Gleichberechtigung

Frauenrechte in Deutschland: Was wir in 113 Jahren Weltfrauentag erreicht haben - und was nicht

Es gibt sie zuhauf, die tollen Anekdoten, Daten und Fakten über noch tollere Frauen und deren Errungenschaften in puncto Gleichberechtigung. Zum Weltfrauentag haben wir die für uns spannendsten Meilensteine in der Geschichte der Frauenrechte in Deutschland herausgesucht und sind beeindruckt, dankbar – und manchmal auch ziemlich erschrocken.
Weltfrauentag das sind die spannendsten Meilensteine in der Geschichte der Frauenrechte
My body my freedom sign on a march in Texas with pranonymous people in the background.Victor Bordera

Zum 113. Weltfrauentag: Das sind die Meilensteine in der Geschichte der Frauenrechte in Deutschland

Es gibt ihn seit 1911 und seit 1921 liegt er auf dem 8. März. Seit 2019 ist er im Land Berlin und seit 2023 in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlicher Feiertag: Der Internationale Frauentag sollte ein Kampftag sein, ein Tag des Protests gegen das Patriarchat. So wünschte es sich die Frauenbewegung damals und dafür kämpfen Frauen auf der ganzen Welt bis heute.

Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit: So emotional ist die Geschichte der Frauenrechte

Auch wenn die meisten frauenrechtlichen Geschichtsschreibungen erst im 20. Jahrhundert beginnen, die ersten Emanzipationsversuche des weiblichen Geschlechts passierten tatsächlich schon im 12. Jahrhundert – und zwar gegen die katholische Kirche. Leider so erfolglos, dass es die nächsten 500 Jahre sehr ruhig wurde um die Frauen. Bis zur Französischen Revolution 1791, als die erste moderne Frauenrechtlerin Olympe de Gouges ganz nach dem Motto Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit laut kämpferisch die Parität der Geschlechter einzufordern versuchte. Aber auch sie scheiterte und wurde sogar öffentlich hingerichtet.

Im 19. Jahrhundert erhielten Witwen mit einem großen Erbe in New Jersey das Recht, wählen zu gehen. Ein Privileg – verheiratete Frauen dürfen das nicht! In den 1840er Jahren, liest man, gab es zeitweise das Frauenwahlrecht auf einer Insel im Südpazifik, später in einer kolumbianischen Stadt, dann auch in Wyoming. 1848 markiert die Declaration of Sentiments den Beginn der Frauenbewegung in den USA. Die Erklärung fordert den gleichen sozialen Status und gleiche Rechte für Frauen. Bis heute folgen tausende kleinere und größere Errungenschaften der Frauen auf der ganzen Welt. Wir haben einige wichtige zusammengestellt.

Wichtige Meilensteine in der Geschichte der Frauenrechte in Deutschland

1893
Frauen werden in Deutschland zum Abitur zugelassen.

1899 
Im Deutschen Reich werden erstmals offiziell Frauen zu den Staatsprüfungen der Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie zugelassen. Ein Jahr später erlaubt das Großherzogtum Baden das Frauenstudium uneingeschränkt.

1903 
Die Physikerin Marie Curie erhält als erste Frau den Nobelpreis.

1903 
Die 1903 gegründete Frauenrechtsbewegung der Suffragetten in Großbritannien (abgeleitet vom englisch/französischen Begriff suffrage für Wahlrecht) bewirkt mit ihrem passiven Widerstand, Störungen offizieller Veranstaltungen sowie Hungerstreiks in Europa ein längerfristiges Umdenken. Es dauert zwei Jahrzehnte, bis die organisierten Frauenrechtlerinnen am 2. Juli 1928 ihr Ziel erreichen und das Frauenwahlrecht in Großbritannien endgültig eingeführt wird.

1908 
tritt die lang umkämpfte Vereinsfreiheit für Frauen in Kraft. Ab jetzt dürfen in Deutschland auch Frauen Mitglieder einer Partei werden.

1911
Der erste Weltfrauentag findet am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. 

1918
Die moderne Frauenbewegung beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Im November 1918 wird das Frauenwahlrecht in Deutschland rechtlich verankert – und zwar aktiv sowie passiv. Zudem gilt ab sofort das Recht auf Erwerbstätigkeit und Bildung. Die erste Reichstagswahl mit Frauenwahlrecht findet 1919 statt: 41 weibliche Abgeordnete ziehen in die Weimarer Nationalversammlung ein. Fast 90 Prozent der Frauen gehen wählen.

1919
Marie Juchacz hält als erste Fraue eine Rede im Reichstag. Als Abgeordnete widmet sie sich hauptsächlich der Sozialpolitik, tritt für einen besseren Mutterschutz, für Jugendhilfe und eine Änderung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder ein. Ihre größte sozialpolitische Leistung ist die Gründung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Dezember 1919.

In der Weimarer Republik entsteht eine "neue Frau". Die äußeren Zeichen dieser Entwicklung ist der Bubikopf, das kurzgeschnittene Haar bei Frauen, und ein kurzes Kleid. Die Frau wird Konsumentin und von der Industrie heftig umworben.

1920 
Frauen erhalten in Deutschland das Habilitationsrecht.

Wahlrecht für Frauen in Europa

1928
Britische Frauen dürfen wählen.

1944
Wahlrecht auch für Frauen in Frankreich.

1949
Am 8. Mai 1949 wird die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in das Deutsche Grundgesetz aufgenommen – Bestimmungen im Gesetz werden jedoch noch nicht angepasst. Die Realität der jungen deutschen Bundesrepublik ist nach wie vor von einem patriarchalischen Ehe- und Familienverständnis geprägt, das sich immer noch auf Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von 1896 stützt: der Mann ist das Oberhaupt der Familie und entscheidet in allen ehelichen Angelegenheiten in letzter Instanz. Die Ehefrau ist verpflichtet, den Haushalt zu führen.

1952
Am 24. Januar 1952 wird das „Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ vom Deutschen Bundestag beschlossen. Werdende Mütter dürfen sechs Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt zu Hause bleiben. Während der gesamten Schwangerschaft brauchen sie keine körperlichen Arbeiten mehr verrichten und auch Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Kündigungen bis zu vier Monate nach der Geburt werden verboten. 

1954
Frauen dürfen in Deutschland in den öffentlichen Dienst. 

1957 
Das Lehrerinnen-Zölibat wird aufgehoben. Seit 1880 durften Lehrerinnen tatsächlich nicht heiraten. Die Doppelbelastung von Familie und Beruf wurde der Frau nicht zugetraut. Außerdem sah die Frauenrolle etwas anderes vor, als Frauen, die ihr Leben lang berufstätig sind. Frauen nahmen das Lehrerinnen-Zölibat also auf sich, um höhere Bildungseinrichtungen besuchen zu können. Heiratete eine Lehrerin, verlor sie ihre Stellung sowie jegliche Ansprüche auf ein Ruhegehalt. Am 10.Mai 1957 wird die Zölibatsklausel für Lehrerinnen vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben.

1957
“Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu.” So lautete § 1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der sogenannte Gehorsamkeitsparagraph, der dem Mann in einer Ehe das Recht zur Entscheidung aller gemeinsamen Angelegenheiten zusprach. Am 18. Juni 1957 wird er ersatzlos gestrichen.

Die erste Frau an der Spitze eines Bundesministeriums

1961
Unter Konrad Adenauer wird CDU-Politikerin Elisabeth Schwarzhaupt die erste weibliche Bundesministerin erreicht damit das höchste politische Amt, das eine Frau bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland innehatte. 

1962
Frauen dürfen ein eigenes Bankkonto haben. 

1968
Während einer Konferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes wirft Heike Sander Tomaten in Richtung des Vorstandstisches und startet damit eine neue Frauenbewegung. Noch am selben Tag gründeten Frauen in den verschiedenen Landesverbänden so genannte Weiberräte. Die Parole lautet "das Persönliche ist politisch".

1970 
Nach fast 15 Jahren hebt der DFB das Fußballverbot für Frauen auf. Gespielt wird nämlich zum Glück trotzdem überall – und zwar von bis zu 60.000 Mädchen und Frauen.

Im Sommer 1970 gehen 20.000 Demonstrantinnen für den Minirock auf die Straßen Dortmunds und legen den Verkehr lahm. Sie tragen Schilder mit Aufschriften wie “Modediktatur – Umsatzsteigerung auf unsere Kosten”, “Nackte Beine sind schöner als nackte Füße” oder “Wer will Maxi? Der Geschäftemacher!”

Am 14. Oktober 1970 löst die SPD-Politikerin Helene-Charlotte von Bothmer einen Skandal aus, als sie es „wagt“, in einem Hosenanzug ans Rednerpult des Bundestags zu treten. Zuvor hatte der Vizepräsident des Bundestags, Richard Jaeger, erklärt, er würde keiner Frau erlauben, das Plenum in Hosen zu betreten, geschweige denn an das Rednerpult zu treten. Von dieser Äußerung fühlten sich einige Politikerinnen provoziert. Sie berieten darüber, wie zu reagieren sei, und entschieden, genau das zu tun, was ihnen verwehrt sein sollte.

1971
Unter dem Motto "Mein Bauch gehört mir“ wird Deutschlandweit gegen das Abtreibungsverbot demonstriert. Der Stern titelt „Wir haben abgetrieben“ und druckt eine von Alice Schwarzer initiierte Kampagne, bei der 374 Frauen, darunter auch sehr prominente, zugeben, eine Schwangerschaft abgebrochen und damit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Durch die Aktion wird das Tabuthema Schwangerschaftsabbruch erstmals öffentlich. 

1974
Paragraph 218: Der Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft wird straffrei.

1977
Die sogenannte Hausfrauenehe wird abgeschafft und durch das Partnerschaftsprinzip ersetzt. Ab jetzt gelten für die Ehe keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr und diese ist den Eheleuten überlassen.

1976
In Westberlin entsteht das erste Frauenhaus Deutschlands. Frauengruppen starten damit, andere Frauen zu beraten, die Opfer von (sexueller) Gewalt wurden. Auch in der Kulturwelt tut sich viel: Es entstehen die ersten reinen Frauen-Theatergruppen, -Bands, -Kabaretts und -Verlage. 

1979
Bundesfamilienministerin Antje Huber führt den Mutterschaftsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie und Kündigungsschutz sowie das Mutterschaftsurlaubsgeld ein. Die Lohnersatzleistung in Höhe von maximal 750DM wurde bis zu sechs Monate lang gezahlt.

1986 
Rita Süssmuth wird die erste Frauenministerin. Da die Amtsbezeichnungen für Ministerinnen und Minister damals noch rein männlich sind, weist das Türschild an Süssmuths Büro sie als ‚Bundesminister‘ aus.

1991
Auch in der Schweizer Bundesverfassung wird endlich die Gleichstellung eingeführt.

1993
Heide Simonis wird die erste Ministerpräsidentin in Deutschland.

Ergänzung im Grundgesetz nach 50 Jahren

1994
Das Gleichberechtigungsgebot in Artikel 3 Absatz 2 im Grundgesetz wird ergänzt. Seit 1949 war die Formulierung “Männer und Frauen sind gleichberechtigt” Basis für die rechtliche Gleichstellung in Deutschland. Trotz vieler Fortschritte veränderte sich die soziale Wirklichkeit aber nur schleppend. Im November 1994 wird Artikel 3 deshalb um die Formulierung „der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ erweitert. 

Ein neues Familiennamensrecht tritt in Kraft. Dieses ermöglicht erstmals eine getrennte Namensführung für Eheleute. Auch wird damit nicht mehr vorgeschrieben, dass der Nachname des Mannes automatisch zum Familiennamen wird. 

1995 
Bei der vierten Weltfrauenkonferenz der Uno in Peking steht im Abschlussprotokoll: „Frauenrechte sind Menschenrechte!“. 

1998 
Der Deutsche Bundestag bestimmt am 15.5.1997 endlich, mit einer großen Mehrheit von 470 Stimmen (Nein-Stimmen 138, Enthaltungen 35), dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar wird. 

2001
Militärische Laufbahnen der Bundeswehr werden für Frauen geöffnet.

Da immer noch zu viele Mädchen und junge Frauen “typische Frauenberufe” wie Friseurin, Erzieherin, Arzthelferin, Bürofachfrau, Hotelfachfrau wählen, laden Firmen seit 2001 jedes Jahr im April Schülerinnen zum "Girls Day" ein, damit sie Einblick in alle Berufsgruppen bekommen.

2005
Nach acht männlichen Amtsvorgängern wird die CDU-Politikerin Angela Merkel am 22. November 2005 die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. 

2007
Am 1.1.2007 tritt das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit in Kraft. Dieses ermöglicht Müttern und Vätern bis zu 14 Monate aus dem Beruf auszusteigen und in dieser Zeit 67 Prozent des Einkommens als Elterngeld zu bekommen. Seit dem 1. Juli 2015 gibt es außerdem das ElterngeldPlus welches Eletrn ermöglicht während der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten und doppelt so lang ElterngeldPlus zu beziehen. 

2016
Seit dem 1. Januar 2016 gilt die feste Geschlechterquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratposten in etwa 150 großen Unternehmen. Über 3500 weitere Unternehmen sind ab diesem Zeitpunkt dazu verpflichtet, sich Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen. Das gleiche gilt für den öffentlichen Dienst.

2019
Der Weltfrauentag wird in Berlin zum arbeitsfreien Tag. Berlin ist damit das erste und zunächst einzige Bundesland in Deutschland, das den 8. März zum offiziellen Feiertag erklärt hat.

2023
In einem weiteren Bundesland wird der 8. März arbeitsfrei: 2022 hat der Landtag beschlossen, dass der Frauentag jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag ist.

2024
Fast jedes fünfte Mitglied im Vorstand der 100 größten Unternehmen Deutschlands ist eine Frau. So viele wie noch nie. Trotzdem: 30 Firmen werden ausschließlich von Männern geleitet.

Frankreich verankert als erstes Land weltweit, am 5. März, das Recht auf Abtreibung in der Verfassung.

Status Quo
Unbestritten, in den letzten 113 Jahren wurde wahnsinnig viel erreicht. Doch von einer echten Gleichstellung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind wir weit entfernt.

Noch immer wird nicht genug getan, um Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf so machbar wie möglich zu gestalten. Noch immer verdienen Frauen deutlich weniger als Männer in gleichen Berufen (wie der “Equal Pay Day” zeigt). Noch immer leiden Frauen unter Gewalt und sexueller Belästigung.  Noch immer dominiert in Deutschland eine männlich geprägte Sprache. Es gibt viel zu tun.

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