Zum Inhalt springen
Hermann-Josef Tenhagen

Bessere Altersvorsorge Vier Tricks, mit denen Babyboomer jetzt ihre Rente erhöhen können

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Sie stehen kurz vor der Rente? Dann sollten Sie ein paar einfache Kniffe beachten, mit denen Sie für die kommenden Jahre mehr Geld rausholen. Ein paar Tausend Euro sind dabei drin.
Kurz vor dem Ruhestand: Mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen lässt sich geschickt jonglieren

Kurz vor dem Ruhestand: Mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen lässt sich geschickt jonglieren

Foto: Michael Gstettenbauer / IMAGO

Regelmäßig zum Jahresende sollten sich Babyboomer mit ihrer kommenden Rente beschäftigen. Denn auch 2023 gibt es – wie in den vergangenen Jahren – ein paar Kniffe, mit denen sich mehr aus den über Jahrzehnte eingezahlten Rentenbeiträgen herausholen lässt. Ein paar Tausend Euro sind schnell drin. Vor allem bei der gesetzlichen Rente, aber manchmal auch bei privaten Rentenversicherungen.

Trick 1: Die kleine Teilrente

Wenn Sie Geburtsjahrgang 1958, 59 oder 60 sind, können Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit im kommenden Jahr in Rente gehen. Ziehen Sie den Rentenstart mit einer Teilrente noch auf diesen Dezember vor, kann Ihnen das einige Tausend Euro zusätzlich einbringen. Zusätzlich zum Rentenantrag, der ohnehin fällig wird, ist dafür nur ein formloses Anschreiben nötig. Sie können den Vorgang also einfach als kombinierten Antrag erledigen.

So funktioniert es: Arbeiten Sie weiter, aber gehen Sie schon zum Dezember 2023 in Teilrente – allerdings nur mit zehn Prozent Ihrer Rentenansprüche. Mit den restlichen 90 Prozent warten Sie bis zum regulären Termin. Seit 2023 können Sie neben Ihrer Rente unbegrenzt hinzuverdienen, Sie haben jede Menge Spielraum .

Weil die gesamte Rentenhöhe bei diesem Vorgehen noch 2023 ausgerechnet wird, bekommen Sie am Ende eine höhere Rente ausgezahlt.

  • Das liegt zum Ersten daran, dass die Zahl der Rentenpunkte, die Sie 2022 erworben haben, nach der bis Silvester 2023 gültigen Formel höher ist, als wenn Ihre Rentenpunkte für 2022 erst 2024 ausgerechnet werden – eine Spätfolge von Corona. Details finden Sie bei Finanztip . Bei einem Einkommen von 40.000 Euro im Jahr 2022 bekommen Sie mit dem Teilrenten-Trick über die Jahre wahrscheinlich mehr als einen Tausender raus, genauer gesagt jeden Monat rund drei Euro mehr Rente (West), bei 60.000 Euro Einkommen sogar 4,30 Euro. Die kommenden Rentensteigerungen sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

  • Zum Zweiten liegt Ihre Nettorente höher, weil für Menschen, die schon 2023 erstmals in Rente gehen, der Steuersatz auf die gesamte gesetzliche Rente niedriger ist. Bei 2000 Euro Rente müssen Sie jeden Monat einen Zehner weniger versteuern.

  • Und zum Dritten – hier kommt der größte Vorteil – bekommen Sie viele Monate lang bis zum regulären Renteneintrittsalter zusätzlich zum Einkommen schon einen Teil der Rente ausgezahlt. Bei einem monatlichen Rentenanspruch von 2000 Euro und einem Renteneintritt zum Dezember 2023 statt zum September 2024 wären das zum Beispiel 194,60 Euro Bruttorente pro Monat. Das entspricht zehn Prozent Ihrer Vollrente minus der Abschläge, weil Sie die Teilrente vorzeitig in Anspruch nehmen. Weniger als zehn Prozent dürfen Sie sich als Teilrentner nicht auszahlen lassen. Wäre der tatsächliche Renteneintritt am 1. September 2024, sind das allein dafür rund 1750 Euro Bruttorente, die Sie vorab ausgezahlt bekommen. Ihre Rentenhöhe fällt dafür ab dann um die 5,40 Euro im Monat. Weil Sie aber den Teilrenten-Trick benutzt haben (siehe Punkt eins), sinkt die Rente effektiv nur um 1,10 Euro im Monat (bei einem Gehalt von 60.000 Euro 2022). 1750 Euro sofort minus 1,10 Euro pro Monat – das lohnt sich, solange sie nicht mehr als 140 Jahre Rente beziehen.

Und es gibt sogar Fälle, in denen die Steigerung durch den Teilrenten-Trick die Abschläge wegen der früheren Rente übersteigt. Dazu kommt immer der Steuervorteil (siehe Punkt zwei).

Gehören Sie zu den genannten Jahrgängen, empfehle ich Ihnen unbedingt, sich jetzt bei der Rentenversicherung kostenlos zum Thema Teilrente beraten zu lassen. Keine Sorge, wenn Sie nicht gleich einen Termin bekommen. Den Kombiantrag auf Teilrente können Sie auch noch drei Monate rückwirkend stellen. Beratung vor dem Antrag ist aufgrund verschiedener Faktoren, die sehr individuell ausfallen können, aber Pflicht. Außerdem gehe ich davon aus, dass Ihr Arbeitgeber Sie gern bis zum offiziellen Renteneintritt weiter beschäftigt. Der Fachkräftemangel ist hier auf Ihrer Seite. Mit Ihrem Arbeitgeber sollten Sie vor dem Antrag ebenfalls sprechen. Denn in Ihrem Arbeitsvertrag kann festgehalten sein, dass Ihr Arbeitsverhältnis automatisch endet, wenn Sie eine Rente beziehen.

Trick 2: Die verschobene Betriebs- oder Riester-Rente

Wenn Sie noch vor Jahresende in Rente gehen und auch Ihre Betriebsrente – womöglich auf einen Schlag – ausgezahlt bekommen wollen, stoppen Sie das und lassen Sie sich die Betriebsrente erst 2024 auszahlen. Schreiben Sie Ihrer Firma wegen der Betriebsrente und Ihrem Anbieter wegen der Riester-Rente. Oft geht das.

So funktioniert es: Der Grund ist ganz simpel, Sie fahren mit diesem Modell besser beim Finanzamt. Die Auszahlung der einmaligen Betriebsrente sorgt im Auszahlungsjahr gemeinsam mit Ihrem Arbeitseinkommen für ein besonders hohes Jahreseinkommen und damit für eine hohe Steuerschuld beim Finanzamt. Wenn Sie 2023 noch voll verdient haben, zum Beispiel 60.000 Euro brutto und jetzt im Dezember noch 50.000 Euro Betriebsrente dazu bekommen, müssen Sie für die 50.000 Euro zusätzlich Steuern bezahlen. In unserem Beispiel wären das zum Beispiel für einen Single in Hamburg rund 20.000 Euro Steuern mehr. Hinzu kommen für gesetzlich Versicherte noch Krankenkassen- und Pflegebeiträge .

Lassen Sie sich die Betriebsrente aber erst 2024 auszahlen, besteht Ihr Jahreseinkommen nur aus Ihrer deutlich niedrigeren Rente, zum Beispiel 20.000 Euro und der ausgezahlten Betriebsrente. Der Steuersatz auf das gesamte Einkommen ist dann deutlich niedriger als 2023. In unserem Beispiel würde der Single in Hamburg rund 8000 Euro weniger Steuern zahlen als bei einer Auszahlung der Betriebsrente im Jahr 2023.

Einige Betriebsrenten werden freundlicher vom Finanzamt behandelt. Bei Betriebsrenten aus einer Unterstützungskasse oder einer Direktzusage können Sie oft die Auszahlung in der Rente sofort bekommen und steuerlich auf die kommenden fünf Jahre verteilen, dann zahlen Sie deutlich weniger Steuern.

Den gleichen Kniff können Sie auch anwenden, wenn Sie die 30-prozentige Teilauszahlung aus Ihrer Riester-Rente wählen – dann schieben Sie die Auszahlung ins nächste Jahr, in dem Sie komplett Rentnerin oder Rentner sind. Wenn Ihre Riester-Ansprüche so niedrig sind, dass Sie sie auf einen Schlag ausgezahlt bekommen, können Sie die Auszahlung wie oben für das Finanzamt fünfteln und dann fünfmal den niedrigeren Steuersatz zahlen. In jedem Fall sorgt die Auszahlung erst 2024 für deutlich niedrigere Steuern .

Trick 3: Vorgezogene Beiträge für die private Krankenversicherung

Wenn Sie als Privatversicherte demnächst in Rente gehen, kann es sich lohnen, jetzt schon für die Jahre 2024 und 2025 Ihre Krankenversicherungsbeiträge zu überweisen. Kontaktieren Sie Ihren privaten Krankenversicherer und stellen Sie schnell noch einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung beim Finanzamt. Wenn Sie das bis zum 30. November schaffen, profitieren Sie von einem Teil der Steuerersparnis noch in diesem Jahr. Den Rest holen Sie sich mit der Steuererklärung zurück.

So funktioniert es: Krankenversicherungsbeiträge können Sie komplett von der Steuer absetzen – auch wenn Sie sie schon für die folgenden Jahre zahlen. So können Sie 2023 Ihr hoffentlich noch recht hohes zu versteuerndes Einkommen mindern. In den kommenden Jahren müssen Sie dann die Beiträge erstens nicht mehr zahlen, können aber gleichzeitig mehr von Ihren übrigen Versicherungsbeiträgen steuerlich als Vorsorgeaufwendungen geltend machen, die Sie normalerweise nicht einsetzen können, weil allein mit den Krankenversicherungsbeiträgen der aktuelle Rahmen schon ausgeschöpft ist. So können Sie noch zusätzlich auch in den Jahren 2024 und 2025 Steuern sparen .

Trick 4: Vor allem für Kunden der Zurich Lebensversicherung

Sind Sie Kunde der Zurich Lebensversicherung? Dann hat Ihnen Ihr Versicherer in den vergangenen Jahren womöglich weniger Rente gezahlt, weil er einen Rentenfaktor gekürzt hat. Holen Sie sich jetzt das Geld zurück!

So funktioniert es: Wenn Sie in eine Lebensversicherung einzahlen, garantiert Ihnen der Versicherer normalerweise, dass Sie pro 10.000 Euro, die Sie im Erwerbsleben angespart haben, hinterher eine bestimmte monatliche Rente ausgezahlt bekommen. Einige Versicherer fühlten sich in den vergangenen zwei Jahren an diese Zusagen wegen der Niedrigzinsphase nicht mehr gebunden und zahlen ihren Kunden jetzt oder in Zukunft weniger aus. Im Fachjargon: Sie haben den Rentenfaktor gesenkt. Prominentes Beispiel ist die Zurich Versicherung .

Ein Versicherter hat gegen dieses Vorgehen geklagt und vor dem Landgericht Köln Recht bekommen (Az. 26 O 12/22). Die Zurich zog zunächst in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht, gab dann aber auf und nahm die Berufung zurück. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Die Zurich durfte den Rentenfaktor nicht herabsetzen. Bisher will diese Versicherung aber nur bei dem einen Kunden die Anpassung des Rentenfaktors rückgängig machen, der geklagt hatte.

Allen anderen Versicherten gegenüber beruft sie sich auf ein Urteil des Landgerichts Stuttgart. In dem besagten Prozess gegen die Allianz hatte der Versicherer gewonnen. Die Rechtslage sei sehr komplex und eine Klärung werde erst ein Urteil des Bundesgerichtshofs bringen.

Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, bringen Sie Ihre Anwältin an den Start und verlangen Sie von der Zurich die Einsetzung des alten Rentenfaktors oder das Geld zurück, falls Sie schon Rente beziehen. Dabei berufen Sie sich auf das rechtskräftige Urteil gegen die Zurich .

Wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung haben, beschweren Sie sich erst mal bei der Ombudsfrau des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft. So verhindern Sie auf jeden Fall, dass Ihre Ansprüche verjähren. Oder Sie beschweren sich bei der Bafin, die als Aufsichtsbehörde auch für Verbraucherbeschwerden zuständig ist. Die kann zwar nicht im Einzelfall helfen, aber Maßnahmen ergreifen, die die Gesamtheit aller Verbraucherinnen und Verbraucher schützt.


Viel Erfolg!