genau beantworten. Es müssen unzählige sein, denn allein 900 verschiedene Varianten von gebläuten Zeigern sind aktuell zu fertigen.

Bei der „Masse Mystérieuse“ ist das Platingehäuse der 43,5-Millimeter-Rahmen für das bewegliche Kaliber 9801 MC, das auch die Rolle der Schwungmasse für den automatischen Aufzug übernimmt. Kostenpunkt der auf 30 Exemplare limitierten Serie: 336.000 Euro
Bei der „Masse Mystérieuse“ ist das Platingehäuse der Rahmen für das bewegliche Kaliber 9801 MC (auf 30 Exemplare limitierte Serie, 336.000 Euro)
Quelle: Cartier
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Das Ziel, eine in jeder Hinsicht erstklassige Manufaktur zu werden, war also schnell definiert. Doch ein derartiger Wandel lässt sich in einem Haus dieser Größe nicht rasch erzwingen. In den vergangenen acht Jahren – was übrigens der Entwicklungszeit der „Masse Mystérieuse“ entspricht – ist dennoch Wesentliches passiert: Die Entwicklungszeit für ein neues (Standard-)Produkt reduzierte man von 24 auf 12 Monate, was vereinfachte Abläufe erforderte, dazu stieg die Begehrlichkeit rund um Modelle von „Santos-Dumont“ über „Tank“ hin zu „Cloche de Cartier“ stark an.

Die Maison des Métiers d’Art steuert für diesen Erfolg kunsthandwerkliche Meisterleitungen bei. Beim Gang durch die Spezialabteilungen begegnet einem die Raffinesse in verschiedensten Formen. Da ist die gelbgoldene Schmuckuhr, die ein Mini-Panther ziert. Das Uhrwerk mag Quarz und in allererster Linie winzig sein, doch in Sachen Edelsteinbesatz gibt es kaum ein spektakuläreres Modell: 600 Stunden lang wurden Armband und Wildkatze mit gelben Saphiren, Baguette-Diamanten und Onyx besetzt. Die Tierwelt ist hier grundsätzlich ein großes Thema, von diamantbesetzten Schildkröten hin zu Edelstein-Pandas, Emaille- und Holz-Marketerie-Löwen, -Adlern und -Eisbären finden sich unterschiedlichste Kreationen.

Alles von Hand gemacht: Die Emaille-Phase des Modells „Panthère Songeuse“
Alles von Hand gemacht: Die Emaille-Phase des Modells „Panthère Songeuse“
Quelle: Paolo Pellegrin

Zum Manufaktur-Grundverständnis gehört übrigens auch, dass im Entstehungsprozess jede Überlegung ausgeblendet wird, wer wohl letztlich die Uhr kaufen mag. Man baue keine Dinge für definierte Zielgruppen, heißt es knapp. Der Gedanke dahinter: Ein wahrhaft überzeugendes Produkt kennt kein Geschlecht, kein Alter und vor allem keine Erklärmuster, die den Absatz garantieren, findet aber immer zahlungskräftige Abnehmer.

Auf dem Rückweg zum Züricher Flughafen ist der Besucher in Gedanken noch immer in diesem Kosmos, in dem Design alles ist und in dem man sich Gedanken um all jene uhrmacherischen Besonderheiten macht, die niemals alltäglich sein werden. Egal, ob es nun die Kleinstserien in der Maison sind oder die großen Bestseller aus dem Gebäudekomplex nebenan.

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